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Feinste Stoffe, Spitzen und aufwändige Stickereien aus St.Gallen? Haute Couture und Hightech-Textilien aus der Ostschweiz? Die Textiltradition St.Gallens blickt zurück auf eine lange Geschichte wie die Stadt selbst, die vor allem wegen dem Stiftsbezirk und der prachtvollen Rokokobibliothek berühmt ist. Überraschend sind vor allem die modernen textilen Erzeugnisse wie heilungsfördernde Verbandsmaterialien, gewebte Rasennetze oder Ski-Rennanzüge, die in die ganze Welt exportiert werden. Wer Lust hat, den textilen Spuren in der Stadt zu folgen, dem werden beim Stadtrundgang „Textilstadt, Stickereiblüte, Jugendstil“ die Augen für den Erwerbszweig geöffnet, der St.Gallen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in der ganzen Welt bekannt machte.
St.Galler Stickereien galten schon immer als besonders begehrt und stehen in einer langen Tradition, die bis in das frühe Mittelalter zurückreicht. Das Leben der St.Galler war über Jahrhunderte von der Leinwandherstellung, der Verarbeitung von Baumwolle und dem Besticken gefertigter Stoffe geprägt. Mit diesen bestickten Stoffen erlebte die Stadt ihre grösste wirtschaftliche Blüte im industriellen 19. Jahrhundert. Bis zum heutigen Tag entsteht Haute Couture in St.Gallen.
Hauptbahnhof St.Gallen: Wer hier ankommt, um mehr über die textile Vergangenheit der Klosterstadt zu erfahren, ist genau richtig. Fast jedes Gebäude in Bahnhofsnähe zeugt von der Blüte der Stickereiindustrie, die St.Gallen im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert erlebte. Allein das Bahnhofsgebäude, gebaut zwischen 1911 und 1915, war zusammen mit dem Hauptpostamt ein gigantischer Umschlagplatz für bestickte Stoffe, die – hier hergestellt – in alle Welt geliefert wurden. Der Wechsel von der Hand- zur Maschinenstickerei und der damit verbundene sprunghafte Anstieg der Produktion und des Handels löste Mitte des 19. Jahrhunderts einen Bauboom in der jungen Industriestadt aus. Die mittelalterliche Stadtmauer wurde geschleift. Nach einer ersten Bauordnung entstanden ab 1863 prächtige Handelshäuser nach dem Typus des sogenannten „St. Galler Wohn- und Geschäftshauses“. An den kunstvoll geschmückten Jugendstilfassaden lassen sich noch heute die verschiedenen Funktionen der Gebäudeteile ablesen: Die fertig produzierte Ware wurde von den ausserhalb gelegenen Fabriken angeliefert, im hohen, mit grossen Fenstern ausgestatteten Erdgeschoss gelagert und für den Versand verpackt. Die darüber liegende, von aussen reich dekorierte „Belle Etage“ mit grossen Empfangsräumen war offiziellen Geschäftsbesuchen und der Firmentätigkeit vorbehalten. In den beiden obersten Geschossen wohnte der Textil- und Stickereifabrikant mit seiner Familie. Die repräsentativen Wohn- und Geschäftshäuser erhielten klingende Namen wie „Washington“, „Oceanic“, „Atlantic“ oder „Pacific“ nach dem wichtigsten Exportkunden „Amerika“. Dort besaßen die Schweizer Handelsherren auch eigene Tochtergesellschaften.
