|  Spätmittelalter
                      am Oberrhein Landesausstellung 2001 im Badischen
                      Landesmuseum Karlsruhe und in der Staatlichen Kunsthalle
                      Karlsruhe 29.9.2001 - 3.2.2002
 Ausstellungszyklus in Karlsruhe, Straßburg, Freiburg,
                      Colmar, Basel, Staufen
und Bruchsal
 Zum ersten Mal haben sich neun kunst und kulturgeschichtliche
                Museen in Frankreich, Deutschland und der Schweiz zu einem gemeinsamen
                Projekt zusammengefunden, in dem in einem Zyklus von Ausstellungen
                der Oberrhein als künstlerisches Zentrum von Weltgeltung
              präsentiert wird.  Nikolaus Hagenower: Bauer mit Schwein und Adliger
                    (Ende 15. Jh.). Musée dUnterlinden, Colmar  Seit dem Mittelalter ist der Oberrhein als Kulturlandschaft
                geprägt vom politischen, wirtschaftlichen und geistigen
                Zusammenwirken der benachbart liegenden Städte Basel, Freiburg,
                Colmar und Straßburg. In Verlauf des 15. Jahrhunderts wird
                diese Beziehung besonders eng. Die Region wird Anziehungspunkt
                großer Künstlerpersönlichkeiten. Der Kreis der
                hier tätigen Humanisten intensiviert den intellektuellen
                Austausch innerhalb der Region.
               Die Jahre um 1500 bedeuten für die Region des Oberrheins
                eine Epoche des Übergangs. In der bildenden Kunst begegnet
                der letzten Blüte der niederländisch geprägten
                Spätgotik eine erste Adaption der italienischen Renaissance,
                Theologie und Philosophie sind geprägt vom Humanismus, auf
                das von tiefer altgläubiger Frömmigkeit geprägte
                15. Jahrhundert folgt alsbald eine entschiedene Bereitschaft,
              sich reformatorischen Ideen zu öffnen.   Noch vor dem Hintergrund mittelalterlicher Frömmigkeit
                und Reliquienverehrung ist das Ensemble romanischer und gotischer
                Goldschmiedekunst zu sehen, das in der Ausstellung des Basler
                Münsterschatzes gezeigt wird (Basel, Historisches Museum).
                Hans Baldung Grien und Hans Holbein d.J. kennzeichnen den hohen
                Anspruch, den die Region an die Kunst stellte; ihnen sind die
                Ausstellungen in Basel (Kunstmuseum) und Freiburg (Augustinermuseum)
                gewidmet. Das Unterlindenmuseum dokumentiert mit einer Präsentation
                der Werke von Jost Haller, welch hohes Niveau die oberrheinische
                Malerei bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts erreicht hatte.
                Die Ausstellungen in Karlsruhe (Staatliche
                  Kunsthalle und Badisches Landesmuseum)
                  dokumentierten die Kultur des Spätmittelalters am Oberrhein
                  in Kunst und Alltag. In Bruchsal (Schloss) wurde ein Kapitel
                  aus der Geschichte des Bauernkrieges aufgeschlagen, in Staufen
                  (Keramikmuseum) bestand das Angebot, Geschichte aus Keramik
                  zu lesen.
                Das frühe 16. Jahrhundert bringt eine Zäsur: Straßburg
                und Basel öffnen sich der Reformation. Es ändert sich
                das Verhältnis zur sakralen Kunst: Heiligenbilder werden
                als Götzenbilder" verdächtigt und schliesslich
                zerstört. Diesem Phänomen, dem Bildersturm, widmet
                sich die Ausstellung in Straßburg (Frauenhausmuseum).
              Kern des Zyklus war die große Landesausstellung Baden Württembergs Spätmittelalter
              am Oberrhein", die vom Badischen Landesmuseum und der Staatlichen
              Kunsthalle Karlsruhe gemeinsam ausgerichtet und vom 29. September
              2001 bis 3. Februar 2002 in beiden Häusern zu sehen war.
                Die Besonderheit dieser Landesausstellung war die gemeinsame
                Trägerschaft
        von zwei staatlichen Museen, die das Thema in jeweils eigenen Ausstellungen
        aus unterschiedlichen Blickwinkeln präsentierten. Sie stellten mit
        der Zeit des Spätmittelalters eine der glänzendsten Epochen
        der bildenden Künste in der Geschichte Südwestdeutschlands
        mit reichem städtischem Leben und wirtschaftlicher Blüte in
        Handwerk und Handel vor.
        Das Badische
          Landesmuseum im Karlsruher Schloss widmete
        sich dem Thema Alltag, Handwerk und Handel" in den Städten
        entlang des Oberrheins zwischen der ersten verheerenden Pest 1349 und
        der Reformation.
        Basel, Freiburg, Straßburg und Speyer waren die großen wirtschaftlichen
        Zentren, die durch die Lebensader des Rheins miteinander verbunden wurden.
