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St.Gallen war einst das geistige Zentrum Europas. Zu hoch gegriffen? Nein, denn das St.Galler Kloster galt im frühen Mittelalter als intellektuelle Kaderschmiede des Abendlandes. Heute ist es eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten der Bodenseeregion.
Ob Barock, Rokoko, Klassizismus oder Jugendstil, ob Wannenmacher, Giacometti, Richard Serra oder Joan Miró – ein Gang durch die Ostschweizer Metropole gleicht dem Besuch eines grossen Museums. Eine reiche kulturhistorische Vergangenheit und eine blühende Gegenwart haben das Stadtbild St.Gallens geprägt, namhafte Künstler und Architekten verschiedenster Epochen hinterliessen ihre Spuren. Nicht umsonst war die Stadt Hauptpartner der Werbekampagne „Kunst und Architektur“ von Schweiz Tourismus. Ein paar St.Galler Glanzlichter seien hier vorgestellt:
  UNESCO-Weltkulturerbe im Herzen der Stadt
UNESCO-Weltkulturerbe im Herzen der Stadt 
  Das Wahrzeichen der Stadt, der St.Galler Stiftsbezirk mit
  seiner barocken Kathedrale, wurde 1983 samt Bibliothek
  und Stiftsarchiv in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes
  aufgenommen. Er ist heute eine der zehn Welterbestätten
  der Schweiz. Die bewegte Geschichte des St.Galler Klosters,
  das sich von einer Mönchseinsiedelei (612 n. Chr.)
  zum geistigen Zentrum Europas entwickelte, war bis zu seiner
  Auflösung im Jahr 1805 von einer enormen Bautätigkeit
  begleitet. Von der ursprünglich frühmittelalterlichen
  Anlage ist heute auf dem ehemaligen Klostergelände
  nichts mehr zu entdecken. Überreste aus dieser Zeit
  und Elemente aus der Gotik können heute im Lapidarium,
  das sich in einem Gewölbekeller unter dem Westflügel
  der Klosteranlagen befindet, bewundert werden.
  Der jüngste, noch bestehende Kirchenbau im Stiftsbezirk
  ist die barocke Stiftskirche, die zwischen 1755 und 1767
  entstand. Ein Baumeistertrio – bestehend aus dem
  Vorarlberger Johann Michael Beer von Bildstein, dem Architekten
  Peter Thumb, Erbauer der berühmten, barocken Wallfahrtskirche „Birnau“ am
  Bodensee, und dem renommierten Johann Caspar Bagnato -
  , schuf mit Malern, Bildhauern und Stuckateuren eine Wandpfeilerkirche,
  die sich im Inneren aus kunstvoll hintereinander gruppierten
  Zentralräumen zu einem rhythmisch schwingenden Langraum
  zusammensetzt. Der Kirchenraum ist üppig ausgemalt,
  mit Stuckaturen verziert, die Innenausstattung reich mit
  Schnitzereien versehen. Namhafte, vor allem aus Süddeutschland
  stammende Künstler wie Christian Wenzinger, Bildhauer,
  Maler und Baumeister aus Freiburg, der Bildhauer Josef
  Anton Feuchtmayer und der Maler Josef Wannenmacher haben
  an der inneren und äusseren Ausstattung der Stiftskirche
  mitgewirkt. Die Doppeltürme der Kirchenfassade überragen
  weithin sichtbar den Klosterkomplex. Barock bewegt und
  ausgewogen gegliedert, hebt sich die sandsteinfarbige Kirchenfront
  von den schlichten Fassaden der Flügelbauten ab. 
  Barocke „Seelenapotheke“: Die Stiftsbibliothek
Barocke „Seelenapotheke“: Die Stiftsbibliothek
  “
  Seelenapotheke“ steht in griechischen Lettern über
  dem Eingangsportal. Das war es, was die Erbauer in dieser
  reich bestückten Stiftsbibliothek sahen, deren kostbare
  Folianten sich in den Bücherregalen wie Arzneien in
  einem Apothekerschrank aneinanderreihen. Architektonisch
  betrachtet ist sie eine wahre Kunstschatulle. Der prachtvolle,
  geschwungene Saal mit seinen ornamentierten Intarsienböden,
  den holzvertäfelten, säulengeschmückten
  Bücherschränken und reich stuckierten Deckengemälden
  ist ein barockes Gesamtkunstwerk: harmonisch verbinden
  sich hier Architektur, Skulptur, Malerei und Ausstattung.
  Die 1758 errichtete Rokokobibliothek zählt zu den
  schönsten historischen Büchersälen der Welt.
  Publikumsmagnet ist der über zwei Meter hohe Erd-
  und Himmelsglobus, der als aufwändig hergestellte
  Replik des Züricher Originals (Landesmuseum) seit
  Oktober 2009 in der Bibliothek zu bewun-dern ist. Beim
  St.Galler Globu, der ins letzte Viertel des 16. Jahrhunderts
  datiert wird, handelt es sich um einen der grössten
  noch erhaltenen Globen aus dieser Zeit.
