|  Seit Archäologen begannen, in Südwestdeutschland
                      nach prähistorischen Spuren zu suchen, wurden immer
                      wieder bedeutende Funde zu ur- und frühgeschichtlichen
                      Perioden gemacht. Der Michaelsberg bei Bruchsal wurde als
                      Ort einer jungsteinzeitlichen Besiedlung Namen gebend für
                      die ‚Michelsberger Kultur’ (4300 bis 3500 v.
                      Chr.): Charakteristisch für diese Kultur sind die
                      so genannten „Erdwerke“ – mit Wall und
                      Graben eingefasste Anlagen von einem halben bis zu 100
                      Hektar Innenfläche. Bis heute geben diese „Erdwerke“ der
                      Forschung Rätsel auf: Handelte es sich um befestigte
                      Siedlungen, Viehkrale, Fluchtburgen oder Kultplätze? „Jungsteinzeit
                      im Umbruch. Die 'Michelsberger Kultur’ und
                      Mitteleuropa vor 6.000 Jahren“ heißt die neue
                      große Sonderausstellung, mit der das Badische Landesmuseum
                      seine Besucher nicht nur in rätselhafte Erdwerke,
                      sondern auch in eine spannende Zeit voller Neuerungen entführt.
                      Technische Innovationen wie die Erfindung von Rad, Wagen
                      und Pflug sowie das Aufkommen der Metallurgie bedingten
                      im 4. Jahrtausend v. Chr. einen Wandel der Gesellschaft
                      und ihrer geistigen Vorstellungswelt, der sich in neuen
                      Kultpraktiken und einem veränderten Bestattungswesen
                    niederschlug.
  Die Karlsruher Ausstellung schildert in drei klar gegliederten
                      Bereichen – „Michelsberger Kultur“, „Nachbarkulturen“ sowie „Kulturgeschichte“ – und
                      anhand von 400 erstklassigen Exponaten aus Frankreich,
                      Dänemark, Deutschland, der Schweiz, Tschechien, Ungarn,
                      Rumänien, Polen und Österreich, wie sich die
                      Welt vor 6.000 Jahren in Mitteleuropa darbot. Im ersten
                      Teil zeigt sie neben charakteristischer Keramik, Gehörnen
                      vom Urrind und menschlichen Überresten aus Siedlungsgruben
                      die eindrucksvolle Inszenierung der Eingangssituation eines „Erdwerks“.
                      Ein anschauliches Modell vermittelt einen Eindruck von
                      seiner Größe und erläutert die verschiedenen
                      Nutzungsmöglichkeiten einer solchen Anlage. Im zweiten
                      Teil stellt sie das phänomenale Fundgut aus Feuchtbodensiedlungen
                      des Alpenvorlandes vor. Gezeigt werden Textilien, Holzgefäße,
                      Schuhe und sogar eine Holztür aus der Schweiz. Da
                      organisches Material in der prähistorischen Archäologie
                      normalerweise nicht überliefert wird, gibt die Ausstellung
                      hier einzigartige Einblicke in den jungsteinzeitlichen
                      Alltag.
 Nicht nur kostbar, sondern auch sehr kunstvoll sind die
                      Metallarbeiten, die im dritten Teil der Ausstellung in
                      einer Art „Schatzkammer“ präsentiert werden:
                      Fein gearbeitete Scheiben aus Gold und Silber sowie aus
                      Kupfer, glattgeschliffene Jadeitbeile und Goldschmuck illustrieren
                      die hohe Kunstfertigkeit in der Jungsteinzeit sowie ein
                      offensichtlich bereits stark entwickeltes Sozial- und Prestigedenken. Abgerundet wird die Ausstellung durch einen Exkurs zur
                      Rezeption der Jungsteinzeit im späten 19. Jahrhundert
                      (Foyer). Prägend für die Vorstellung von Urgeschichte
                      war hier das Genre der „Pfahlbauromantik“,
                      das in der Malerei des 19. Jahrhunderts beliebt war. Kuratiert wurde die große Karlsruher Sonderausstellung
                      von Dr. Clemens Lichter unter Mitarbeit von Kathrin Weber
                      M.A., gestaltet vom Büro Raumeinsichten (Karlsruhe/
                      Oberstenfeld). Begleitet wird sie von einem umfangreichen
                      Programm für Erwachsene, Jugendliche und Kinder (nachzulesen
                      im Flyer oder unter www.jungsteinzeit2010.de; www.landesmuseum.de).
                      Ein gleichnamiger Katalog erscheint im Primus Verlag. In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege
                      Baden-Württemberg und dem Archäologischen Landesmuseum
                      Baden-Württemberg.
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