        Ihre Bewohner haben vieles geschaffen, das das hier pulsierende Alltagsleben
        noch heute dokumentiert. Über 700 Exponate regten den Betrachter
        an, gewohnte Vorstellungen über das finstere Mittelalter" zu
        hinterfragen und in neuem Licht zu sehen. Die Ausstellungsstücke
        wurden anschaulich ergänzt durch Hausmodelle, durch audiovisuelle
        Medien und durch ein reichhaltiges Begleitprogramm. Die Schau im Badischen
        Landesmuseum hatte
        es sich zur Aufgabe gemacht, die vielfältige spätmittelalterliche
        Lebenswelt differenziert darzustellen.
 Trinkhorn, um 1400 Badisches Landesmuseum Karlsruhe
  Den Auftakt der Ausstellung bildete das bäuerliche Leben mit der
        Darstellung der Landwirtschaft, des Weinbaus, der Versorgung mit Holz,
        der Jagd, aber auch der Fischerei und des Bergbaus. Die Lebenswelt der
        Städte bedeutete einerseits einZusammenleben der unterschiedlichsten
        Menschen auf engem Raum, dafür aber auch den Schutz durch die Stadtmauern.
        Von großer Bedeutung für die Stadt war es, sich gegen äußere
        und innere Gefahren zu wappnen. Zeitgenössische Verordnungen, aber
        auch Handfestes", wie Waffen oder Feuereimer, dokumentieren, wie
        Wachen, militärisches Aufgebot und Feuerschutz von den Bürgern
        organisiert wurden.
       Einen Einblick in das städtische Handwerk und Gewerbe erhielt
        der Besucher durch die Darstellung verschiedener Handwerkszweige und
        ihrer Produktionsbedingungen. Mit der Einschätzung des elsässischen
        Gelehrten Sebastian Brant vom Leben der zeitgenössischen Handwerker, ...
        und hatten viel Arbeit und magern Gewinn" stellte sich die Frage nach
        der Organisation der Werkstätten. Gegenstände des täglichen
        Gebrauchs entstanden ebenso wie die Kunstwerke, die noch heute Zeugnis
        ablegen von einer künstlerischen Blütezeit am Oberrhein. Am
        Beispiel der Goldschmiede, Kupferstecher, Glasmaler und anderer Handwerkszweige
        wurde deutlich, dass Kunst und Handwerk nur verschiedene Ausprägungen
        einer und derselben Handwerklichkeit sind.   Die
            religiöse Durchdringung der spätmittelalterlichen Alltags-
            und Arbeitswelt wurde mit dem Blick auf verschiedene Formen der Frömmigkeit,
            auf Kirchen und Klöster, Prozessionen und Wallfahrten deutlich.
 Martin Schongauer: Maria der Verkündigung. Kupferstich. Staatliche
            Kunsthalle Karlsruhe                
          Der ausgedehnte Handel mit Lebensmitteln, Rohstoffen und anderen
              Produkten war für das Leben und Arbeiten in der Stadt wesentlich.
              Wie funktionierten damals Handel, Transport und Verkehr? Präsentiert
              wurden Karten von Schiffs- und Fernhandelswegen, Maße und
              unterschiedliche Gewichte, Münzen, Rechenbücher und Rechenutensilien.
              Wird mit dem Mittelalter bisweilen das Ausgeliefertsein an den Schwarzen
              Tod" assoziiert, so zeigten die Darstellungen von Krankheit, Seuchen
              und Sterben zugleich, wie sich die Menschen mit Medikamenten, verschiedenen
              Behandlungsmethoden, medizinischen Lehrmitteln und Geräten
              zu helfen suchten. Neuerungen, wie zum Beispiel die technische
              Errungenschaft des Buchdrucks, bewirkten in den Städten einen
              zunehmend hohen Alphabetisierungsgrad. Welche Bücher wurden
              gelesen, wie vertrieben sich die Menschen ihre freie Zeit? Lektüre,
              Spiel und Kurzweil, festliche Lustbarkeiten und Moritaten, mit
              denen Spielleute und Gaukler für Unterhaltung sorgten, sind
              ebenso von Interesse wie die Gestaltung der Häuser und der
              Wohnungsinterieurs. Neben verschiedenen Hausmodellen wird die spätmittelalterliche
              Wohnkultur in Form der im Museum wiederaufgebauten Originalstube
              eines Weinbauernhauses vor Augen geführt. Ebenso zu sehen
              sind Hausrat, Kleidung und Schmuck der Menschen damaliger Zeit.
              Ein Gang durch die Ausstellung wird zeigen, dass am Oberrhein seit
              jeher europäische Dimensionen bestanden. Die gemeinsame kulturelle
              Identität beruhte allerdings nicht nur auf geographischen
              Gegebenheiten und politischen Bündnissen, sondern auch auf
              gemeinsamen innovativen Entwicklungen in den Städten entlang
            des Oberrheins.             
             Maler und Werkstätten 
1450-1525 stellte die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe in ihrem
Teil des Ausstellungsprojekts dar und gab erstmals einen Überblick über
das reiche spätmittelalterliche
  Kunstschaffen - vor allem Malerei und Graphik - am Oberrhein und im westlichen
  Bodenseegebiet. Der Oberrhein war in den Jahrzehnten vor und nach 1500 eine
  der wichtigsten Kunstregionen Europas. Gezeigt wurden vornehmlich sakrale Werke,
  die zwischen 1450 und 1525 in den großen Bischofs- und Bürgerstädten
  - in Straßburg, Basel, Colmar, Freiburg und Konstanz - entstanden.
