| Was „Leib und Seele" im Jahr der Fragebogenerhebung
                1894 in Baden zusammen hielt, kommt in einer auffallenden Belegdichte,
                insbesondere für Nordbaden, zum Ausdruck. In dieser eher
                gewerblich- industriell strukturierten Region haben entweder
                besonders tafelfreudige Gewährsleute tief in die Töpfe
                der Handwerker- und Arbeiterhaushalte geschaut, oder der meist
                für bäuerlichländliche Verhältnisse formulierte
                Fragenzuschnitt eignete sich hier für nahezu alle gesellschaftlichen
                Erhebungssituationen. Den Verfassern des Unternehmens ging es nicht nur um Speis'
                  und Trank. Vielmehr galt ihr Interesse dem Ablauf der täglichen
                  Mahlzeiten, ihrer Häufigkeit pro Arbeitstag, ihrer Zubereitung
                  durch Magd oder Hausfrau, der personellen Rangfolge bei Tisch
                  (wer beginnt und beendet das Essen?), den Festlegungen von
                  wöchentlichen „Fleisch- und Mehltagen", den
                  besonderen Speisen zu bestimmten Jahreszeiten (z.B. Herbstschlachtung)
                  oder Jahresfesten (brauchtümliche Speisen etwa zu Nikolaus,
                  Weihnachten etc.). Zwischen drei und fünf Mahlzeiten gliederten
                  vornehmlich den langen bäuerlichen Arbeitstag. „Dreimal
                  warm und zweimal kalt" hieß die weit verbreitete
                  kulinarische Grundregel. Am frühen Morgen stellten Mägde
                  oder Bäuerinnen eine Suppe auf den Tisch, die um neun
                  Uhr von einem kräftigen Frühstück mit Brot und
                  Speck ergänzt wurde. Dem Mittagessen mit Kartoffeln und
                  Gemüse (vor allem Kraut) folgte bereits um 1 6 Uhr das
                  Abendessen bei Kaffee und Brot und schließlich ein warmes
                  Nachtessen wiederum mit Kartoffeln oder Mehlspeisen (Brei,
                  Teigwaren). Fleisch (hauptsächlich Speck und Wurst) gelangte
                  in wohlhabenden Häusern meist an drei Wochentagen (Dienstag,
                  Donnerstag, Sonntag) auf den Tisch. Viele Familien konnten
                  sich Fleischspeisen lediglich ein- oder zweimal im Jahr (!)
                  leisten. Speck und Wurst stammten natürlich aus eigener
                  Herstellung, in einigen nordbadischen Gemeinden kaufte man
                  auch beim heimischen Metzger.  Installation einer bäuerlichen und einer bürgerlichen
                    Tafel
 Das Essen diente in erster Linie der Nahrungsaufnahme und
                  Sättigung, bei harter Tagesarbeit waren kalorienreiche
                  Gerichte hoch geschätzt. In der Bauern- und Handwerkerküche
                  nahm die Kochkunst und Tischkultur keinen herausragenden Platz
                  im arbeitsreichen Frauenalltag ein. Erst mit dem Entstehen
                  der bürgerlichländlichen Hauskultur im 19. Jahrhundert
                  gewannen Küche und kulinarisches Können an Bedeutung. Feiern des an festlichen Anlässen reichen Jahreslaufs
                  boten hingegen schon lange Gelegenheiten zum üppigen Schmausen,
                  dem sich Kirchen und Herrschaften immer wieder entgegen stellten.
                  Besonders zu Hochzeiten, Taufen und Begräbnissen, zu den
                  Hochfesten um Weihnachten und Ostern mit ihren vorgeschalteten
                  genußfeindlichen Fastenzeiten lebten die Menschen nach
                  Möglichkeit aus dem Vollen - oft im Bewusstsein rasch
                  nachfolgender schmaler Tage und Wochen. Viele Aspekte zur Darstellung der Ernährungssituation
                  im 19. Jahrhundert können die überdurchschnittlich
                  zahlreichen Belege der Quellensammlung sichtbar machen. Vier
                  ausgewählte Kriterien zeichnen nachstehende Karten, Thema
                  Hauptnahrungsmittel: Im Südschwarzwald und im Kaiserstuhl nahe Freiburg bildeten
                  Teigwaren und Mehlspeisen die hauptsächliche Essensgrundlage,
                  besonders die östlichen Schwarzwaldtäler erwiesen
                  sich als fast reine Kartoffelregion. Um Rastatt, Baden- Baden,
                  Karlsruhe, Pforzheim, Bruchsal bis Wiesloch bevorzugten die
                  Menschen eine ausgeprägte Mischkost aus Kartoffeln und
                  Mehlspeisen, ergänzt um einen stattlichen Anteil von Gemüse.
                  Am westlichen Bodensee siedelten damals fast ausschließlich
                  Teigwaren-Liebhaber. Die tägliche Suppe wurde vor allem
                  im gesamten Schwarzwald gelöffelt, erfreute sich aber
                  auch in Nordbaden um Philippsburg, Bretten, Wiesloch und im
                  Enztal reger Nachfrage. Milchprodukte kamen häufig im Süden auf den Tisch
                  der Milch produzierenden Schwarzwaldhöfe. Obst und Früchte
                  spielten beim Essen eine eher untergeordnete Rolle. Zum Trinken schätzten Nord- und Südbadener den täglichen
                  Kaffee, der vermutlich in den meisten Fällen aus Getreide
                  und Zichorie gewonnen worden war. Wein und Most standen eher
                  selten auf dem Tisch, Bierkonsum wurde nur vereinzelt vermerkt.
                  Schnaps hingegen hatte im Süden und in Mittelbaden seine
                  durchaus zahlreichen Anhänger, nicht selten genehmigte
                  man sich schon am frühen Morgen ein Gläschen zur
                  Stärkung. Auch die Anzahl der wöchentlichen Mahlzeiten mit Fleischbeigabe
                  war in Süd- und Mittelbaden größer als im Norden,
                  dort gelangten oft nur einmal pro Woche Speck oder Wurst auf
                  den Teller. Diesem kargen Speiseplan stand in nicht wenigen
                  Gemeinden fast täglicher Fleischgenuss gegenüber. |