|  Die grosse Troia-Ausstellung 2001/02 mit ihren rund 850'000 Besuchern 
                und ihrem enormen Echo in den Medien hat auch den Dichter, dem 
                wir die Troia-Geschichte verdanken, wieder stärker ins Bewusstsein 
                gerückt: Homer. Mit seiner Ilias und der ihm zugeschriebenen Odyssee 
                hat dieser griechische Sängerdichter der zweiten Hälfte des 8. 
                Jahrhunderts v. Chr. die europäische Literatur begründet. Damit 
                ist er zu einem der Gründerväter der europäischen Kultur geworden.
 Das 
                steigende Interesse weiter Kreise an den eigenen Wurzeln in einer 
                zunehmend multikulturell geprägten Umwelt hat in den letzen Jahren 
                eine kaum noch überschaubare Menge von Büchern, Filmen, Dramatisierungen 
                sowie Funk- und Fernsehsendungen zum Thema Homer hervorgebracht. 
                Der Überblick und die Unterscheidung zwischen Legendarischem bzw. 
                Fiktivem und Gesichertem ist schwer geworden.
               Die Ausstellung "Homer: Der Mythos von Troia in Dichtung 
                und Kunst" möchte hier Klarheit schaffen. In fünf Sektionen 
                stellt sie auf ca. 1'000 m2 Ausstellungsfläche zum ersten Mal 
                (1) Homer in seiner Zeit, (2) 
                Homer als Endpunkt einer langen Dichtungstradition, (3) 
                Homers Werke Ilias und Odyssee und schliesslich (4) 
                deren aussergewöhnliche Wirkungsgeschichte, die bis heute anhält, 
                auf der Grundlage des neuesten wissenschaftlichen Erkenntnis-Standes 
                vor. Im Zusammenwirken didaktischer Mittel und von rund 230 Original-Werken 
                aus den renommiertesten Museen Europas in höchster Qualität von 
                der Antike bis heute entsteht ein Homer-Bild von grosser Dichte 
                und Eindringlichkeit, das in seiner Kombination aus intellektueller 
                und ästhetischer Suggestivkraft dem Besucher bei seinen weiteren 
                Begegnungen mit Homer als feste Urteilsbasis dienen kann.
               Dabei werden hochrangige antike Kunstwerke 
                (aus der Spätbronzezeit bis in die Zeit Homers und aus jüngeren 
                Epochen), aber auch spätere Rezeptionsbeispiele (Gemälde und andere 
                Kunstwerke) von der Renaissance bis in die Gegenwart, zusammen 
                mit Erläuterungstafeln, Hörproben und Textausschnitten (in Griechisch 
                und Deutsch) die Ausstellung facettenreich und didaktisch informativ 
                gliedern.
               Die erste Sektion (1) "Homer und seine Zeit" 
                thematisiert die Person Homers. Was wissen wir heute über den 
                Dichter? Was für Legenden ranken sich um seine Person? Die sechs 
                Büsten, die in der Ausstellung zu sehen sein werden, repräsentieren 
                alle vier Homer-Typen, in denen die Antike das Aussehen von Homer 
                - rein fiktiv, aber sehr suggestiv - einzufangen versuchte. Darunter 
                befinden sich die berühmte Büste aus der Staatlichen Antikensammlung 
                und Glyptothek München (Kat. Nr. 1) und eine aus den Musei Capitolini 
                in Rom (Kat. Nr. 2). Vier Münzbilder ergänzen das imaginäre ‚Portrait' 
                des Dichters.
               In Teil zwei dieser Sektion mit dem Titel "Die 
                Kulturhöhe zur Zeit Homers" versucht die Ausstellung das Umfeld, 
                den Lebensraum, kurz: die Zeit Homers mit seiner Verwurzelung 
                in Adelskreisen als höfischer Sänger und die Umbrüche um und nach 
                800 ("die griechische Renaissance") mithilfe von auserwählten 
                Kunstwerken und Grabbeigaben aufzuzeigen. Besondere Erwähnung 
                verdient hier die 111,2 cm hohe geometrische Amphora von um 750 
                v. Chr. mit der Darstellung einer Bestattung aus dem Antikenmuseum 
                Basel (Kat. Nr. 19). Geometrische Vasen und eine Reihe herausragender 
                Objekte aus der anschliessenden orientalisierenden Epoche des 
                7. Jahrhunderts v. Chr. - dem Beginn der Kolonisation, die Homer 
                mit seiner Odyssee verarbeitet hat - zeigen den Wandel und die 
                enorme Ausbreitung an Wert, Wissen und Materialen auf. Der dritte 
                Teil dieser Sektion "Die Schrift" stellt die Wiederaneignung der 
                Schrift durch die Griechen mithilfe der Übernahme und Verbesserung 
                der phönizischen Alphabetschrift in den Vordergrund, weil heute 
                angenommen wird, dass Homer als erster Dichter zwar noch in der 
                alten mündlichen Tradition wurzelte, aber seine Epen bereits schriftlich 
                fixiert hat - was bei einer Länge von rund 16'000 Versen der Ilias 
                und rund 12'000 der Odyssee gar nicht anders machbar gewesen wäre. 
