Projekt kulturer.be
17.1.18
(rps) 2017 wurden in Baden-Württemberg über 200 Sondagen und Ausgrabungen durchgeführt. Ein beträchtlicher Teil davon erstmals unter Einbeziehung von Grabungsfirmen, wobei kommerzielle Firmen ausschließlich bei planbaren Rettungsgrabungen eingesetzt wurden, also bei Baumaßnahmen im Bereich bekannter archäologischer Fundstätten. Dadurch konnte sich das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) Baden-Württemberg auf die Durchführung von methodisch besonders anspruchsvollen Schwerpunkt- und Forschungsgrabungen, aber auch auf kaum planbare Notgrabungen im Zuge archäologischer Zufallsentdeckungen konzentrieren.
Bereits berichtet wurde im ersten Teil über die Grabungen auf der Heuneburg bei Herbertingen-Hundersingen (Landkreis Sigmaringen), über neue Forschungen zur Jungsteinzeit im Oberen Gäu (Landkreis Tübingen), das Alamannische Gräberfeld Mössingen „Zollernstraße“ (Landkreis Tübingen), die Grabungen im Grabungsfeld 2 der Wüstung Brechesdorf (Tübingen-Kilchberg, Landkreis Tübingen) und in der Obere Gasse 27-29 in Rottenburg, (Landkreis Tübingen)
Im Folgenden weitere herausragende Grabungen im Kurzporträt.
Hechingen-Stein (Zollernalbkreis) - Römische Villa wächst weiter
Zu bemerkenswerten Ergebnissen führte auch im Jahre 2017 die langjährige Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart und dem örtlichen Förderverein zur Erforschung und Präsentation der römischen villa rustica in Hechingen-Stein (Zollernalbkreis).

 Die Ausgrabung der  nordöstlichen Ecke der bekannten Umfassungsmauer des Gutshofes ergab  eine bis dahin nicht beobachtete Mehrphasigkeit der Einhegung. Nicht  nur der im Eck stehende Turm wurde nachträglich hinzugefügt,  sondern die gesamte seitliche Umfassungsmauer ist sekundär. Diese  muss zuvor viel weiter östlich verlaufen sein. Wo genau, ist bisher  völlig unbekannt. Auch hangaufwärts war die Anlage ursprünglich  größer als das heutige Freilichtmuseum. Das belegen neu  lokalisierte antike Trümmerstellen. Damit wird immer deutlicher: das  Museumsgelände spiegelt trotz seiner immer noch beeindruckenden  Ausdehnung lediglich eine späte, räumlich reduzierte Phase des  Gutshofes wieder.
Die Ausgrabung der  nordöstlichen Ecke der bekannten Umfassungsmauer des Gutshofes ergab  eine bis dahin nicht beobachtete Mehrphasigkeit der Einhegung. Nicht  nur der im Eck stehende Turm wurde nachträglich hinzugefügt,  sondern die gesamte seitliche Umfassungsmauer ist sekundär. Diese  muss zuvor viel weiter östlich verlaufen sein. Wo genau, ist bisher  völlig unbekannt. Auch hangaufwärts war die Anlage ursprünglich  größer als das heutige Freilichtmuseum. Das belegen neu  lokalisierte antike Trümmerstellen. Damit wird immer deutlicher: das  Museumsgelände spiegelt trotz seiner immer noch beeindruckenden  Ausdehnung lediglich eine späte, räumlich reduzierte Phase des  Gutshofes wieder.
Neben den  Ausgrabungen ging auch der Wiederaufbau des zum Gutshof gehörenden  Tempelbezirks weiter. Das Amt erarbeitete hierzu detaillierte  Rekonstruktionsvorschläge. Der Wiederaufbau wird nicht nur den  Erlebniswert des Freilichtmuseums weiter steigern, sondern den  Besuchern auch anschaulich vor Augen führen, dass die römische villa rustica von Hechingen-Stein mehr war als ein großer  Bauernhof. Ausdehnung und Architektur des Tempelbezirks sprechen eine  deutliche Sprache: der Kultplatz kann nicht allein für die  religiösen Bedürfnisse der wenigen Villen-Bewohner gedacht gewesen  sein.
Hechingen-Stein. Römische Villa.
Oben: Ehrenamtliche Grabungshelfer bei der Arbeit. Freilegung und Dokumentation des neuen Eckturms mit Mauerfundamenten und Ruinenschutt. Foto: K. Kortüm / Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Unten: Rekonstruktionsarbeiten am Tempelbezirk. Die Säulenhalle für Weihgeschenke entsteht. Foto: Th. Schlipf / Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Balingen,  Wilhelmstraße 35 (Zollernalbkreis)