Unter einem Dach: Museum, Bibliothek und Schule
  Nur wenige Querstrassen vom Bahnhof entfernt befindet sich
  das Textilmuseum. Das Haus in der Vadianstrasse wurde
  1886 von dem Architekten Emil Wild im Auftrag des Kaufmännischen
  Direktoriums erbaut, um darin verschiedene „textile“ Funktionen
  unter einem Dach zu vereinen: ein Textilmuseum mit permanenten
  und wechselnden Ausstellungen, eine Textilbibliothek
  und eine Aus- und Weiterbildungsstätte für
  Angestellte im Textilgewerbe. Seit über hundert
  Jahren ist das Haus mit diesen ursprünglichen Funktionen „in
  Betrieb“. Schon beim Betreten ist die besondere
  Atmosphäre des Hauses spürbar. Im breitgelagerten,
  repräsentativen Treppenaufgang ziehen zeitgenössische
  textile Kunstwerke die Blicke auf sich. Das ganze Haus
  strahlt die intensive Beschäftigung mit Textilem
  aus.
Das Textilmuseum
  Wie sich die Textilherstellung vom Mittelalter bis zur
  Gegenwart in St.Gallen und in Europa entwickelte, belegen
  anschaulich die Exponate im Textilmuseum. Beeindruckend
  sind die prachtvollen Bestände an bestickten Vorhängen
  (Vitrages und Rideaux), die im ausgehenden 19. und beginnenden
  20. Jahrhundert als Hauptexportartikel vor allem nach
  Amerika geliefert wurden. Da die Kaufleute auch textile
  Raritäten aus aller Welt zusammentrugen, um Anregungen
  und Vorlagen für die eigene Produktion zu bekommen,
  finden sich im Museum auch seltene Kostbarkeiten wie
  Stickereiarbeiten aus ägyptischen Grabfunden, die
  von der Jahrtausende alten Kunstfertigkeit der Stickerinnen
  zeugen. Wechselausstellungen und Sonderausstellungen
  zeitgenössischer Textilkünstler sowie Videopräsentationen
  von modernen Schweizer Stickereien und Geweben heutiger
  industrieller Produktion komplettieren das Museumsangebot.
  Ausserdem stellt der Textilverband Schweiz hier zweimal
  jährlich seine neuesten Kreationen aus: Hier wird
  das textile Schaffen der Ostschweizer Firmen präsentiert.
  Internationale Modeschöpfer kreieren aus diesen
  Stoffen ihre Kollektionen, die an den grossen Modeschauen
  in Paris, New York, Mailand und Tokio vorgeführt
  werden. 
Ein besonderer Tipp: Der Besuch der Bibliothek im Textilmuseum ist lohnenswert. Sie zählt zu den wichtigsten Fachbibliotheken der Welt. Hier kann man in alten Musterbüchern blättern, die mehr als zwei Millionen Stoffbeispiele enthalten.
Das Textilmuseum im Sorntal
  Seit 1823 werden im Sorntal Textilien hergestellt. Entlang
  des Sornbaches, der die Wasserkraft für den Antrieb
  der Maschinen lieferte, entstand ein ganzes Ensemble
  aus Fabrikationsgebäuden, der Fabrikantenvilla mit
  Parkanlage, einem Waschhaus, einem Landwirtschaftsbetrieb
  und einem so genannten Kosthaus, in dem die Arbeiter
  wohnten. 
In dem ehemaligen Spinnereigebäude aus dem Jahr 1850 wurde 1994 das Textilmuseum Sorntal eingerichtet. In drei Geschossen sind Zeugnisse der langen Textiltradition und historische Maschinen aus dem beginnenden Industriezeitalter untergebracht. Der Besucher kann hier unmittelbar die Entstehung textiler Produkte nachvollziehen.
Besonders interessant ist im ersten Stock ein Fabriksaal in seiner ursprünglichen Situation aus dem Jahr 1850. Gezeigt werden neben Spinn- und Spulrädern Arbeitsgeräte aus der Flachsverarbeitung, Hand- und Maschinenstickerei, Stoffdruck- und Strohverarbeitung sowie aus der Jacquard- und Handweberei.
Weitere Informationen: St.Gallen-Bodensee Tourismus organisiert auf Anfrage thematische Stadtführungen zum Thema „Spurensuche in einer Textilstadt“.
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