| Tapisserien 
                "Die Untersuchung der Bildwirkerei des 19. Jahrhunderts
                  führt zu folgender betrüblicher Feststellung: Keine
                  der vorhergehenden Epochen hat mit unzureichenden Werkzeugen
                  und technisch wie wissenschaftlich unvollständigen Kenntnissen
                  so wenig zufriedenstellende Ergebnisse hervorgebracht wie die
                  unsere." Jules Guiffrey, Histoire de la tapisserie
                  depuis le Moyen Âge jusqu'à nos jours, Tours,
                  1886, Seite 453  Im Zweiten Kaiserreich ist die Kunst der Bildwirkerei eine Kunst
                der Nachbildung. Man kopiert sklavisch die Bilder der großen
                Meister, von Raffael bis Boucher, ohne dabei die Besonderheiten
                der Weberei zu berücksichtigen, wie zum Beispiel die zahlenmäßige
                Begrenztheit der verwendbaren Farben. Die Bildwirker werden auf
                die Rolle der Handwerker reduziert. Ab 1870 reagieren die Tapetenmanufakturen ihrerseits auf die
                Nachfrage nach diesen großen Dekoren. Sie reproduzieren die Tapisserien von Aubusson, mittelalterliche
                Wandbespannungen, Pflanzendarstellungen, aber auch - als Kopie
                zweiten Grades - Bilder von Tenier und Boucher. Parallel dazu
                erschaffen sie neue Modelle von Tapisserie-Nachbildungen und
                passen so Motive, die auch in anderen Materialien verwirklicht
                werden (Holzimitat, Steinimitat), den textilen Besonderheiten
                an. Diese Kompositionen werden umgeben von passenden Bordüren,
                deren Farbe und Breite man aussuchen kann, und sie werden über
                einem Lambris aus Holz oder einem entsprechenden Imitat aus Tapete
                angebracht. Die Nachahmung von Tapisserien erfordert, wie auch die Nachahmung
                anderer Materialien, ein großes technisches Know-how. Wie
                Charles Blanc erklärt, versucht man, ,,die Verkreuzungen
                von Kette und Schuss, die Rillen eines Bildteppichs vom Hochwebstuhl,
                Näharbeiten mit Goldfaden" (Charles Blanc, Grammaire
                des Arts décoratifs, Paris, 1881, Seite 74) abzubilden.
                Der optische Eindruck eines gewebten Stoffes wird mit verschiedenen
                Kombinationen aus waagerechten, senkrechten und schrägen
                Linien erzielt, die man beim Tiefdruckverfahren und beim Kalandrieren
                (Prägen auf der Vorderseite) erhält. Ab der Ausstellung
                von 1878 löst der maschinelle Druck den Holzmodeldruck ab. Am Ende des Jahrhunderts sind zwar einige Versuche im Stil des
                Art nouveau wie die Orangenernte von 1900 aus der Manufaktur
                Isidore Leroy zu registrieren, doch die Ablehnung der Imitation
                im Namen der ,,dekorativen Ehrlichkeit" in der Bewegung
                Arts and Crafts besiegelt das Ende dieses Dekortyps. Japonismus 
                ,,[Die japanische Kunst] hat den europäischen Markt erobert.
