Projekt kulturer.be
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Die UNESCO-Welterbe-Stadt St.Gallen bietet neben zahlreichen Sehenswürdigkeiten für das Auge auch ein erstaunliches Spektrum kulinarischer Genüsse für den Gaumen. Und das im unterschiedlichsten Ambiente. Ob edle Schweizer Spezialitäten in einer der urigen Erststockbeizen, herbe Brauhaus-Erzeugnisse von der städtischen Brauerei „Schützengarten“ oder zartbittere Schokoladenkreationen aus der 150 Jahre alten Confiserie Roggwiller und der bekannten Chocolaterie am Klosterplatz– die Ostschweizer Metropole lockt mit aufregenden und vielfältigen Geschmacksnoten.
Auf der Themenroute „Gastronomie und Wein“ wird St.Gallen deshalb zu Recht als Geheimtipp präsentiert. Schon 1859 staunte ein gewisser Hermann Alexander Barlepsch in seinem Reisebericht über das befremdende Gefühl, „in der an und für sich kleinen Stadt eine so ungewöhnlich grosse Menge an Restaurations-Lokalen zu finden.“ Wer gut 150 Jahre später mit knurrendem Magen durch die verwinkelten Gassen St.Gallens streunt, wird Herrn Barlepsch zustimmen können, vor allem dann, wenn er den hungrigen Blick auch nach oben lenkt – in den ersten Stock der spätmittelalterlichen Stadthäuser.
Traditionelle Wirtschaften: Erststockbeizen
  Weil Pferdemist und Gewerbehandel kulinarischen Genüssen
  und erholsamer Ruhe seit jeher entgegenstehen, verlegte
  man im mittelalterlichen St.Gallen das Familienleben und
  das Speisen kurzerhand in die oberen Geschosse der schmalen
  Bürgerhäuser. Die Anfang des 19. Jahrhunderts
  durch aufkommende Gewerbe- und Handelsfreiheit eingerichteten
  Privatwirtschaften, heute als Erststockbeizli bekannt,
  fanden ihren Platz im ersten Stock. Unter den schiefen
  Decken gotischer Vorzeit scheint seitdem die Zeit stehen
  geblieben zu sein. Die Räume sind klein und niedrig.
  Raue Holzbalken über und urige Holzbänke unter
  dem Besucher. Assoziationen mit Baumhäusern liegen
  da nicht fern. Den Namen „Zum Bäumli“ aber
  verdankt eine der berühmten St.Galler Erststockbeizen
  einer äbtischen Schmiede, die in der Nähe der
  klösterlichen Stallungen lag. An der Wand prangt eine
  noch heute stets verlässliche Wahrheit. „Freunde!
  Rein ist der Wein.“ Auch in den liebevoll gestalteten
  Speisekarten der zahlreichen Erststockbeizen stehen traditionelle
  Wahrheiten in Form von Ostschwei-zer Gerichten aus „Grossmutters
  Küche“ an erster Stelle. Egal ob im „Bäumli“, „Engelis“ oder „Zum
  goldnen Schäfli“, eine Spezialität fehlt
  nie: die berühmte St.Galler Bratwurst.
Milchige Füllung: Die St.Galler Bratwurst
  Schon 1438 wurde der „kulinarische Stolz der St.Galler“ zum
  ersten Mal über dem Feuer gegrillt, dreihundert Jahre
  später als Olma-Bratwurst patentiert. Das Besondere
  der überaus zarten weissen Wurst in ihrem knusprig-braunen
  Mantel? Das Kalbfleisch wird mit Schweinespeck, verschiedenen
  Gewürzen und Frischmilch angereichert. Zwar sind die
  Zutaten jedermann bekannt, aber auf die Mischung kommt
  es eben an. „Und die hält jede Metzgerei unter
  strengem Verschluss“, versichert Karl Signer, Mitarbeiter
  bei der Metzgerei „Gemperli AG“. Gemperli beliefert
  die gesamte Schweiz mit den begehrten 160 Gramm leichten
  Würsten, darunter auch einige Erststockbeizen. Für
  den ganz Hungrigen gibt es die Würstchen in der St.Galler
  Metzger-Filiale aber auch fertig gegrillt auf die Hand.
