| Vor 300 Jahren soll Markgraf Karl Wilhelm bei der Jagd eingeschlafen
                sein und sich seine Fächerstadt erträumt haben. Zwar
                gibt es eine schriftliche Quelle, die von dieser Begebenheit
                berichtet, doch scheint dies eher eine schöne Legende der
                Nachwelt zu sein. Die Gründung und Gestaltung von Schloss
                und Stadt Karlsruhe, in der sich das absolutistische Staatssystem
                widerspiegelt, basiert vielmehr auf bewusster Planung. Unbestritten
                ist jedoch, dass der Markgraf selbst als Urheber der Gestaltung
                gilt. Ausgangspunkt von Karl Wilhelms Bauvorhaben war die Zerstörung
                der markgräflichen Residenz von Baden-Durchlach, die Karlsburg
                in Durlach, während der Pfälzischen Erbfolgekriege
                1689. Markgraf Karl Wilhelm stand damit vor der Wahl, die Karlsburg
                entweder wieder aufzubauen oder eine neue Anlage zu errichten.
                Er entschied sich für letzteres und folgte damit unmittelbar
                einem Trend seiner Zeit: Nach dem Vorbild des vom französischen „Sonnenkönig" Ludwig
                XIV. vor den Toren von Paris errichteten Versailles begannen
                auch die deutschen Fürsten Anfang des 18. Jahrhunderts,
                räumlich ausgreifende neue Residenzen in der freien Ebene
                zu errichten. Die ab 1661 ausgebaute große Schlossanlage
                von Versailles mit ihren rechtwinklig ausgerichteten Seitenflügeln,
                drei strahlenförmig auf den Ehrenhof zulaufenden Straßen
                und der hinter dem Schloss weit ausgreifenden Anlage mit Lustgarten
                und anschließendem Landschaftsgarten gilt als architektonisches
                Vorbild für alle Schlossgründungen dieser Zeit. Im
                deutschen Südwesten entstanden so die Schlösser in
                Ludwigsburg, Rastatt (gegründet vom Markgrafen Ludwig Wilhelm
                von Baden-Baden, dem Türkenlouis, aus der katholischen Linie
                des Hauses Baden) - und eben Karlsruhe.  Modell der Gründungsanlage von Schloss und Stadt. Badisches Landesmuseum
              Karlsruhe
 Die Gründung Karlsruhes fällt in die Zeit des Rastatter
                Friedens, der am 6. März 1714 unterzeichnet wurde und den
                seit 1701 wütenden Spanischen Erbfolgekrieg beendete. Er
                begründete die Hoffnung auf eine friedvolle Epoche in Europa.
                Der Reiseschriftsteller Karl Ludwig Wilhelm von Pöllnitz
                besuchte Karlsruhe in der Gründungszeit. Sein Bericht kann
                zwar nicht als wahre historische Quelle angesehen werden, doch
                ist schon beachtenswert, dass auf das Oberrheingebiet als Kriegsschauplatz
                hingewiesen wird. Pöllnitz lässt den Markgrafen Karl-Wilhelm
                in wörtlicher Rede zur Gründung seiner Stadt sagen: „Hierbey
                habe ich auch dieses noch in Überlegung gezogen, daß meine
                Lande jedesmal ein rechter Schauplatz des Krieges gewesen; ich
                aber nicht im Stande bin, eine Vestung hier anzulegen, oder auch
                nur den Ort mit einer Mauer zu umgeben. Wie soltet ihr also wohl
                für vernünftig halten können, vieles Geld auf
                einen Ort zu wenden, welchen ich gar leicht eben so wieder könte
                abbrennen sehen, wie ich es leider an meinem Schloß zu
                Durlach, und an meinen ändern Lust-Häusern habe wahrnehmen
                müssen, als welche die Franzosen in die Asche gelegt haben?"  So ließ Karl Wilhelm von Baden-Durlach Schloss und Stadt
                Karlsruhe aus Holz errichten. Dafür hatte er noch weitere
                Gründe: Mit Holz ließ sich entscheidend billiger und
                schneller bauen als mit Backsteinen. Reiseschriftsteller Pöllnitz
                lässt den Markgrafen weiter berichten: „Vielmehr da
                ich nicht der reichste Herr bin, habe ich bloß ein Hauß nach
                meinen Umständen erbauet, und will ich lieber, daß man
                von mir sagen solle, ich wohne übel, und hätte dabey
                keine Schulden, als daß man sagte, ich hätte ein kostbares
                Schloß, wäre aber vieles schuldig." Schließlich
                wollte Karl Wilhelm das Schloss selbst nutzen und nicht für
                seine Nachkommen errichten. Schon zwei Jahre nach der Gründung
                verlegte er die Residenz offiziell von Durlach nach Karlsruhe.
