|                 Wer war dieses erste nördlich der Alpen namentlich bekannte
                Volk? Ohne wohl jemals einem echten Kelten begegnet zu sein,
                beschreibt der griechische Geschichtsschreiber Ephoros im 4.
                Jahrhundert vor Christus die Kelten als „todesmutig“ und „angriffslustig“.
                Anders verhält es sich bei der Skulptur des „Sterbenden
                Galliers“ aus Pergamon, denn Griechen und Kelten kannten
                sich aus kriegerischen Auseinandersetzungen. Schwer verwundet
                und im Sterben begriffen, aber dennoch edel und würdevoll
                wird der „Gallier“ dort dargestellt; er ist nackt
                bis auf einen Halsring und trägt einen Schnauzbart – undenkbar
                für einen Griechen.  Krieger
                von Hirschlanden, Kr. Ludwigsburg. 
                Steinstatue, H 150 cm, um 530–500 v. Chr.             
                 Die älteste
                menschengestaltige Großplastik                nördlich
                der Alpen. Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
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              H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg,              Stuttgart
 Auch die Römer kannten negative Begegnungen mit dem Nachbarn
                aus dem Norden. Der 18. Juli 387 vor Christus ging als Schwarzer
                Tag in die noch junge Geschichte Roms ein, als der Fürst
                vom Stamme der Senonen, Brennus, das römische Heer an der
                Allia besiegte und Rom für mehrere Monate besetzte. Der
                legendäre Satz „Vae victis!“ – „Wehe
                den Besiegten!“ – ist noch heute ein geflügeltes
                Wort. Während das griechische Bild von den Kelten durchaus
                dem des „edlen Wilden“ entsprach, lag in der römischen
                Darstellung die Betonung auf dem verabscheuungswürdigen
                Unhold. Neben kriegerischen Auseinandersetzungen prägen vor allem
                Berichte von Reisenden und Händlern das Bild vom wilden,
                saufenden Barbaren. Der griechische Geschichtsschreiber Poseidonios
                reiste im 1. Jahrhundert vor Christus durchs heutige Südfrankreich
                und beschreibt das Aussehen der Gallier folgendermaßen: „Ihr
                Haar ist nicht nur von Natur aus blond, sondern sie verstärken
                diese natürliche Farbe noch durch künstliche Behandlungen
                [...]“, nämlich durch das Einreiben mit Kalkwasser.
                So ließe sich das Haar „nicht mehr von einer Pferdemähne
                unterscheiden.“ Diese Beschreibung deckt sich mit den Darstellungen
                in der Kunst. Weiterhin schreibt er: „Die Vornehmen rasieren
                die Wangen, tragen aber einen Schnauzbart, dessen Haare den Mund
                bedecken. Wenn sie essen, geraten die Haare deshalb in die Speisen,
                und wenn sie trinken, fließt das Getränk durch sie
                wie ein Sieb.“ Auch wenn solche Berichte den Anschein von
                Objektivität erzeugen, so dienten sie jedoch vornehmlich
                der gezielten Streuung von Vorurteilen und Fehlinformationen.
                Erst mit Caesars Darstellung der Kelten in seinem Kriegsbericht „De
                Bello Gallico“ setzte ein erster Wandel ein. Caesar erkannte, dass die Kelten nicht etwa wegen ihres zügellosen
                Charakters oder wie Poseidonios vermutete, wegen des Klimas, „morden
                und saufen“, sondern aufgrund von politischen Strukturen
                und Stammesfehden untereinander in ständigen Kämpfen
                begriffen waren. Nichtsdestotrotz legte der große Feldherr
                gleichzeitig Wert darauf, die in jeder Hinsicht bestehende Überlegenheit
                der Römer über die besiegten Gallier zu zeigen. Sitten wie das Abschlagen der Köpfe von getöteten
                Gegnern und deren Anbringen an Türen und Verwahrung als
                Trophäen in Kisten, um sie Freunden zu präsentieren,
                wie Diodor sie im 1. Jahrhundert vor Christus schildert, scheinen
                wie ein Schauermärchen, um Kinder zu erschrecken. Archäologische
                Befunde wie mit Nägeln durchbohrte Schädel aus Koblenz-
                Metternich oder Kobern-Gondorf zeigen jedoch, dass derartige
                Praktiken wohl durchaus gepflegt wurden. Unschuldslämmer
                waren die Kelten wohl nicht, auch wenn eine genaue Bewertung
                der Befunde heute schwer fällt. Als die keltischen Gebiete im Verlauf der zweiten Hälfte
                des 1. Jahrhunderts vor Christus unter römische Herrschaft
                gelangten, verblasste auch das Schreckgespenst der Kelten. Schnell
                passten sich diese an römische Bräuche und Sitten an
                und integrierten sich in das Römische Reich. Wenige Jahrzehnte
                nach der Eroberung Galliens durch Cäsar saßen Angehörige
                der einst herrschenden keltischen Familien im Senat in Rom. Die
                neuen literarisch-ethnografischen „Barbaren“, welche
                die vormalige Rolle der Kelten übernahmen, waren nun die
              Germanen.   Ring von Trichtingen, 
                1. Jh. v. Chr.                Landesmuseum Württemberg,
                Stuttgart
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              H. Zwietasch; Landesmuseum Württemberg,              Stuttgart
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