 Von der Textilblüte zum Jugendstil 
  Die Hochphase St.Galler Textilproduktion hat ab der Mitte
  des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts im Westen der
  Stadt ein ganzes neues Geschäftsviertel entstehen lassen.
  Auf den ehemaligen Bleichen, dort, wo früher die Stoffbahnen
  zum Trocknen ausgelegt wurden, errichteten sich die Textil-
  und Stickereifabrikanten der Stadt nach einer ersten Bauordnung
  ab 1863 prächtige Handelshäuser. An den kunstvoll
  geschmückten Jugendstilfassaden lassen sich noch heute
  die verschiedenen Funktionen der Gebäudeteile ablesen:
  im hohen, mit grossen Fenstern ausgestatteten Erdgeschoss
  wurden die Stoffe von den ausserhalb gelegenen Fabriken
  angeliefert, gelagert und für den Versand verpackt.
  Die darüber liegende, von aussen reich dekorierte „Belle
  Etage“ mit grossen Empfangsräumen war offiziellen
  Geschäftsbesuchen und der Firmentätigkeit vorbehalten.
  Die beiden obersten Geschosse dienten oft als Wohnräume.
  Die repräsentativen Wohn- und Geschäftshäuser
  erhielten klingende Namen wie „Oceanic“, „Atlantic“ oder „Pacific“ nach
  dem wichtigsten Exportkunden Amerika. Das prächtige
  Treppenhaus des Haus „Washington“, das heute
  Sitz der Helvetia Versicherung ist, kann im Rahmen einer
  Stadtführung besichtigt werden. Auch das neobarocke
  Bahnhofsgebäude, das zwischen 1911 und 1913 erbaut
  wurde, und das Hauptpostamt, das einem Renaissancepalast
  nachempfunden ist, sind einen Besuch wert.
 Moderne Architektur von Calatrava und Tesar
  Die kunstvolle Bautradition in St.Gallen hat auch in
  jüngster
  Zeit ihre Fortsetzung gefunden. Namhafte zeitgenössische
  Architekten wie der spanische Stararchitekt Santiago Calatrava
  oder der Wiener Heinz Tesar haben hochmoderne Akzente im
  Stadtbild gesetzt. Das filigran wirkende, runde Bürogebäude
  von Tesar im Westen der Stadt, dessen Aussenfront von hohen,
  schmalen Fenstern gegliedert wird, verbindet sich harmonisch
  mit den Jugendstilhäusern der Nachbarschaft. Der populäre
  Architekt Santiago Calatrava hat sich in den Neunziger
  Jahren gleich dreifach in St.Gallen verewigt. Die Wartehalle
  auf dem Bohl (1996), die kantonale Notrufzentrale (1998)
  und der Pfalzkeller (1999) tragen unverkennbar seine Handschrift.
  Aufsehen erregend sind diese Bauten, die spektakuläre
  Ingenieurstechnik mit innovativen, architektonischen Gestaltungsideen
  zu skelettartigen, teilweise beweglichen Strukturen verbinden.
  Durch ihre Leichtigkeit und Transparenz fügen sie
  sich trotz des Kontrastes in die historischen Strukturen
  ein. Umstritten ist das von Bernhard Tagwerker gestaltete
  Bürogebäude im Stadtviertel Sankt Leonhard. Nach
  dem Zufallsprinzip hat der St.Galler Künstler dem
  aus Quadern bestehenden Bau gelbe Flecken verpasst – weshalb
  es im Volksmund Sankt Leopard genannt wird.
 Wo man geht und steht: Kunst
  Neben den architektonischen Kleinodien aus den verschiedensten
  Epochen entdeckt man in den St.Galler Strassen an nahezu
  jeder Ecke Kunst. Angefangen bei den berühmten St.Galler
  Erkern in der Altstadt, mit denen Kaufleute und reiche
  Bürger im Mittelalter und der Renaissance die Fassaden
  ihrer Wohnhäuser nachträglich pompös schmückten.
  Die reich verzierten Ausbauten sollten Wohlstand und ihre
  auf Reisen erworbene Weltkenntnis dokumentieren und tragen
  klangvolle Namen wie Kamel-Erker (Spisergasse), Sternen-Erker
  (Spisergasse), Bären-Erker (Spisergasse), Gerechtigkeits-
  und Engel-Erker (Spisergasse), Pelikan-Erker (Schmidgasse)
  oder Erker Zum Greif (Gallusstrasse). Auch heute noch haben
  die St.Galler Bürger Sinn für Kunst im Strassenbild.
  Zahlreiche Brunnen und Skulpturen von lokalen Künstlern
  und international bekannten Grössen schmücken
  die Gassen und insbesondere den Stadtpark im Museumsviertel.