                Tontäfelchen verdeutlichen die bronzezeitliche (13. Jh. v. Chr.) 
                Linear B-Schrift (Kat. Nr. 44), früheste Inschriftenfunde des 
                8. Jahrhunderts v. Chr. die rasche Entwicklung und Verbreitung 
                der neuen Schrift.
               In Sektion 2, "Vorgeschichte der Homerischen 
                Epen", wird der Fundus an alten Mythen und Formeln, deren sich 
                auch noch Homer ganz selbstverständlich bediente, anhand von mehreren 
                Funden aufgezeigt, die fast alle aus dem Archäologischen Nationalmuseum 
                in Athen ausgeliehen werden konnten. Darunter ragt etwa ein Kriegerkopf 
                aus Mykene (Kat. Nr. 59) heraus, der einen Eberzahnhelm zeigt, 
                wie ihn Homer in der Ilias beschreibt (10.260-265. 268-270) - 
                ein eindeutiges Relikt aus der Bronzezeit, das im 8. Jahrhundert 
                v. Chr. vielleicht noch verehrt, aber nicht mehr getragen wurde.
               Um 
                die Sänger und ihr Wirkungsfeld an den Adelshöfen zu erläutern, 
                werden im zweiten Teil der Sektion, "Der Afführungsort", die Auftritte 
                der Sänger (Aoiden) auf Vasen mit Symposions- (Weingelage)-Bildern 
                dargestellt.
               Die Sektion 3 ist ganz den aus dieser Zeit einzig 
                vollständig erhaltenen Epen "Ilias" und "Odyssee" gewidmet. Mit 
                Spitzenvasen aus dem Louvre in Paris, dem British Museum in London, 
                dem Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia in Rom und prominenten 
                Museen aus ganz Europa wird verdeutlicht, dass die Ilias 'nur' 
                51 Tage im Geschehen um Troia thematisiert. Deshalb ist diese 
                Sektion aufgeteilt in Darstellungen der vor der Ilias liegenden 
                Ereignisse (Paris-Urteil, Entführung der Helena, erste Kriegsjahre), 
                in solche, die in der Ilias geschildert werden (von Agamemnon 
                und Chryses bis zu Priamos' Bittgang zu Achilleus) und in Handlungs-Darstellungen, 
                die nach dem 24. Gesang der Ilias spielen (Selbstmord des Aias, 
                das Troianische Pferd, Eroberung und Fall von Troia usw.).
               Sowohl 
                in der Abteilung "Ilias" als auch in derjenigen, die der Odyssee 
                gewidmet ist, sind antike und moderne Kunstwerke thematisch zusammengestellt, 
                was spannende Bildvergleiche auf höchstem Niveau erlaubt. So stehen 
                etwa Vasen mit der Darstellung des Paris-Urteils dem Holzschnitt 
                und dem Gemälde von Lucas Cranach (beide Kunstmseum Basel, Kat. 
                Nr. 76-77) gegenüber. Ebenso verhält es sich bei der Darstellung 
                der Odyssee: Auch hier kann man beispielsweise die antiken Versionen 
                des Sirenen-Abenteuers (darunter den einzigartigen Stamnos aus 
                dem British Museum, Kat. Nr. 184) mit Arnold Böcklins Version 
                aus Berlin (Kat. Nr. 186) oder jener des Basler Malers Ernst Stückelberg 
                (Kunstmuseum Basel, Kat. Nr. 187) vergleichen.
               Die Ausstellung schliesst mit Sektion 4, wo die 
                "Überlieferung und Wirkung" Homers bis heute gezeigt werden. Hier 
                werden Fragen wie 'Wie sind die Texte Homers bis in unsere Zeit 
                überliefert worden?' oder: 'Warum haben Homerische Motive bis 
                heute eine derart ungebrochene Konjunktur?' einerseits durch Papyri, 
                wie diejenigen aus Köln (Kat. Nr. 200-203), und Codices, andererseits 
                durch illuminierte Handschriften und Gemälde veranschaulicht, 
                um den Besuchern einen Überblick über die Rezeption Homers vom 
                Mittelalter über die Renaissance, die Barockzeit und die weiteren 
                Epochen bis heute zu vermitteln. Die jüngsten Werke sind vier 
                monumentale Tafeln von Sigmar Polke von 1982 mit dem Titel Der 
                Traum des Menelaos (Kat. Nr. 230) und ein Video von Peter Rose 
                aus dem Jahre 2006 (Kat. Nr. 229), mit dem die Besucher in der 
                Heimat des Odysseus angekommen sind, es heisst schlicht: Odysseus 
                in Ithaca. 
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