Im „freien Reichstal" Harmersbach
              Eine prachtvolle Schwarzwaldstraße führt vom Renchtal
                hinüber ins ehemals freie Reichstal Harmersbach. Langholzfuhrwerke
                begegnen uns. In weite Talschaften schaut man. Die Berge ringsum
                gleichen mythischen Gestalten der Sage.
              Nun geht es talwärts: in die Landschaft einer ehemaligen
                deutschen Bauernrepublik. In einer „Pflanzschule" sehen
                wir Frauen und Mädchen — sie tragen riesengroße,
                runde Strohhüte — bei emsiger Arbeit. „Zuwald" heißt
                der oberste Zinken des alten Reichstals. In Zuwald steht das
                oberste der sechs Schulhäuser des Tales. Man lässt
                sich von der Geschichte der Reichsbauernschaft erzählen.
                Nur unter Protest gab diese 1803 ihre Selbständigkeit auf.
                Der letzte Reichsvogt verlangte im Namen der „Zwölfer" von
                der badischen Regierung die Anerkennung der bisherigen Freiheit,
                Befreiung von Konskription, freie Wahl der Gemeindevorgesetzten,
                Erhebung des Tales in den Städterang. Die Antwort war deutlich: „Ihr
                Harmersbacher seid jetzt badisch und habt euch den badischen
                Landesgesetzen zu fügen." Das alte Reichstal wurde
                in zwei Gemeinden aufgelöst, in Ober- und Unterharmersbach.
                Der bisherige Reichsvogt wurde Bürgermeister des Obertals.
                Dass er diese Degradierung hinnahm, hat Hansjakob dem Manne in
                seiner Erzählung „Der letzte Reichsvogt", die
                uns ein anschauliches Bild von der Talgeschichte gibt, sehr verübelt.
                Die Reichstäler sind gute Badener und gute Deutsche geworden.
                Aber ihr einstiges freies Bauerntum haben sie nicht vergessen. „Bauernadel
                wohnt heute noch im Tal. Stolz rückt an Festtagen die Bürgermiliz
                mit rotem Federbusch aus. Von einer Eingemeindung mit Zell will
                man nichts wissen. Mit Zell haben die Reichsbauern einst manchen
                Strauß ausgefochten.
              Wir treten in einen der alten Bauernhöfe. Lassen uns von
                altem Brauchtum erzählen. Bei Ungewitter wirft man nicht
                nur geweihte Kräuter und Palmen ins Feuer, auch das „Osterschitle",
                das man am Karsamstag weihen ließ, wird glühend gemacht,
                das Unheil zu bannen. Der Hof, in welchem der letzte Reichsvogt
                wohnte, heißt heute noch der Vogtshof. Der Vogt hatte das
                Recht über Leben und Tod seiner Untertanen. In einem Wirtshaus
                hängt ein Bild, das den „Rat der Zwölfer" zeigt.
                Merkwürdige Sagen von Kaiser Wenzel, der dem Tal die Reichsfreiheit
                verliehen haben soll, ranken sich um die Falkenbrücke und
                um den Gasthof „Zu den drei Schweinsköpfen".
              In Unterharmersbach befindet sich die berühmte Wallfahrtskapelle „Maria
                zu den Ketten". Bunte Trachten aus allen Schwarzwaldtälern
                kann man hier an Wallfahrtstagen sehen.