  Prospekt der Stadt- und SchlossanlageChristian Thran, Karlsruhe, 1739
 Kupferstich
 ©              Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
 Die Grundsteinlegung für „Carols Ruhe" erfolge
                am 17. Juni 1715. Dabei hatte Karl Wilhelm zunächst ein
                Lustschloss im Hardtwald geplant, der sich nördlich einer
                von Durlach nach Mühlburg verlaufenden Land- und Poststraße
                erstreckte. Der Architekt Friedrich von Batzendorf zeichnete
                wohl im Frühjahr 1715 das „Dessein eines Fürst.
                Lusthauses in den Haardt Wal". Der Plan zeigt ein Fachwerkgebäude
                mit schräg gestellten, im rechten Winkel zueinander stehenden
                Seitenflügeln und rückwärtig angebautem Turm.
                Die für das Karlsruher Schloss charakteristische Architektur
                war also von Beginn an angelegt. Karl Wilhelm entschied sich
                dann aber rasch für den Bau einer Residenz mit einer angegliederten
                Stadt. Für die Erschließung des Hardtwaldes wurde ein Wegenetz
                aus 32 Radialstraßen gebaut, wie es die zeitgenössische
                Jagdliteratur empfahl. Die Wegeanlage folgt den Richtungslinien
                eines 32-windigen Kompasses und ergibt im Gesamten das Bild einer
                in alle Richtungen ausstrahlenden Sonne. Im Zentrum der Anlage
                wurde ein achteckiger Turm errichtet. Er ist bis heute Mittelpunkt
                der Gesamtanlage aus Schloss und Stadt. Die Stadt entwickelte
                sich nach Süden hin aus neun Radialen und bildete die Form
                eines gleichseitigen Dreiecks. Dem Turm wurde nach Süden das Schloss vorgelagert. Beide
                Gebäude verband ein eingeschossiger Gang. Im Zentrum des
                Schlosses, dem so genannten Corps de Logis, das der Markgraf
                selbst nutzte, waren u.a. das private Speisezimmer, der Audienzraum,
                die Bibliothek und die Schlosskirche untergebracht. Der rechte,
                nach Osten gelegene Flügel war ganz dem Vergnügen des
                Markgrafen und seines Hofstaates gewidmet. Dort gab es ein Theater
                und einen weiträumigen Ballspielsaal. Der Westflügel
                wurde hingegen nur etwa zur Hälfte gebaut, blieb also unvollendet.
