| Wenn uns die Antike heute marmorweiß erscheint, so täuscht
                dieser Eindruck, denn der antike Alltag war sehr stark von Farbigkeit
                bestimmt. Nicht nur waren alle steinernen Skulpturen und tönernen
                Statuetten bunt bemalt, sondern die Kunst der Antike war generell
                in hohem Maße von einer vielfarbigen wie vielfältigen
                Bilderwelt gekennzeichnet, die eine große Bandbreite an
                Motiven und Themen aufweist und ein Spiegel der griechischen,
                etruskischen und römischen Lebenskultur ist. Dementsprechend
                groß ist die Bilderfülle, die auf verschiedenen Bildträgern – z.
                B. Vasen, Reliefs, Wandmalereien und Mosaiken – überliefert
                ist. Die Auswahl der Bildthemen erfolgte dabei aber nicht willkürlich,
                denn die Bilder dienten keineswegs einzig der bloßen Dekoration;
                vielmehr standen Aussagen und Botschaften dahinter, die sich
                an den Betrachter richteten. Das Bild war ein bedeutendes Medium
                und diente der Kommunikation innerhalb der Gesellschaft.   Besonders bevorzugt wurden Darstellungen mythischer Geschichten
                von Göttern und Helden. Neben Szenen aus den großen
                Mythen über die olympischen Götter wie Zeus oder vergöttlichte
                Heroen wie Herakles erfreuten sich vor allem die homerischen
                Epen zum Trojanischen Krieg oder zu den Irrfahrten des Odysseus
                besonderer Beliebtheit. Durch Handelskontakte und den kulturellen
                Austausch mit den griechischen Kolonien in Italien hielten Szenen
                wie das Paris-Urteil oder Achills Kampf gegen die Amazonenkönigin
                Penthesileia sogar in die Bilderwelt der Etrusker Einzug. Auch
                in Rom dominierten griechische Mythen die heimischen Bilderwelten:
                Sie sind das häufigste Motiv auf Wandmalereien in römischen
                Häusern. Sie sollten sowohl die Bildung des Hausherrn unterstreichen
                als auch die Funktion eines Raumes hervorheben: In Schlafräumen
                etwa wurden gerne die Liebschaften des Zeus dargestellt, farbenprächtige
                Beispiele dafür finden sich auch im Landesmuseum Württemberg.
 Leda mit dem Schwan. 
                380/370 v. Chr.                Landesmuseum Württemberg,
                Stuttgart© 
                P. Frankenstein, H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg,
              Stuttgart
 Ein besonders breites Spektrum an unterschiedlichen Motiven
                zeigen die Darstellungen auf griechischen Vasen: Diese bilden
                nicht nur die bereits angesprochenen mythischen Wesen, Götter
                oder Heroen ab, sondern auch Szenen aus der Lebenswelt: Männerrunden
                beim Symposion – manchmal in der Gesellschaft von Hetären,
                Athleten beim Training im Gymnasion, Liebeswerbungen, Krieger
                im Kampf, Damen beim Schminken und bei der Kleiderauswahl oder
                sogar Töpfer bei der Arbeit an der Töpferscheibe. Solche
                Bilder erlauben Einblicke in Aspekte des täglichen Lebens,
                die in den Schriftquellen nur selten so detailliert geschildert
                werden. Zugleich ermöglichen sie Rückschlüsse
                darüber, welche Bereiche des Alltags als so prägend
                empfunden wurden, dass sie als angemessener Gegenstand für
                die Kunstfertigkeit der Vasenmaler galten. Im Wandel der Motive
                lassen sich dabei auch Veränderungen im Zeitgeist beobachten,
                wie das Beispiel der besonderen Bedeutung zeigt, die Krieg und
                Kampf im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus für die Lebensrealität
                hatten. In dieser Zeit kämpften nicht nur die einzelnen
                Stadtstaaten um die Vormachtstellung, sondern die griechische
                Freiheit war durch die Großmacht der Perser bedroht. In
                Vasenmalereien schlägt sich dies etwa in der Beliebtheit
                des Motivs des Kriegerabschieds nieder: Auf einer Bauchamphora
                verabschiedet sich ein Gerüsteter von seiner Frau. Szenen
                wie diese sollten an die Möglichkeit des eigenen Todes auf
                dem Schlachtfeld erinnern, thematisierten aber zugleich auch
                die Möglichkeit eines ruhmreichen, ehrenvollen Todes „für
                eine gute Sache“.   Griechische Trinkschale mit Sportdarstellungen, um 500 v.
                Chr. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
 © 
                P. Frankenstein, H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg,
              Stuttgart
 Durch alle Zeiten beliebt waren Athletendarstellungen wie die
                von Diskuswerfern oder Ringern, die das männliche Leistungsethos
                zum Ausdruck bringen sollten. Das Training des Körpers war
                von Bedeutung, um sich anderen gegenüber auszuzeichnen,
                zugleich aber auch unerlässlich für den Kampf und die
                Verteidigung des Gemeinwesens. Ein gestählter Körper
                zählte zudem auch zu den Wesensmerkmalen der moralischen
                und geistigen Vollkommenheit – kalos kai agathos (= gut
                und schön) galt als Ideal der griechischen Gesellschaft.
                Die körperliche Ertüchtigung spielte vor allem in der
                Erziehung der Jugend zur Elite eine zentrale Rolle.  Häufiger finden sich bei den Athletendarstellungen auch
                Inschriften wie o pais kalos (= der Knabe ist schön). Diese
                sogenannten Lieblingsinschriften sind vielfach auf Vasen schönen
                jungen Männern und ihren Vorzügen gewidmet, manchmal
                werden die Bewunderten auch namentlich genannt. Auf der Stuttgarter
                Duris-Schale mit Sportdarstellungen ist dies ein gewisser Chairestratos.   Auch
                Kulturkontakt und Kulturtransfer schlugen sich besonders deutlich
                in Bildern nieder: Bildinhalte wurden dabei ebenso tradiert
                und neu aufgenommen wie Formensprache oder spezielle Techniken
                in der Malerei. Ein einzigartiges Beispiel für Akkulturationsprozesse
                sind die farbenprächtigen Mumienporträts aus dem römischen Ägypten.
                Schon seit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen
                hatte sich hier die jahrtausendealte pharaonische Tradition mit
                der der griechischen Kultur vermischt. Nach der Eroberung durch
                die Römer im Jahr 30 vor Christus kam dann auch der römische
                Kultureinfluss zum Tragen. Mumienporträts sind auf dünne
                Holztafeln gemalte Porträts, die in die Bandagen am Kopfteil
                von Mumien eingebunden wurden. Sie entstanden, als die Jenseitsvorstellungen
                und der Totenkult der gemischten ägyptisch-griechischen
                Bevölkerung auf die römische Bildnistradition und Tafelmalerei
                trafen. Das Stuttgarter Mumienporträt der Eirene belegt
                besonders eindrucksvoll die multikulturelle Gesellschaft des
                römischen Ägyptens. Eine Inschrift nennt hier den Namen
                der Toten: „Eirene, Tochter des Silvanos und der Senpnoutis“.
                Während Eirenes Vater einen Namen römischen Ursprungs
                trägt, ist der Name ihrer Mutter ägyptisch und ihr
              eigener typisch griechisch.
 Mumienporträt der Eirene. Ägypten, 40/50 n. Chr.
                  Landesmuseum Württemberg, StuttgartFoto © H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
 
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