| Abgehoben - 6000 Jahre Pfahlbauten in Europa und Südostasien
 
 Das Haus - mehr als nur WohnenNicht jeder hat in unserer Gesellschaft sein eigenes Zuhause, 
                      eingebunden in eine überschaubare Nachbarschaft. Wenige 
                      nur leben heute noch in dem Haus, in dem sie ihre Kindheit 
                      erlebt haben. Wohnen ist in unserer mobilen Gesellschaft 
                      kaum noch mit dem Gefühl einer festen Verbundenheit an eine 
                      bestimmte räumliche oder soziale Umgebung verknüpft. Vielfach 
                      wohnt man nebeneinander, nicht miteinander, individuell 
                      und anonym. Die sozialen Formen des Wohnens und der Wohngemeinschaften 
                      haben sich verändert.Auch in den indigenen Gemeinschaften in Ländern der Dritten 
                      Welt hat sich das Bauen und Wohnen mit der Globalisierung 
                      und einer verstärkten Mobilität gewandelt. Fast alle dieses 
                      Kulturen befinden sich im Umbruch. Doch ist hier in diesen 
                      stark traditionell orientierten Gesellschaften immer noch 
                      eine starke Bindung des Einzelnen an die Verwandtschaftsgruppe 
                      gegeben, die mit dem Elternhaus und der Hausgemeinschaft 
                      assoziiert wird. Das gilt insbesondere dort, wo mit dauerhaft 
                      errichteten Häusern eine permanente Raumgebundenheit geben 
                      ist und sich im Haus die kulturelle Identität manifestiert. 
                      Haus und Siedlungsgemeinschaft - das "Dorf" - sind nach 
                      wie vor Mittelpunkt ihrer Bezugswelt.
 Pfahlbauten in Südostasien - Konstruktion, Funktion und 
                      SymbolikIn vielen indigenen Gesellschaften des insularen Südostasiens 
                      repräsentiert das Haus die Einheit seiner Bewohner als Teil 
                      einer Siedlungs- und Sozialgemeinschaft. Es gibt allen ein 
                      Zuhause, den Lebenden und den Ahnen, den Göttern und den 
                      Geistern. In diesen Gesellschaften wird das Haus zum Symbol 
                      verschiedener Ordnungsprinzipien - es repräsentiert den 
                      Kosmos von überirdischer und irdischer Welt.Ganz besonders kommt dieses Denken in der Konstruktion der 
                      Pfahlbauten zum Ausdruck, die in ihrer vertikalen Struktur 
                      die Teilung des Makrokosmos in drei Bereiche symbolisieren: 
                      Der Dachkörper als Sinnbild der Oberwelt ist Sitz der Götter 
                      und der Ahnen, der Wohnbereich als Ort der Lebenden, der 
                      ebenerdige Raum zwischen den Pfosten Abbild der Unterwelt. 
                      Zudem weist die horizontale Raumaufteilung als weiteres 
                      grundlegendes Merkmal der südostasiatischen Architektur 
                      jedem Bewohner nach Alter und Geschlecht seinem ihm eigenen 
                      Platz zu.
 Die beeindruckenden großen Häuser sind oftmals Mehrfamilienhäuser, 
                      die dem einzelnen Mitglied eine starke Bindung an die Verwandtschaftsgruppe 
                      vermitteln. Es sind Stammhäuser, an die sich die Gruppe 
                      gebunden fühlt und die nicht nur soziales, sondern auch 
                      religiös-rituelles Zentrum der Familie sind.
 150 Jahre PfahlbauforschungAls im Winter 1853/54 in Obermeilen am Zürichsee Funde 
                      und Pfahlstellungen zum Vorschein kamen, die als Reste vorgeschichtlicher 
                      Dörfer erkannt und mit dem Begriff "Pfahlbauten" belegt 
                      wurden, löste dies ein wahres Pfahlbaufieber aus. Innerhalb 
                      kürzester Zeit wurden an nahezu allen Alpenrandseen und 
                      in vielen Mooren Pfahlbausiedlungen entdeckt. Erstmals rückten 
                      in Europa Siedlungen der Jungsteinzeit und Bronzezeit in 
                      das Blickfeld der noch jungen Altertumsforschung. Doch angesichts der damaligen Grabungstechnik ließen sich 
                      klare Baufunde kaum beobachten. Stattdessen bediente man 
                      sich bei der Deutung der Überreste ethnographischer Reiseberichte 
                      aus Südostasien und rekonstruierte das Pfahlbaudorf vom 
                      Zürichsee nach der Abbildung einer Pfahlbausiedlung von 
                      Dumont d`Urville in der Doreh-Bucht im Nordwesten Neuguineas, 
                      die zwanzig Jahre zuvor entstanden war.
 Die ganz im Geist der Spätromatik und des Historismus getragenen 
                      Vorstellungen von Dörfern auf Pfählen wurde schnell populär 
                      und avancierte zum Ideal "urzeitlicher Ufer- und Moorsiedlungen". 
                      Die Idee vom Dorf, erbaut auf einer Plattform weit draußen 
                      im See und nur über einen Steg mit dem Ufer verbunden, hat 
                      bis heute zu einer anhaltenden Popularisierung der Pfahlbauten 
                      geführt.
 Gemeinsam leben, gemeinsam wohnen - 6000 Jahre PfahlbautenMit vielen Mythen hat die moderne Pfahlbauforschung inzwischen 
                      aufgeräumt. Dank der systematischen dendrochronologischen 
                      Untersuchung der Pfahlfelder in den alpennahen Seen und 
                      Mooren ist es inzwischen gelungen, 3800 Jahre Besiedlungsgeschichte 
                      - von der späten Jungsteinzeit bis in die frühe Eisenzeit 
                      - detailgetreu zu verfolgen. Zusammenhänge zwischen Siedlungsdynamik, Seespiegelschwankung 
                      und Klimaveränderung sowie der Wandel von Siedlungssystemen 
                      und Wirtschaftsformen sind ebenso Themen der aktuellen Forschung 
                      wie technische Innovationen oder Kulturkontakte.
 Und dennoch sind viele Fragen allein anhand archäologischer 
                      Daten nur unzureichend zu beantworten: Wie überliefern sich 
                      "Familien", "Haushalte" oder andere "soziale Gemeinschaften" 
                      im archäologischen Befund? Wie lassen sich soziale Handlungen 
                      mit architektonischen Strukturen und archäobiologischen 
                      Daten verknüpfen? Und welche sozialen und ökonomischen Interpretationen 
                      sind denkbar?
 Diesen und anderen Fragen versucht sich die Ausstellung 
                      auf spannenden Weise zu nähern. Um Antworten entwerfen zu 
                      können, werden unterschiedliche Konzepte der Hauskonstruktion, 
                      der Raumordnung und Raumwahrnehmung verschiedener ethnischer 
                      Gruppen Kambodschas und Indonesiens präsentiert und den 
                      prähistorischen Pfahlbauten aus Mitteleuropa gegenübergestellt.
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