Projekt kulturer.be
17.1.18
(rps) 2017 wurden in Baden-Württemberg über 200 Sondagen und Ausgrabungen durchgeführt. Ein beträchtlicher Teil davon erstmals unter Einbeziehung von Grabungsfirmen, wobei kommerzielle Firmen ausschließlich bei planbaren Rettungsgrabungen eingesetzt wurden, also bei Baumaßnahmen im Bereich bekannter archäologischer Fundstätten. Dadurch konnte sich das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) Baden-Württemberg auf die Durchführung von methodisch besonders anspruchsvollen Schwerpunkt- und Forschungsgrabungen, aber auch auf kaum planbare Notgrabungen im Zuge archäologischer Zufallsentdeckungen konzentrieren.
Im Folgenden einige herausragende Grabungen im Kurzporträt.
Heuneburg bei  Herbertingen-Hundersingen (Landkreis Sigmaringen)
Im Rahmen eines  von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten  Langfristprojekts führen Archäologen des Landesamtes für  Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart unter der Leitung von  Prof. Dr. Dirk Krausse seit 2014 Ausgrabungen im weiteren Umland der  herausragenden frühkeltischen Stadt „Heuneburg“ bei  Herbertingen-Hundersingen (Landkreis Sigmaringen) durch.

 Die Untersuchungen  an dem landschaftsprägenden Kultplatz „Alte Burg“ bei  Langenenslingen haben in den letzten Jahren sensationelle neue  Ergebnisse erbracht (Rekonstruktion siehe Abb. 1). Die Anlage wurde  durch eine 13 m starke und über 10 m hohe Mauer abgeriegelt. Zudem  konnte nachgewiesen werden, dass der gesamte Bergsporn in keltischer  Zeit durch Planierungen, Aufschüttungen, Hangkantenerweiterungen und  Terrassierungen umgeformt wurde. 2017 wurde ein umlaufendes, noch  heute beeindruckendes Befestigungssystem am Hangfuß der Anlage  untersucht. Es konnte ein gewaltiger, über 16 m breiter Erdwall und  ein dahinterliegender, ca. 8 m breiter und insgesamt etwa 2,3 m  tiefer Graben erforscht werden (Abb. links).
Die Untersuchungen  an dem landschaftsprägenden Kultplatz „Alte Burg“ bei  Langenenslingen haben in den letzten Jahren sensationelle neue  Ergebnisse erbracht (Rekonstruktion siehe Abb. 1). Die Anlage wurde  durch eine 13 m starke und über 10 m hohe Mauer abgeriegelt. Zudem  konnte nachgewiesen werden, dass der gesamte Bergsporn in keltischer  Zeit durch Planierungen, Aufschüttungen, Hangkantenerweiterungen und  Terrassierungen umgeformt wurde. 2017 wurde ein umlaufendes, noch  heute beeindruckendes Befestigungssystem am Hangfuß der Anlage  untersucht. Es konnte ein gewaltiger, über 16 m breiter Erdwall und  ein dahinterliegender, ca. 8 m breiter und insgesamt etwa 2,3 m  tiefer Graben erforscht werden (Abb. links).
In Ensmad bei Langenenslingen-Ittenhausen wird seit 2016 erstmals eine unbefestigte ländliche Siedlung im weiteren Umfeld der frühkeltischen Heuneburg großflächig erforscht. Die Heuneburg sowie die anderen Höhenbefestigungen müssen von solchen bäuerlichen Ansiedlungen mit Nahrungsmitteln versorgt worden sein. Neben Pfostengruben von Hausgrundrissen konnten mehrere mächtige Vorratsgruben mit Durchmessern von bis zu 3,8 m und erhaltenen Tiefen von mehr als 2 m freigelegt werden. Auf der Sohle einer dieser Gruben konnte ein Schweineskelett geborgen werden (Abb. links). Auffallend viel Fundmaterial in Form von Schmuckgegenständen aus Metall, Glas und Sapropelit spricht für einen hervorgehobenen Lebensstil der Menschen, die hier in keltischer Zeit lebten.
Beide Fotos: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
 