  Hier findet man beispielsweise neben dem Gauklerbrunnen
  des St.Galler Max Oertli den skulpturalen „Trunk“ von
  Richard Serra.
  Ein rotes Wohnzimmer für alle
Ein rotes Wohnzimmer für alle
  Seit Herbst 2005 präsentieren sich Abschnitte des
  St. Galler Bleicheli-Quartiers als „öffentliches
  Wohnzimmer“ für Bürger und Gäste
  der Stadt. Mit einem roten Teppich überzieht das
  Kunst-Projekt „stadtlounge“ der
  renommierten Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist
  und des Architekten Carlos Martinez öffentliche
  Plätze
  und Strassen des Altstadt-Quartiers. Die Wohnzimmerarchitektur
  gliedert sich dabei in einzelne Bereiche mit unterschiedlichen
  Raumthemen wie „Cafe“, „Relax-Lounge“ oder „Business-Lounge“.
  Sie lädt zum Verweilen ein und bietet Raum für
  Begegnungen.
 Kunstwerke von Weltrang
  an der Universität
  Kunst kann man an der St.Galler Hochschule für Wirtschafts-,
  Rechts- und Sozialwissenschaften nicht studieren – dafür
  aber kann man sie bewundern. Denn das Universitätsareal
  klingen Architektur, Natur und Kunst auf einzigartige Weise
  zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Das aussergewöhnliche
  Konzept des Architekten Walter Förderer, der den „Alten
  Bau“ Anfang der 60er Jahre verwirklichte, bezog vom
  ersten Entwurf an Kunst in die Gestaltung der Anlage mit
  ein. So trifft der Besucher in den Parkanlagen auf Skulpturen
  von Alicia Penalba und in den Innenräumen auf verschiedenste
  Kunstwerke namhafter Künstler wie Joan Miró,
  Jean Arp, Antoni Tàpies oder Pierre Soulages. In
  der „Tête“, dem fensterlosen Obergeschoss,
  das Arbeitsräume birgt, entdeckt man in einem Lichtschacht
  eine der typisch filigranen Skulpturen Alberto Giacomettis.
 Klassizistisches Haus für impressionistische
  Werke
  Das von Johann Christoph Kunkler erbaute, 1877 eröffnete
  Kunstmuseum ist eines der ältesten Museen und gleichzeitig
  eines der bedeutendsten klassizistischen Gebäude der
  Schweiz. Die Sammlung dokumentiert Meisterwerke und Werkgruppen
  aus mehr als 500 Jahren abendländischer Kultur- und
  Kunstgeschichte. Hier untergebracht sind die Kunstsammlungen
  mit zahlreichen Werken der niederländischen Malerei
  des 17. Jahrhunderts sowie der deutschen und französischen
  Malerei des 19. Jahrhunderts. Zu den wichtigsten Beständen
  gehören Gemälde der Impressionisten Claude Monet,
  Alfred Sisley oder Auguste Renoir. Die Schweizer Kunst
  der Jahrhundertwende ist u. a. mit Gemälden von Ferdinand
  Hodler erstrangig vertreten. Seine monumentalen Bergdarstellungen
  ergänzen Werke Ernst Ludwig Kirchners aus seiner Davoser
  Zeit. Sie bilden gleichzeitig die Grundlage der Sammlung
  moderner Kunst, die Gemälde von Pablo Picasso, Paul
  Klee, Sophie Taeuber-Arp oder Andy Warhol sowie zeitgenössische
  Installationen von Richard Serra, Bruce Nauman, oder
  Pipilotti Rist umfasst. Aufgrund des begrenzten Raumangebots
  werden
  im Rahmen von Themenausstellungen jeweils Teile der Sammlung
  gezeigt. 
 Kunst Halle und Museum im Lagerhaus
  In den Räumlichkeiten eines alten Lagerhauses versteht
  sich die Kunst Halle St.Gallen nicht nur als Ausstellungsort
  für zeitgenössische nationale und internationale
  Kunst sondern gleichzeitig auch als Dokumentationsstelle
  für Ostschweizer Kunstschaffen. Darüber hinaus
  erforscht und präsentiert sie als „Kunstlabor“ der
  Gegenwart innovative konzeptionelle Kunstwerke und Ideen
  junger Künstler. Jedes Jahr werden fünf Ausstellungen
  realisiert, bei denen jeweils Begleitprogramme wie Diskussionsveranstaltungen
  oder Filmvorführungen die persönliche Auseinandersetzung
  mit den gezeigten Kunstwerken anregen. 
  Die Stiftung für schweizerische naive Kunst und „art
  brut“ zeigt im gleichen Gebäude eine umfangreiche
  Sammlung mit Werken von über einhundert Künstlerinnen
  und Künstlern, darunter befinden sich Aloyse, Ulrich
  Bleiker, Benjamin Bonjour, Nikolaus Wenk und Louis Soutter.
  Jährlich gibt es vier Wechselausstellungen.
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