| Kurfürst Friedrich V. Leben1.5.3 RegierungDer Regierungsantritt Friedrichs in Böhmen war mit großen 
                      Schwierigkeiten verbunden. Der Pfälzer hatte zwar die Herrschaft 
                      eines reichen Landes übernommen, die Staatsfinanzen waren 
                      aber schon seit Jahren zerrüttet. Dazu kam, dass die böhmischen 
                      Könige nur über geringe eigene Einnahmequellen verfügten 
                      und damit vornehmlich auf das Wohlwollen des Adels und die 
                      Steuerbewilligungen der Landtage angewiesen waren. Mit diesem 
                      Problem hatten sich schon Friedrichs habsburgische Vorgänger 
                      ohne durchschlagenden Erfolg auseinandersetzen müssen. Friedrich 
                      war durch die Böhmische Konföderation verfassungsrechtlich 
                      sogar in einer noch schlechteren Position, und es zeigte 
                      sich bald, dass sich dies nicht durch konfessionellen Konsens 
                      ausgleichen ließ. Der Adel war nicht zu drastisch höheren 
                      Steuerbewilligungen bereit, die für eine erfolgreiche Kriegsführung 
                      gegen die Habsburger und die katholische Liga unbedingt 
                      notwendig gewesen wären. Schließlich hatten nicht nur die 
                      konfessionellen Gegensätze, sondern auch die hohen finanziellen 
                      Belastungen der Türkenkriege zur Absetzung der Habsburger 
                      und zur Wahl Friedrichs geführt. Nicht nur dass Friedrich 
                      von den Landtagen der böhmischen Länder zu wenig Steuern 
                      und Truppen bewilligt bekam, er sah sich zudem genötigt, 
                      bedeutenden Persönlichkeiten aus den einzelnen Kronländern 
                      teure Geschenke zu machen, um seine Anhängerschaft in den 
                      Ständegemeinden bei der Stange zu halten.
                     In Prag gerieten der König und sein durch deutsche Calvinisten 
                      geprägter Hof bald in die Kritik und bekamen die Ablehnung 
                      der Bevölkerung, eines Teils der Geistlichkeit und des Adels 
                      zu spüren. Das Königspaar sprach kein Wort Tschechisch und 
                      hatte die Hofämter vorwiegend mit auswärtigen Vertrauten 
                      besetzt, während die Landesämter in der Hand des einheimischen 
                      Adels waren. Deshalb war eine gedeihliche Zusammenarbeit 
                      zwischen königlicher und ständischer Verwaltung nur schwer 
                      möglich. Drastische Folgen zeitigte der Versuch von Friedrichs 
                      Hofprediger Abraham Scultetus, dem Land mit Gewalt die calvinistische 
                      Religion aufzuzwingen. Für die utraquistische Konfession, 
                      der die Mehrheit der Tschechen anhing, zeigten die Calvinisten 
                      keinerlei Verständnis. Ein besonderes Ärgernis waren für 
                      den Hofprediger die Reliquien und Bilder in den Kirchen 
                      des Landes, die nicht nur in den katholischen, sondern auch 
                      in den utraquistischen Kirchen erhalten geblieben waren. 
                      Deshalb ließ Scultetus, mit Willen und Wissen des Königs[8] 
                      ab dem 21. Dezember 1619, nur kurz unterbrochen durch das 
                      Weihnachtsfest, im St.-Veits-Dom die religiösen Kunstschätze 
                      entfernen oder zerstören. Am 27. und 28. Dezember wurde 
                      der berühmte Marienaltar von Lucas Cranach zerstört [Wikisource: 
                      Extract 
                      eines schreibens auß Prag wegen zerstoerung der Thumbkirchen]. 
                      Diese Ereignisse führten zu einer großen Empörung unter 
                      der Bevölkerung Prags; es ging sogar das Gerücht um, dass 
                      die Calvinisten das Grab des heiligen Wenzel aufbrechen 
                      wollten. Wenig später beklagte sich Friedrich, dass seine 
                      Befehle nicht mehr ausgeführt würden. Aus Furcht, noch weiter 
                      an Ansehen zu verlieren, versuchte er die Schuld auf andere 
                      abzuwälzen.