Neue Forschungen zur Jungsteinzeit im Oberen Gäu (Landkreis Tübingen)
In einem gemeinsamen Projekt des Landesamts für Denkmalpflege im RP Stuttgart und dem Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen wurde mit neuen Geländeforschungen unter der Leitung von PD Dr. Raiko Krauß und Dr. Jörg Bofinger in der Altsiedellandschaft des Oberen Gäus zwischen Tübingen und Herrenberg begonnen.
 Nahe der Gemeinde  Ammerbuch-Entringen (Landkreis Tübingen) wurden bei  geophysikalischen Messungen und Ausgrabungen im Bereich einer seit  längerem bekannten Siedlung der Linearbandkeramik, der frühesten  bäuerlichen Kultur Südwestdeutschlands des 6. Jahrtausends v.  Chr., mehrere Langhäuser nachgewiesen.
Nahe der Gemeinde  Ammerbuch-Entringen (Landkreis Tübingen) wurden bei  geophysikalischen Messungen und Ausgrabungen im Bereich einer seit  längerem bekannten Siedlung der Linearbandkeramik, der frühesten  bäuerlichen Kultur Südwestdeutschlands des 6. Jahrtausends v.  Chr., mehrere Langhäuser nachgewiesen.
Tonware der frühen Jungsteinzeit mit typischen Verzierungsmustern. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
Bereits im Frühsommer konnte an einem nur wenige Kilometer entfernt gelegenen Siedlungsplatz der Ältesten Bandkeramik bei Ammerbuch-Pfäffingen durch geomagnetische Messungen ein Grabenwerk nachgewiesen werden, das belegt, dass bereits die ältesten Ansiedlungen der ersten sesshaften Bevölkerungsgruppen befestigt waren.
Ziel des  Forschungsprojektes ist es u. a., die zeitliche Abfolge der  verschiedenen frühneolithischen Siedlungen mit Hilfe von  Radiokarbondaten zu erfassen und gleichzeitig mit Hilfe  naturwissenschaftlicher Untersuchungen Umweltbedingungen und  Wirtschaftsweise und damit den Landschaftswandel durch den Beginn der  Landwirtschaft in einer frühneolithischen Siedlungskammer zu  untersuchen.
 
Alamannisches Gräberfeld Mössingen „Zollernstraße“ (Landkreis Tübingen)
 Das Bauvorhaben  einer Wohnanlage gab den Anlass zur Rettungsgrabung an der  Zollernstraße in Mössingen (Landkreis Tübingen). Im altbekannten,  1922 erkannten merowingerzeitlichen Gräberfeld des 6./7.  Jahrhunderts n.Chr. sollte die letzte noch bestehende Baulücke  geschlossen werden. Erfasst wurden 69 Begräbnisse, von denen – da  akut durch Bodeneingriffe gefährdet – 44 untersucht, dokumentiert  und geborgen wurden.
Das Bauvorhaben  einer Wohnanlage gab den Anlass zur Rettungsgrabung an der  Zollernstraße in Mössingen (Landkreis Tübingen). Im altbekannten,  1922 erkannten merowingerzeitlichen Gräberfeld des 6./7.  Jahrhunderts n.Chr. sollte die letzte noch bestehende Baulücke  geschlossen werden. Erfasst wurden 69 Begräbnisse, von denen – da  akut durch Bodeneingriffe gefährdet – 44 untersucht, dokumentiert  und geborgen wurden.
 Wenigstens rund 50  weitere Gräber konnten Dank Umplanung und des Verzichts auf die  zuerst geplante Tiefgarage geschützt werden und in ihrer Substanz  erhalten bleiben. Mit einem etwa 400 m² großen Ausschnitt war ein  Einblick in die Randzone des Bestattungsplatzes zu gewinnen.
Wenigstens rund 50  weitere Gräber konnten Dank Umplanung und des Verzichts auf die  zuerst geplante Tiefgarage geschützt werden und in ihrer Substanz  erhalten bleiben. Mit einem etwa 400 m² großen Ausschnitt war ein  Einblick in die Randzone des Bestattungsplatzes zu gewinnen.
Angetroffen wurden Begräbnisse des 7. Jahrhunderts n. Chr. Die Belegung endete in der Zeit um 700 mit aufwändigen Steinplattengräbern (Abb. oben). Begonnen hatte die Friedhofsgeschichte in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts. Zu etwa zwei Dritteln erwiesen sich die Gräber als bereits in alamannischer Zeit geplündert, so auch ein ursprünglich wohl reich ausgestattetes Männergrab in dessen nächster Nähe ein enthauptetes Pferd beigesetzt war. Inmitten der typischen merowingerzeitlichen Reihengräber fand sich in einer ovalen, muldenförmigen Grabgrube eine Hockerbestattung, die wohl der späten Jungsteinzeit des ausgehenden 3. vorchristlichen Jahrtausends angehört (Abb. unten, beide Fotos Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart).
Mössingen wird  erstmals für das Jahr 774 urkundlich erwähnt. Die archäologischen  Funde werfen ein bezeichnendes Licht auf die verkehrsgeographische  Rolle des Steinlachtals am Austritt des Tals in das Albvorland. Das  tief einschneidende Tal bietet günstige Möglichkeiten zum Aufstieg  und Übergang über die Schwäbische Alb. 
 