	          Während sich das Badische Landesmuseum der Darstellung des
	          weltlichen Lebens widmete, vermittelte die Ausstellung in der Staatlichen
	          Kunsthalle einen Eindruck von der immensen Bedeutung der Religiosität
	          für die Menschen jener Zeit. Die spätmittelalterliche
	          Frömmigkeit, die sowohl von froher Zuversicht als auch von tiefer
	          Weltangst und Untergangsvisionen geprägt war, fand ihren Niederschlag
	          in Kunstwerken, in denen christliche Glaubensinhalte eindringlich
	          veranschaulicht und aktualisiert wurden. Christus, Maria und die
	          Heiligen, ihr Leben und Leiden wurden auf immer neue Weise dargestellt.             
	         Wichtige Künstler waren zu Beginn dieser Epoche der in Straßburg
	          tätige Meister der Karlsruher Passion", der für viele
	          Jahre in Basel wirkende Konrad Witz und die Malerfamilie Murer am
	          Bodensee. Einen weiteren Höhepunkt jener Kunstblüte stellt
	          das Schaffen Martin Schongauers in Colmar dar. Schongauer war der überragende
	          Maler und Kupferstecher seiner Generation und wirkte nicht nur vor
	          Ort auf seine Zeitgenossen: Der junge Albrecht Dürer etwa reiste
	          1491 aus Nürnberg an den Oberrhein, um hier die Kunst des Meisters
	          zu studieren. Werke all dieser Künstler werden in der Ausstellung
	          zu sehen sein. Deren Abschluss bilden Gemälde von Hans Baldung
	          Grien, Hans Holbein dem Älteren und dem Jüngeren und vom
	          Schöpfer des Isenheimer Altars, Matthias Grünewald, dessen
	          Kreuzigung und Kreuztragung zu den bedeutendsten Werken der Kunsthalle
	          zählen.
              Die Grundlage der Präsentation bildete der ausgezeichnete
              Sammlungsbestand der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe. Er wurde
              vielfältig ergänzt durch hochkarätige Leihgaben
              großer Museen in Deutschland, Frankreich, England, der Schweiz,
              den Niederlanden und den USA.
              Die Ausstellung führte sowohl Werkstattzusammenhänge
              vor Augen  als auch grundlegende Stilwandlungen von der Spätgotik
              zur Frührenaissance. Beleuchtet wurden die Wechselwirkungen
              zwischen der Tafelmalerei und verwandten künstlerischen Medien
              wie Druckgraphik, Buch- und Glasmalerei sowie Bildteppichen.
               Dass
              der Oberrhein ein Zentrum des frühen Kupferstichs war,
                belegen die Werke des hochbedeutenden, namentlich nicht näher
                bekannten Meisters E.S.", in denen Motive der zeitgenössischen
                Malerei auf-gegriffen sind, die aber auch ihrerseits in starkem
                Maße auf die Malerei zurückwirkten. Die Zeichenkunst
                war unter anderem durch auserlesene Werke des Straßburger Meisters
                der Gewandstudien" vertreten, von dem die Kunsthalle auch charakteristische
                Tafelbilder besitzt; daneben waren Glasgemälde nach seinen
                Entwürfen zu sehen. Viele Meister bedienten sich mehrerer
                Darstellungsmedien: Schongauer arbeitete als Maler und Kupferstecher;
                der Konstanzer Rudolf Stahel hinterließ Buchminiaturen und
                Altargemälde; Dürer, Holbein und Baldung waren nicht
                nur Maler, sondern schufen auch Holzschnittillustrationen für
                den florierenden Buchdruck in Straßburg und Basel.  Oberrheinischer Meister um 1500 (Meister der Bendaschen
                  Madonna): Maria der Verkündigung, um 1490/1500. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
 Zwei Abschnitte der Ausstellung waren Sonderthemen gewidmet:
                einerseits der privaten Andachtskunst, die durch Klappaltärchen,
                illuminierte Gebetbücher und Einblattholzschnitte repräsentiert
                wird, und andererseits zwei bedeutenden Auftraggebern, nämlich
                Hugo von Hohenlandenberg, Bischof von Konstanz, und Markgraf
                Christoph I. von Baden. Beide, der Kirchenfürst und der
                Landesherr, haben eine Reihe außergewöhnlicher sakraler
                Kunstwerke gestiftet. Zu ihnen zählt der große Hohenlandenberg-Altar",
                der ehemals die Kapelle der Konstanzer Bischofspfalz schmückte
                und  für die Ausstellung umfassend restauriert wurde.
              In qualitativer und quantitativer Hinsicht wurde um 1500 in der
              Kunst am Oberrhein Außerordentliches geleistet. Trotz erheblicher
              Einbußen durch Bildersturm, Revolutionen und Kriege lässt
              sich das noch heute anschaulich nachvollziehen.             |