                     Schon kurz nach Friedrichs Regierungsantritt tauchte auch 
                      der Spottname Winterkönig zum ersten Mal auf. Ein Flugblatt 
                      der kaiserlichen Seite zeigt erstmals das Chronogramm FrIDerICVs 
                      I. ReX HyeMIs (Fridericus I. Winterkönig), wobei die großgeschriebenen 
                      Buchstaben, in die richtige Reihenfolge gebracht, die römische 
                      Zahl MDCXVIIII für 1619 ergeben (vgl. Abbildung einer pfälzischen 
                      Flugschrift auf der dieses Chronogramm auch verwendet wurde). 
                      Auf diesen Spottnamen reagierte die protestantisch-pfälzische 
                      Publizistik im Laufe der Jahre 1619 und 1620 mehrfach durch 
                      Verteidigungsschriften und sogar mit der Umwidmung des Spottnamens. 
                      So findet sich auf einem Flugblatt, das die Annahme der 
                      Krone als Willen Gottes verteidigt, die Bezeichnung Winterlöwe. 
                      Mit Gottes Hilfe würde Friedrich darüberhinaus auch ein 
                      Sommerlöwe werden und die Krone Böhmens gegen die Unruhestifter 
                      und Lügner verteidigen [Flugblatt Confirmierter 
                      und Gottlob noch immerbleibender Pfaltzböhmischer Winter 
                      und Hinauswährender SommerLöw auf Wikisource].
                     Der Kaiser scharte unterdessen 
                      Unterstützer um sich, um die Krone Böhmens wiederzuerlangen. 
                      Da er selbst finanziell nicht in der Lage war, ein Heer 
                      gegen Friedrich aufzustellen, schloss er am 8. Oktober 1619 
                      einen Vertrag mit dem bayerischen Herzog und Führer der 
                      Katholischen Liga Maximilian I., nach dessen Wortlaut Maximilian 
                      die volle Befehlsgewalt über die Unternehmungen in Böhmen 
                      haben und alle eroberten Gebiete als Pfand für seine Auslagen 
                      erhalten sollte. In einem Geheimabkommen sicherte Ferdinand 
                      dem bayerischen Kurfürsten zu, dass dieser nach der Niederlage 
                      Friedrichs dessen Kurwürde erhalten würde. Herzog Maximilian, 
                      der zuvor für eine Allianz der katholischen und protestantischen 
                      Fürsten zum Schutz der Reichsverfassung eingetreten war, 
                      wurde durch den Schritt Friedrichs in das Lager des Kaisers 
                      getrieben. Auch der lutherische Kurfürst Johann Georg von 
                      Sachsen nahm Partei für den abgesetzten Kaiser Ferdinand, 
                      wohl auch, weil er sich selbst Hoffnungen auf die böhmische 
                      Krone gemacht hatte. Sein Hofprediger Matthias Hoë von Hoënegg 
                      beschuldigte die böhmische Regierung, den lutherischen Glauben 
                      an den calvinistischen Antichristen verraten zu haben und 
                      rief aus:
                      Der [d. h. Gott] wird alle Eurer Kaiserlichen Majestät 
                      muthwillige Feinde auf die Backen schlagen, ihre Zähne zerschmettern, 
                      sie zurücke kehren und kläglich zu Schanden werden lassen!
                     Um den sächsischen Kurfürsten 
                      und die anderen protestantischen Reichsfürsten zu einer 
                      Unterstützung Friedrichs zu bewegen, riet Kanzler Christian 
                      von Anhalt seinem König, alle protestantischen Fürsten zu 
                      einer Beratung im Dezember 1619 nach Nürnberg einzuladen. 