  Um mit einer 1’293 Meter langen Olma-Bratwurst Einzug
  ins Guiness-buch der Rekorde zu halten, konnten sich in
  den 70er Jahren immerhin sechzig St.Galler Metzger auf
  ein Rezept einigen, in dem insgesamt 1’000 Kilogramm
  Rohmaterial verarbeitet wurden. Darunter jede Menge Frischmilch.
Zartschmelzende Sünde: Chocolaterie am Klosterplatz
  Gleich gegenüber der Kathedrale – in bester
  Lage – liegt der Duft edler Schokolade in der Luft.
  Im Café der Chocolaterie laden feinste Trinkschokoladen
  und ein Spezialsortiment exklusiver Schokoladenspezialitäten
  zum Probieren und Geniessen ein. Als Erinnerung für
  zu Hause oder als süsse Geschenkidee gibt es Schokoladenkreationen
  in vielfältigster Form im Chocolaterie-Shop. Infos
  unter: www.chocolateriesg.ch
Cremige Versuchung: Die Confiserie Roggwiller
  Der urigen Tradition der Erststockbeizen begegnet die Confiserie
  Roggwiller mit einer plüschig cremigen Welt des
  letzten Jahrhunderts. Seit 1854 befindet sich in dem
  Gewerbshaus in der Multergasse eine Confiserie, die Naschkatzenherzen
  höher schlagen lässt. St.Galler Spitzen mit
  heller und dunkler Truffes-Füllung und der Biber,
  ein Honigteig mit weisser Mandelfüllung, sind die
  traditionellen Verkaufsschlager. Ihre Rezepte werden
  seit 150 Jahren weitergegeben. Daneben wird die reichhaltige
  Angebotspalette an Torten, Schokolade, Truffes und Gebäck
  stetig ausgebaut. Seit kurzem kann man in der Confiserie
  auch die „St.Galler Chlostertürmli“ verzehren.
  Angst um seine Zähne muss man dabei nicht haben,
  das cremig weiche Butter-Mandel-Gebäck zerfliesst
  fast von selbst auf dem Gaumen. Hinter dem Verkaufsraum
  lädt ein Tea Room zum erholsamen Geniessen von Kaffee,
  Tee und allerhand süss Serviertem ein. Vor fünfzig
  Jahren wurde der kleine Hinterraum mit seinen halbrunden
  Fenstern renoviert und erstrahlt seitdem rosa gepolstert
  in gemütlicher Kaffeehaus-Atmosphäre.
Edle Küche: Der Jägerhof erntet 17 Punkte
  bei Gault Millau
  20 Punkte dürfen die Tester des Gault Milliau verteilen.
  Von dieser Möglichkeit aber hat noch keiner von ihnen
  Gebrauch gemacht. Allein die Aufnahme in den kleinen kulinarischen
  Führer ist für Köchinnen und Köche
  schon eine herausragende Ehrung. 14 St.Galler Restaurants,
  unter ihnen der historische „Stadtkeller“,
  das Restaurant „Am Gallusplatz“ unter klösterlich
  barocken Gewölbebögen und die stilvolle Erstockbeiz „Neubad“,
  haben den Sprung geschafft. Auf den Jägerhof, ein
  Hotel mit angeschlossenem Restaurant, wurde der Gault Millau
  1999 durch die verblüffenden Leistungen der damals
  gerade mal 25jährigen Köchin Vreni Giger aufmerksam. „Wer
  so kocht, setzt Massstäbe“, hiess es 1999. Als
  Belohnung bekam Frau Giger 15 Punkte. An diesen Massstäben
  kann sich das Restaurant seitdem jederzeit messen lassen.
  Die Kochkünste Vreni Gigers und ihres Teams steigerten
  sich sogar noch. Soweit, dass Vreni Giger 2003 als „Köchin
  des Jahres“ ausgezeichnet wurde und der Jägerhof
  2004 in der Ostschweiz unschlagbare 17 Punkte zugesprochen
  bekam. Die drei Menüs, traditionell, vegetarisch und
  ein Fischmenü, alle fast ausschliesslich mit frischesten
  und ökologisch einwandfreien Grundprodukten zubereitet,
  haben restlos überzeugt. 