 Die Wilhelmstraße  in Balingen (Zollernalbkreis) verläuft im verfüllten ehemaligen  Stadtgraben. Der Neubau Wohnhauses für Menschen mit Behinderung gab  im März / April 2017 Anlass zu einer Rettungsgrabung, da innerhalb  des ca. 500 m² großen Baufensters Reste der Stadtmauer sowie  archäologische Relikte der mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen  Bebauung zu erwarten waren. Die Rettungsgrabung wurde vom Büro  Archäo / IKU Rottenburg durchgeführt.
Die Wilhelmstraße  in Balingen (Zollernalbkreis) verläuft im verfüllten ehemaligen  Stadtgraben. Der Neubau Wohnhauses für Menschen mit Behinderung gab  im März / April 2017 Anlass zu einer Rettungsgrabung, da innerhalb  des ca. 500 m² großen Baufensters Reste der Stadtmauer sowie  archäologische Relikte der mittelalterlichen bis frühneuzeitlichen  Bebauung zu erwarten waren. Die Rettungsgrabung wurde vom Büro  Archäo / IKU Rottenburg durchgeführt.
Erwartungsgemäß wurde über die gesamte Länge des Grundstücks im Westen das Fundament der Stadtmauer freigelegt. Zudem fanden sich Keller von Häusern, die im 17./18. Jahrhundert an die Stadtmauer angebaut und beim Stadtbrand 1819 zerstört worden waren. Diese Keller wurden bei der Neubebauung nach dem Stadtbrand in modifizierter Form weiterbenutzt. Ein weiterer Keller an der Ostgrenze des Grundstücks wurde nur randlich erfasst. Hier gefundene Ofenkacheln von außergewöhnlicher Qualität datieren in die Zeit um 1500. Zwischen den Gebäuden fanden sich frühneuzeitliche Kanälchen sowie vier spätmittelalterliche bis frühneuzeitliche Brunnen bzw. Latrinen mit zahlreichem, sehr gut erhaltenem Fundmaterial. Neben Keramikgefäßen konnten hier auch organische Reste geborgen werden, wie z. B. ein Schuh oder ein Korbgeflecht.
Stadtmauerfundament mit daran angebautem frühneuzeitlichem Keller.
Spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Brunnen/Latrine.
Beide Fotos: Archäo/IKU, Rottenburg
Unten: Keramikgefäße aus Brunnen/Latrinen unterschiedlicher Zeitstellung. Foto: Christoph Schwarzer / Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart

BELAVI –  Beyond Lake Villages: Ein trinationales Projekt bringt eine neue  neolithische Fundlandschaft im Westallgäu ans Licht

 Im Rahmen eines  trinationalen Projektes mit Kollegen aus der Schweiz und Österreich  wurde seit 2016 die Landschaft zwischen Bodensee, Schussen und der  Bayrischen Grenze archäologisch untersucht. Aufgrund der höheren  Niederschläge und des kühleren Klimas galt dieser Westallgäuer  Raum lange als eine Landschaft, die in der Jungsteinzeit nicht  besiedelt wurde. Während des Projektes konnten hier jedoch über  zwei Dutzend neue Fundstellen erfasst und datiert werden.
Im Rahmen eines  trinationalen Projektes mit Kollegen aus der Schweiz und Österreich  wurde seit 2016 die Landschaft zwischen Bodensee, Schussen und der  Bayrischen Grenze archäologisch untersucht. Aufgrund der höheren  Niederschläge und des kühleren Klimas galt dieser Westallgäuer  Raum lange als eine Landschaft, die in der Jungsteinzeit nicht  besiedelt wurde. Während des Projektes konnten hier jedoch über  zwei Dutzend neue Fundstellen erfasst und datiert werden.
Die Zusammenarbeit zwischen Experten verschiedener Disziplinen hat zum Nachweis von Seeufersiedlungen, Moorsiedlungen und Höhensiedlungen geführt, von denen viele in die Zeit um 3800-3700 v. Chr. datieren. In die gleiche Zeit gehören auch viele der Pfahlbauten am besser erforschten Bodensee und die Moorsiedlungen in Oberschwaben.
Oben: Nachtschicht im Grabungsschnitt am Hirenseemoos. Foto: UWARC
Unten: Mit Lehm und Steinen befestigte Feuerstelle aus der Zeit um 3700 v. Chr. – direkt unter der heutigen Grasnarbe in Bodnegg aufgedeckt. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Zusätzlich kann  mit Hilfe von Bohrungen in mehreren kleinen Seen über die  Pollenanalyse die Landschaftsveränderung in diesem Raum über die  letzten 6500 Jahre rekonstruiert werden. Der Mensch war dabei ein  ebenso wichtiger Faktor wie das Klima. Sicher spielte auch die  Verkehrsverbindung bei der Besiedlung eine Rolle. Über die Flüsse  Argen, Eschach und Aitrach kann die europäische Wasserscheide  Rhein/Donau mit einer kurzen Landpassage überwunden werden. Dass  sich schon in der Jungsteinzeit Waren, Ideen und Personen über weite  Distanzen bewegt haben, zeigen die Funde von norditalienischem  Feuerstein oder österreichischem Kupfer in den  Feuchtbodensiedlungen.
 