                      Die Beratungen gerieten zu einem Fiasko, da kaum ein Fürst 
                      Vertreter entsandte. Insbesondere fehlte ein Gesandter Johann 
                      Georgs. Die Anwesenden beschlossen halbherzig, Friedrichs 
                      rheinische Gebiete während seiner Abwesenheit zu sichern. Vier 
                      Monate später, im März 1620, wies eine Versammlung der kaiserlichen 
                      Partei in Mühlhausen die rechtlichen Argumente Friedrichs 
                      zurück. Friedrich schrieb in einer Verteidigungsschrift, 
                      dass er nicht den Reichsfrieden gebrochen habe, da sich 
                      Böhmen außerhalb des Reichsgebietes befinde und der Konflikt 
                      mit Ferdinand somit kein Konflikt zwischen einem Reichsfürsten 
                      und dem Kaiser sei. Ferdinand könne demnach seine kaiserliche 
                      Macht nicht gegen ihn verwenden. Die Versammlung, darunter 
                      Vertreter Johann Georgs von Sachsen und Maximilians von 
                      Bayern, erklärte dagegen Böhmen zu einem integralen Bestandteil 
                      des Reiches. Daraufhin erließ der Kaiser am 30. April ein 
                      Mandat, das Friedrich ultimativ aufforderte, sich bis zum 
                      1. Juni aus Böhmen zurückzuziehen. Andernfalls würde Ferdinand, 
                      in seiner Eigenschaft als Kaiser und rechtmäßiger böhmischer 
                      König, alle militärischen Mittel zur Niederwerfung des Usurpators 
                      heranziehen. Wenig später unterschrieb der sächsische Kurfürst 
                      einen Vertrag mit Ferdinand, der ihm für sein militärisches 
                      Eingreifen eine Garantie für den lutherischen Glauben in 
                      Böhmen und die Anerkennung aller säkularisierten Gebiete 
                      im Nieder- und Obersächsischen Reichskreis gewährte. Dies 
                      waren Forderungen, die man mit Johann Georgs Überzeugung 
                      in Übereinstimmung bringen kann, Friedrich hätte die protestantische 
                      Partei und deren Kampf um die Reichsverfassung entscheidend 
                      geschwächt. Aber die verlangte und gewährte Abtretung der 
                      Lausitz an Sachsen schwächte seine sonst unantastbare Position 
                      entscheidend und erfolgte wohl nur aus machtpolitischen 
                      Gründen. Maximilian und Johann Georg hatten beim Schachern 
                      um Länder und Titel dem Kaiser die gefährliche Befugnis 
                      gewährt, das Reich zu zerstückeln und nach seinem Gutdünken 
                      aufzuteilen. In dieser Situation wollte Friedrich auf dem 
                      am 25. März 1620 eröffneten Generallandtag durch massive 
                      Steuer- und Abgabenerhöhungen und eine allgemeine Wehrpflicht 
                      die Niederlage abwenden. Um Geld für das böhmische Heer 
                      aufzutreiben, verwendete Friedrich seine Privatmittel, verpfändete 
                      seine Juwelen und trieb im Mai 1620 die Kurpfalz in die 
                      Zahlungsunfähigkeit, als er zwei Tonnen Gold nach Böhmen 
                      schaffen ließ.
                     Derweil kamen auch von außerhalb nur Hiobsbotschaften. 
                      Der englische König Jakob I. missbilligte das Vorgehen seines 
                      Schwiegersohnes. Die protestantischen Fürsten der Union 
                      wollten neutral bleiben; sie unterzeichneten am 31. Juli 
                      1620 den Ulmer Vertrag und zogen ihre Truppen aus der Pfalz 
                      zurück, zu deren Verteidigung sie sich eigentlich verpflichtet 
                      hatten. Die Vereinigten Niederlande bewilligten Friedrich 
                      nur eine monatliche Zuwendung von fünfzigtausend Gulden 
                      und entsandten lediglich ein kleines Kontingent zur Verstärkung 
                      des böhmischen Heeres. 
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