Tübingen-Kilchberg, Wüstung Brechesdorf - Grabungsfeld 2 (Landkreis Tübingen)
Die Neutrassierung der Bundesstraße B28a zwischen Tübingen und Rottenburg quert am Ortsrand von Tübingen-Kilchberg die mittelalterliche Siedlungswüstung Brechesdorf, ein Kulturdenkmal gemäß § 2 DSchG. Die ungefähre Lage der Siedlung war aus Lesefunden bekannt und konnte 2016 anhand von Aufschlüssen durch eine Gasleitungstrasse überprüft werden.
Mit der Durchführung der Rettungsgrabung im Vorfeld des Straßenbaus wurde die Grabungsfirma fodilus GmbH (Tübingen) beauftragt. Mit der Ausgrabung der zunächst 1600 m² großen Fläche, die nachträglich noch einmal erweitert werden musste, wurde Mitte Mai begonnen; sie endete am 31.12. 2017.
 Im Osten der  Grabungsfläche verlief ein geschotterter Weg, an den sich nach  Westen das Siedlungsareal mit zahlreichen Pfostengruben, einigen Öfen  sowie fünf Grubenhäuser anschlossen. Zwei Grubenhäuser enthielten  zahlreiche Webgewichte und können damit eindeutig als Weberhütten  interpretiert werden. Zudem wurden zwei urnenfelderzeitliche  Brandgräber erfasst, die zu der in Grabungsfeld 1 untersuchten  vorgeschichtlichen Siedlung gehört haben dürften. Davon abgesehen,  dürfte der größte Teil des Fundmaterials in das 11./12.  Jahrhundert zu datieren sein. Nur in geringerem Umfang sind  spätmittelalterliche Funde vertreten, obwohl die Siedlung erst im  14. Jahrhundert aufgelassen wurde.
Im Osten der  Grabungsfläche verlief ein geschotterter Weg, an den sich nach  Westen das Siedlungsareal mit zahlreichen Pfostengruben, einigen Öfen  sowie fünf Grubenhäuser anschlossen. Zwei Grubenhäuser enthielten  zahlreiche Webgewichte und können damit eindeutig als Weberhütten  interpretiert werden. Zudem wurden zwei urnenfelderzeitliche  Brandgräber erfasst, die zu der in Grabungsfeld 1 untersuchten  vorgeschichtlichen Siedlung gehört haben dürften. Davon abgesehen,  dürfte der größte Teil des Fundmaterials in das 11./12.  Jahrhundert zu datieren sein. Nur in geringerem Umfang sind  spätmittelalterliche Funde vertreten, obwohl die Siedlung erst im  14. Jahrhundert aufgelassen wurde.
Bild: Nordöstliches Viertel eines Grubenhauses mit Webgewichten in  Fundlage, mit Brandschutt verfüllt. Foto: fodilus GmbH, Tübingen
 
Rottenburg, Obere Gasse 27-29 (Landkreis Tübingen)


 Die nochmalige  Erweiterung des 1735/36 erbauten Rottenburger Rathauses, eines  Kulturdenkmals von besonderer Bedeutung gemäß § 28 DSchG,  hangaufwärts nach Nordwesten stellte aufgrund der schwierigen  topographischen Situation mit mehreren Terrassierungen eine besondere  logistische Herausforderung dar. Zu erwarten waren hier, am  Kreuzgässle bis zur Einmündung in die Obere Gasse, mittelalterliche  bis frühneuzeitliche innerstädtische Siedlungsbefunde.
Die nochmalige  Erweiterung des 1735/36 erbauten Rottenburger Rathauses, eines  Kulturdenkmals von besonderer Bedeutung gemäß § 28 DSchG,  hangaufwärts nach Nordwesten stellte aufgrund der schwierigen  topographischen Situation mit mehreren Terrassierungen eine besondere  logistische Herausforderung dar. Zu erwarten waren hier, am  Kreuzgässle bis zur Einmündung in die Obere Gasse, mittelalterliche  bis frühneuzeitliche innerstädtische Siedlungsbefunde.
Beauftragt wurde eine Arbeitsgemeinschaft, bestehend aus dem Bauforscher und Archäologen Tilmann Marstaller und dem Büro Archäo/IKU (Rottenburg). Die Rettungsgrabung umfasste den Zeitraum vom 24.05.-19.06.2017.
Gleich im Anschluss an einen bereits bestehenden Erweiterungsbau des Rathauses wurde ein bisher unbekannter, noch nahezu intakter, 7 m langer und 6 m breiter Gewölbekeller des 16./17. Jahrhunderts freigelegt. Auf der mittleren Terrasse wurden die Relikte einer Seifensiederei aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie die baulichen Überreste eines Vorgängerbaus mit massivem Erdgeschoss und nur zur Hälfte in den Boden eingetieftem Gewölbekeller erfasst. Eine in den Stampflehmboden des Kellers eingegrabene Grube enthielt zahlreiche plastisch gestaltete, qualitätvolle Ofenkacheln aus der Zeit um 1600 sowie eine fast vollständig erhaltene Blattkachel mit der ungewöhnlichen Darstellung der Lucrezia im Augenblick ihrer Selbsttötung, datiert „1538“. In der oberen Terrasse wurden schließlich unter den Störungen der späteren Bebauung und einer Brandschuttschicht des späten 15. Jahrhunderts die Überreste eines dritten, wohl flach gedeckten Kellers dokumentiert.
Oben: Frühneuzeitlicher Gewölbekeller. Foto: Tilmann Marstaller und Archäo/IKU, Rottenburg
Mitte: Ofen der Seifensiederei, 18. Jahrhundert. Foto: Tilmann Marstaller und Archäo /IKU, Rottenburg
Unten: Eckkachel mit der Darstellung der Lucrezia. Foto: Christoph Schwarzer / Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart
  
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