Bad Buchau „Neuweiher II“


 Das geplante  Neubaugebiet Bad Buchau „Neuweiher II“ befindet sich im  ehemaligen Uferbereich der Insel Buchau zum Federsee hin. Obwohl das  eigentliche Seebecken durch Entwässerungen schon längst trocken  gefallen ist, haben sich hier im Hangbereich noch feucht erhaltene  Schichten über wasserundurchlässigen Beckentonen erhalten. Diese  enthalten zahlreiche Zeugnisse aus über 10.000 Jahren menschlicher  Nutzung des Federseeufers. Zu den ältesten Resten gehören  Rentierknochen mit Schnittspuren, ein Gefäß aus der Zeit der ersten  Bauern (ca. 5200 v. Chr.) sowie hunderte von Netzsenkern (zum Fischen  recycelte Keramikscherben) aus der Jungsteinzeit. Auch die Bronze-,  Eisen- und Römerzeit sowie das Frühmittelalter sind durch  Fundmaterial vertreten.
Das geplante  Neubaugebiet Bad Buchau „Neuweiher II“ befindet sich im  ehemaligen Uferbereich der Insel Buchau zum Federsee hin. Obwohl das  eigentliche Seebecken durch Entwässerungen schon längst trocken  gefallen ist, haben sich hier im Hangbereich noch feucht erhaltene  Schichten über wasserundurchlässigen Beckentonen erhalten. Diese  enthalten zahlreiche Zeugnisse aus über 10.000 Jahren menschlicher  Nutzung des Federseeufers. Zu den ältesten Resten gehören  Rentierknochen mit Schnittspuren, ein Gefäß aus der Zeit der ersten  Bauern (ca. 5200 v. Chr.) sowie hunderte von Netzsenkern (zum Fischen  recycelte Keramikscherben) aus der Jungsteinzeit. Auch die Bronze-,  Eisen- und Römerzeit sowie das Frühmittelalter sind durch  Fundmaterial vertreten.
Oben: Drohnenaufnahme der Grabungsschnitte mit Blick über das Federseebecken (oben). Die bereits ausgegrabenen Schnitte sind hangabwärts schon wieder mit Wasser gefüllt. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Mitte: Verziertes Keramikfragment aus der Jungsteinzeit, mit zwei Kerben versehen als Netzsenker recycelt. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Unten: Holzreste während der Ausgrabung. Die Oberfläche ist schon stark verwittert, eine menschliche Bearbeitung ist schwierig zu erkennen. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Besonders bemerkenswerte Funde sind sicherlich die erhaltenen Holzobjekte, zu denen Paddel, Einbaumfragmente, weitere Werkzeugteile und bearbeitete Bauhölzer gehören. Obwohl hier keine eigentlichen Siedlungsreste angetroffen wurden, spiegeln die gefundenen verlorenen oder weggeworfenen Gegenstände die kontinuierliche Nutzung der Insel Bad Buchau und des Ufers über tausende von Jahren wider.
Zusätzlich  ermöglichen die natürlichen Pflanzenreste und der Verlauf der  verschiedenen Sand-, Torf- und Muddeschichten die Rekonstruktion der  (Verlandungs-) Geschichte dieses Uferabschnittes. Die Rettungsgrabung  wird 2018 fortgesetzt. 
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