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                      Wilhelmine 
                      von Grävenitz (1686-1744)
Wilhelmine von Grävenitz zählt zu den skandalumwittertsten 
                      und schillerndsten, aber auch zu den tragischsten Gestalten 
                      der württembergischen Hofgeschichte. Sie war über 20 Jahre 
                      Mätresse Herzog Eberhard Ludwigs und beeinflusste an seiner 
                      Seite als Landhofmeisterin und als Mitglied des Geheimen 
                      Rates die Geschicke des Landes entscheidend. 
                     Sie wuchs im mecklenburgischen Güstrow auf. Erst 1706, 
                      mit 20 Jahren, kam sie auf Initiative des Stuttgarter Hofmarschalls 
                      von Staffhorst und ihres Bruders Wilhelm Friedrich von Grävenitz 
                      an den württembergischen Hof nach Stuttgart. Mit Hilfe der 
                      jungen Frau wollte der Hofmarschall Einfluss auf den Herzog 
                      gewinnen. Sie sollte Eberhard Ludwig als neue Gespielin 
                      von seinen Regierungspflichten ablenken. Der intrigante 
                      Plan ging auf - vorerst zumindest: Denn an Stelle einer 
                      galanten Liebeständelei von begrenzter Dauer, entwickelte 
                      sich zwischen Eberhard Ludwig und Wilhelmine von Grävenitz 
                      eine Liebesbeziehung, die über viele Jahre anhalten sollte. 
                      Um die Stellung Wilhelmines am Hof zu stärken, erhob der 
                      Herzog sie zur Gräfin von Urach und setzte eine jährliche, 
                      hohe Apanage von 10.000 Gulden für sie aus. All das war 
                      zunächst nicht überaus Aufsehen erregend, denn Mätressen 
                      gehörten ins Bild der höfischen Gesellschaft. Auch Eberhard 
                      Ludwigs Vermählung mit der Grävenitz "zur linken Hand", 
                      die am 13. November 1707 dem Geheimen Rat mitgeteilt wurde, 
                      war nicht schockierend. Unerhört aber war, dass Eberhard 
                      Ludwig auch dann noch auf der Verbindung bestand, als seine 
                      Frau Johanna Elisabeth von Baden-Durlach ihm die Scheidung 
                      verweigerte - das bedeutete Bigamie, die vom Kaiser mit 
                      Acht und Absetzung geandet werden konnte. 
                     Kurz: die Vermählung wurde auf Intervention des deutschen 
                      Kaisers wieder gelöst und Wilhelmine von Grävenitz in die 
                      Schweiz verbannt. Doch schon 1710 erschien die einflussreiche 
                      Frau wieder am Hof. Sie war eine Scheinehe mit dem Landhofmeister 
                      Johann Franz Ferdinand Graf Würben eingegangen: Er nutzte 
                      ihr Geld zur Begleichung seiner Spielschulden und sie übernahm 
                      sein Amt des Landhofmeisters. Wilhelmine von Grävenitz bewährte 
                      sich in den folgenden Jahren als gewandte Gesellschafterin. 
                      Sie präsentierte den Hof an der Seite Eberhard Ludwigs nach 
                      außen und griff, da sie ein außerordentliches Talent im 
                      Vermitteln und Verhandeln besaß, zunehmend in die Regierung 
                      des Landes ein. Den Höhepunkt ihrer politischen Karriere 
                      erreichte sie 1717 mit ihrer Aufnahme als ordentliches Mitglied 
                      in das "Geheime Cabinett", das die oberste Aufsicht über 
                      Justiz-, Finanz- und Gnadensachen inne hatte. 
                     Bald warf man Wilhelmine von Grävenitz Günstlings- und 
                      Vetternwirtschaft vor. In der Tat war sie darum bemüht, 
                      Mitglieder ihrer Familie in einflussreiche Positionen unterzubringen 
                      und ihnen große und kleinere Vergünstigungen zukommen zu 
                      lassen - ganz so, wie das in der Politik eines absolutistischen 
                      Hofes üblich war. Durch ihren jähen Sturz aber wurden diese 
                      und andere Verleumdungen laut, ohne das Wilhelmine die Chance 
                      gehabt hätte, sich zu wehren. 
                     1731, nach dem Tod des einzigen Thronfolgers Eberhard Ludwigs, 
                      wandte der Herzog sich von Wilhelmine von Grävenitz ab. 
                      Er enthob sie all ihrer Ämter und veranlasste ihre Inhaftierung 
                      in der Festung auf dem Hohen Urach. Erst 1732 wurde sie 
                      durch die Vermittlung des Kaisers wieder frei gelassen. 
                      Allerdings musste sie auf alle Besitztümer verzichten, die 
                      sie in Württemberg angehäuft hatte, und das Land verlassen. 
                      Dafür erhielt sie 1733 die damals riesige Summe von 150.000 
                      Gulden als Entschädigung. Wilhelmine von Grävenitz zog nach 
                      Berlin, wo sie am 21. Oktober 1744 im Alter von 58 Jahren 
                      starb. 
                      
                      
                      
                     Text: Staatsanzeiger-Verlag |