  Ob Kaninchenterrine an milder Senfsauce, fein gewürztes
  Tatar vom roten Thunfisch auf kalter Kartoffelsuppe oder
  pochiertes Rindsfilet an weisser Trüffelbutter mit
  saisongerechter Gemüsegarnitur – in dem klassisch
  gediegenen Restaurant geniessen alle Sinne mit. Berauschen
  lassen sie sich zusätzlich von der schon heute als
  legendär gelobten Weinkarte des Hauses. Auf 57 Seiten
  bietet sie über 700 Weine an.
Herbe Getränke: Der Schützengarten
  Wein gehört nach den Regeln moderner Umgangsformen
  nicht mehr unbedingt zu einem feinen Essen. Wer es herber
  mag, darf sich durchaus auch ein Bier bestellen. Und wer
  das in St.Gallen tut, sollte schon eines aus der stadteigenen
  Brauerei „Schützengarten“ probieren. Diese
  wurde 1779 von Johann Ulrich Tobler auf dem Gelände
  der „Schützengesellschaft von Platztor“ gegründet.
  Zur hauseigenen Versorgung durstiger Schützen stellte
  Johann zusammen mit seinem Bruder Joachim Tobler, einem
  gelernten Braumeister, 706 Eimer Bier im Jahr her. Heute
  löscht die inzwischen älteste Schweizer Brauerei
  den Durst von weitaus mehr Menschen. Schützen sind
  unter ihnen selten geworden, geblieben sind der Name und
  die alten gut behüteten Rezepturen des „St.Galler
  Klosterbräu“ und des „St.Galler Landbiers“.
  Insgesamt 140.000 Hektoliter des Schützengarten-Biers
  werden in acht verschiedenen Sorten jedes Jahr in der Ostschweiz
  getrunken. Das sind etwa 220.000 Eimer. Zum Glück
  gibt es inzwischen auch andere Aufbewahrungsbehälter
  für das goldene Brauereigut aus Hopfen, Malz und Mais.
  Zum Beispiel die braunen Flaschen mit Bügelverschluss,
  die den traditionellen Biersorten wie dem unfiltrierten,
  leicht trüben Klosterbräu vorbehalten sind. Manche
  dieser Flaschen verlassen das Brauereigebäude gar
  nicht erst. Im Bistro des angebauten Restaurants „Netts
  Schützengarten“, vom Gault Millau 2003 mit fantastischen
  16 Punkten ausgezeichnet, wird das Bier gleich frisch zu
  Bratwurst und Schüblig, das ist eine derbe Bauernwurst,
  serviert.
  
  Natürliche Auswahl: „Culinarium“ Marktplatz
  Ausprobieren kann man das Schützengarten-Bier prinzipiell
  in jedem Restaurant St.Gallens. Auch im Restaurant „Marktplatz“,
  welches unter anderem deshalb das „Culinarium“-Gütesiegel
  trägt. Dieses garantiert die Erzeugung und Verarbeitung
  der Getränke und Speisen in der Region Ostschweiz.
  Mit Experten hat der Trägerverein Culinarium spezielle
  Herkunfts- und Qualitätsstandards für die Vergabe
  des Siegels entwickelt. Nur fünf Restaurants in St.Gallen,
  darunter auch „Netts Schützengarten“ und
  die „Gaststuben zum Schlössli“, dürfen
  das Culinarium-Krönchen auf die Speisekarte drucken.
  Der Trägerverein hofft, auf diesem Weg das kulinarische
  Bewusstsein für Qualitätsprodukte zu verbessern
  und die Bezugnahme zum ländlichen Volks- und Brauchtum
  zu erleichtern. Wer die Drucke an den roten Mauerwänden
  der grossen Halle im Erdgeschoss des „Marktplatzes“ eingehender
  betrachtet, kann sich ein Bild davon machen. Eine dunkelhaarige
  Schönheit aus vergangenen Zeiten lächelt – Rosen
  im Dekolleté, offener und voller Bierkrug in der
  Hand – dem Gast entgegen. Das Personal ist nicht
  so offenherzig gekleidet. Und doch weiss jeder Gast, dass
  er hier in guten Händen ist. Ebenso wie in den zahlreichen
  anderen Kneipen, Restaurants, Erststockbeizen, Konfiserien,
  Bäckereien, Weinstuben und Hotels. Bleibt nur noch
  eins zu sagen: Guten Appetit!
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