                So erreichte das Karlsruher Schloss unter seinem Erbauer Karl
                Wilhelm nie die für die barocke Architektur typische Symmetrie,
                die auf allen zeitgenössischen Veduten aber in idealtypischer
                Vollendung dargestellt wurde. An der Vorderseite des Schloss befand sich der symmetrisch angelegte
                Lustgarten Karl Wilhelms, der mit Blumenrabatten, Fontänen,
                Vogelvolieren etc. ausgestattet und seitlich von Kastanienalleen
                gesäumt wurde. Die Platzierung des Lustgartens vor dem Schloss
                ist ein Aiieinstellungsmerkmai der Karlsruher Anlage, befinden
                sich barocke Lustgärten doch üblicherweise unmittelbar
                hinter dem Schloss und gehen dann in der Distanz in den Landschaftsgarten über. Orangerien und Marställe bildeten die seitlichen Rahmen
                des Lustgartens. Den südlichen Abschluss schufen wiederum
                die sogenannten Zirkelhäuser, in denen Karl Wilhelm den
                Adel und Hofbeamte ansiedeln wollte. Diese acht zweistöckigen
                Mansardenhäuser mit vorgelagerten Arkadengängen waren
                in einer im Viertelkreis stehenden Reihe angeordnet. Dahinter,
                und also in weiterer Distanz zum Fürsten, lagen die Bürgerhäuser,
                die in der ersten Bauphase einstöckig mit Mansardendach
                gebaut wurden. Am südlichen Rand der Stadtanlage bildete sich ein bürgerliches
                Zentrum mit Kirchen, Rathaus, Marktplatz und Gymnasium. Die zentrale
                evangelischlutherische Konkordienkirche wurde als Grablege des
                Stadtgründers Karl Wilhelm von Baden-Durlach gebaut. Eine
                Radialstraße weiter östlich wurde eine kleinere evangelisch-lutherische
                Kirche errichtet. Der dazu Richtung Westen spiegelsymmetrisch
                liegende Bauplatz für eine katholische Kirche blieb unbebaut.
                Zwar hatte Karl Wilhelm in seinem Privilegienbrief zur Stadtgründung
                1715 die Religionsfreiheit garantiert, da aber die Katholiken
                in Bischof und Papst geistliche Oberhäupter hatten und also
                den protestantischen Markgrafen nicht als einzigen Herren anerkannten,
                wurde ihnen das Recht auf eine eigene Kirche verwehrt.  Schloss mit heutigem vorderen Schlossgarten
 Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts war das Karlsruher Schloss
                baufällig geworden. So musste Markgraf Karl Friedrich, der
                mit seiner Volljährigkeit 1746 die Nachfolge seines Großvaters
                Karl Wilhelm antrat, grundlegende Umbaumaßnahmen durchführen.
                In einer rund zwanzig Jahre dauernden Bauphase erhielt das Karlsruher
                Schloss die Form, in der es sich auch heute - also in der nach
                der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg rekonstruierten Form
                - nach außen hin präsentiert. Das Schloss erhielt
                seine vollständige symmetrische Form. Corps de Logis und
                Turm wurden durch einen zweigeschossigen Galeriebau verbunden.
                Die Schlossfassade wurde mit einem Figurenprogramm ausgestattet.
                Die Schlosskirche wurde an das äußere Ende des Ostflügels
                verlegt und zwei Seitengebäude, der Küchenbau im Westen
                und die Bibliothek im Osten, gebaut. Auch der Lustgarten fand
                einen neuen Platz - an der Rückseite des Schlosses. Im Gegenzug
                wurde vor dem Schloss ein Paradeplatz eingerichtet, den zum Schloss
                hin zwei neue Wachhäuser abschlossen und an Stelle der mittleren
                Orangerie wurde ein Hoftheater gebaut. Das Karlsruher Schloss blieb bis 1918 Residenz der Markgrafen
                und Großherzöge (ab 1806) von Baden. Nachdem Großherzog
                Friedrich II. 1918 abgedankt hatte, ging das Karlsruher Schloss
                in das Eigentum des Landes Baden über und wurde als Sitz
                des neu gegründeten Badischen Landesmuseums bestimmt. Der
                Zweite Weltkrieg brachte als Folge eines Luftangriffs der Alliierten
                auf Karlsruhe vom 27. September 1944 die Zerstörung des
                Schlosses und seiner historischen Innenräume. Im Mai 1955
                begann die Wiedererrichtung. Am 13. Juni 1966 wurde das vollständig
                wieder aufgebaute Schloss dem Badischen Landesmuseum übergeben. 
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