|  Das Großherzogtum Baden - vom südlichen Markgräflerland
                (Weil a. Rhein) bis zum Odenwald 235 km lang und in seiner größten
                West-Ost-Ausdehnung 139 km breit - gehörte seit der Reichsgründung
                1871 zum deutschen Kaiserreich, das ab 1888 von Kaiser Wilhelm
                II. von Preußen (1888-1918) regiert wurde. Im Karlsruher
                Schloss residierten Großherzog Friedrich I. von Baden (1826-1907)
                und Großherzogin Luise von Preußen (1838-1923). Nach
                seiner Verfassung galt Baden als konstitutionelle Monarchie mit
                einem regierenden Fürstenhaus (Baden) und wahlberechtigten
                Vertretern der Stände (darunter noch keine Frauen) in einem
                parlamentarischen Zweikammersystem (Erste und Zweite Kammer).  1894 lebten laut Statistischem Jahrbuch im Großherzogtum
                1.725.270 Untertanen in einem Land, das sich deutlich vom alten
                Agrarstaat zum modernen handwerklich und industriell geprägten
                Gemeinwesen wandelte. Die rasch wachsenden, industriell geprägten
                Regionen bezogen ihre Arbeitskräfte aus dem ländlichen
                Raum, in dem sich schon bald die Klagen über mangelndes
                Personal erhoben.  Die andauernde Abwanderung vom Land in mittelständische
                und industrielle Zonen bedingte naturgemäß eine deutliche
                Veränderung bisheriger traditionsgeleiteter Lebensweisen
                in den Dörfern und ländlichen Kleinstädten wie
                auch bei der sich neu konturierenden städtischen Arbeitnehmerschaft.
                Insbesondere Pädagogen und Theologen - die traditionellen
                Träger und Vermittler überlieferten Kulturguts - beklagten
                vielfach das rasche Wegbrechen anerkannter Lebensmuster innerhalb
                fest gefügter ländlicher Gemeinschaften. Arbeiter-
                und Bildungsvereine in großer Zahl suchten mit neuen gesellschaftlichen
                Inhalten und Angeboten Orientierung und Lebenshilfe zu vermitteln.  Den schwindenden Traditionen in Sitte und Brauch, Kleidung,
                Handwerk und mündlicher Überlieferung trat man mit
                der Gründung lokaler und regionaler Heimat- und Pflegevereine
                entgegen, denen auf manchen Feldern guter Ertrag beschieden war.
                Das bedrohte „Volksleben" hingegen konnten sie nicht
                retten. Der Wandel kulturgeschichtlicher Werte und Überlieferungen
                ließ sich auch damals nur mit pflegerischen Maßnahmen
                und musealen Ambitionen begleiten.
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