                  Paris hat sie angenommen; ihre Bronzen, ihre Keramiken, ihre
                  Kartonarbeiten und sogar ihr Spielzeug sind in tausend Schaufenstern
                  der Stadt zu sehen. (...] Ein so umfangreicher Import musste
                  sich auf den französischen Geschmack auswirken und hat das
                  auch getan. Unsere großen Luxusindustrien - beispielsweise
                  unsere Fayencen, unser Schmuck, unsere Emaillewaren, unsere Stoffe
                  und unsere Tapeten - haben sich von der japanischen Kunst inspirieren
                  lassen." Ernest Chesneau, ,,Le Japonisme dans les
                  arts",
                  Musée universel, 1873, Band 2, S. 214- 215 Die Faszination
                  Europas fiir die japanische Kunst am Ende des 19. Jahrhunderts
                  fligt sich in einen allgemeinen Hang zum Exotischen ein, der
                  sich an die Chinoiserien des 18. Jahrhunderts anschließt. Die beiden Zivilisationen werden übrigens lange miteinander
                verwechselt. Zwar interessiert man sich schon seit den 1830er
                Jahren fiir die japanischen bildenden Künste, doch erst
                mit der Öffnung der Häfen nach Westen im Jahr 1854
                und noch mehr mit Beginn der Meiji-Zeit im Jahr 1868 - als es
                möglich wird, nach Japan zu reisen - durchdringt der japanische
                Einfluss die europäische Kunst sehr tief. Kunstkritiker,
                Künstler und Sammler bringen von ihren Reisen Keramiken,
                Textilien, Bronzen, Cloisonnéarbeiten, Grafiken, Fächer,
                Kimonos und Lackarbeiten zurück. Siegfried (Samuel) Bing,
                Pariser Antiquitäten- und Kunsthändler deutscher Herkunft,
                ist einer der ersten Initiatoren, die Kenntnisse über Japan
                in Frankreich verbreiten. Er unternimmt 1880 bis 1881 eine lange
                Reise in den Osten, veröffentlicht nach seiner Rückkehr
                nach Paris die Zeitschrift Le Japon artistique und verkauft in
                seinem Geschäft La Porte chinoise Objekte aus dem Fernen
                Osten. Neben den Galerien sind auch die Ausstellungen bevorzugte Orte,
                um die japanische Kultur kennen zu lernen. Bei der Ausstellung
                in London 1862 präsentiert Rutherford Alcock, erster britischer
                Botschafter in Japan, seine Sammlung japanischer Kunst und japanischen
                Kunsthandwerks, und zur Weltausstellung in Paris 1867 schicken
                die Schogune eine bemerkenswerte Sammlung von Objekten. Bei der Weltausstellung in Paris 1889 kann man japanische Herrenhäuser,
                ein Landhaus, Keramiken, Grafiken und Bücher bewundern.
                Für die Ausstellung von 1900 lässt Tadamasa Hayashi,
                der Kommissar der japanischen Abteilung, von Zimmerleuten seines
                Landes ein Teehaus, einen Garten und einen Pavillon bauen, in
                denen buddhistische Skulpturen und Kakemonos gezeigt werden,
                die auf lebhaftes Interesse stoßen. Eine japonisierende Tendenz in der Tapetenbranche lässt
                sich etwa von 1867 bis 1880 beobachten. Der Holzschnitt (ukiyo-e)
                stellt die Hauptinspirationsquelle fiir die Künstler dar,
                ob es sich nun um Maler oder um Zeichner für das Kunstgewerbe
                handelt. Von Hokusai, Hiroshige und Utamaro übernehmen sie
                die Stilisierung der Formen, die zweidimensionalen Motive, die
                Abwesenheit von Perspektive und Schatten, die asymmetrischen
                Kompositionen, die sich oft an einer Diagonalen ausrichten, und
                die lebhaften und brillanten Farben, die als Vollfläche
                aufgetragen werden. Ihr Einfluss wird auch deutlich durch das
                Auftauchen neuer Motive, die der Natur entnommen sind (Kraniche,
                Reiher, Karpfen, Insekten, Bambus, Kirschbäume), durch das
                Auftauchen von dekorativen Kunstobjekten (Fächer) und von
                Motiven, die aus dem Bereich der heraldischen Zeichen kommen.
                Die europäischen Zeichner folgen dem Beispiel der japanischen
                Meister und legen großen Wagemut an den Tag, wenn es um
                die Kombination von Farben geht, die oft lebhaft und gesättigt
                und mit Gold hervorgehoben sind. Die Kenntnis der japanischen Kunst befreit die Künstler
                von ihrem akademischen Erbe und ermöglicht bald die Entstehung
                des Jugendstils. |