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              Franziska Romana von Hallwyl, die AufmüpfigeAusstellung Schloss Hallwyl 20. April
              bis 31. Oktober 2012  (kag)
                Franziska Romana (1758-1836) flüchtete 17-jährig aus
              dem Elternhaus in Wien, um ihren Cousin Abraham Johannes von Hallwyl
              zu heiraten. Die Eltern hatten die Heirat aus religiösen und
              finanziellen Gründen verweigert. Doch die Ehe war kurz; nach
              vier Jahren verstarb Abraham. Franziska Romana pflegte intensive
              Beziehungen zu herausragenden Persönlichkeiten und setzte
              sich mit den Umwälzungen ihrer Epoche auseinander. Die Ausstellung
              gibt Einblicke in das Leben von Franziska Romana und die unruhigen
              Jahre um 1800. Im Mittelpunkt steht das grosse Beziehungsnetz der
              unermüdlichen Briefeschreiberin.
 Im Rahmen des Frauenjahres 2012 im Museum Aargau wird in der Ausstellung
              von Schloss Hallwyl die Geschichte der Franziska Romana, der Aufmüpfigen
              erzählt. Sie liest sich wie ein Roman. Nicht nur die politischen
              Zeiten waren unruhig, sondern auch das Leben der adeligen Tochter
              aus bestem Haus. Sie hat drei wichtige Abschnitte der Geschichte
              miterlebt: Das Ancien Régime, die Zeit der Helvetik und
              das Werden des Kantons Aargau. In diesen Abschnitten hat sich auch
              die Mode verändert. Darum stehen Kostüme aus Rokoko,
              Empire und Biedermeier am Anfang der Ausstellung. Dazu wird das
              weitreichende Beziehungsnetz Franziskas aufgezeigt. Zu sehen und
              lesen sind Originalbriefe und Portraits von verschiedenen Zeitgenossen,
              mit denen sie in Kontakt stand.  Ein Tunichtgut aus dem AargauWer ist der Mann, der das Herz der
              Wiener Schönheit im Sturm
              erobert? Abraham Johann, 1746 geboren, wächst in bescheidenen
              Verhältnissen auf Schloss Hallwyl auf. Mit sechzehn tritt
              er in ein Berner Regiment in französischen Diensten ein. Gemäss
              einem Zeitgenossen muss der junge Hallwyl ein regelrechter Tunichtgut
              gewesen sein. Er quittiert den Dienst und geht auf Reisen. Der
              Lebenswandel des Junkers bringt ihn vor das Chorgericht; von unehelichen
              Kindern ist die Rede. Nach einer Gefängnisstrafe macht sich
              der junge von Hallwyl auf, die schöne Franziska Romana, eine
              entfernte Verwandte, kennen zu lernen. Sie gilt als reichste Erbin
              von ganz Wien. Nach mehreren Monaten angenehmen Aufenthaltes im
              Haus seiner Verwandten reist Abraham Johann ab. Nun merkt Franziska
              Romana, dass sie schwanger ist. Ihre Eltern verweigern die Heirat.
              In einer Kutsche flüchtet Franziska Romana mit ihrer Halbschwester
              Leopoldine am 1775 aus Wien.
  Ausstellungsraum  im Schloss Hallwyl. © Museum Aargau
  Eine kurze Ehe und eine lange WitwenschaftDie Flucht endet mit
              der Enterbung durch die Eltern. Mit der Heirat einer Katholikin
              verliert der protestantische Abraham seine Berner
              Land- und Burgerrechte. Das Unglück begleitet das junge Paar
              weiter, denn Franziska erleidet eine Fehlgeburt. Doch innerhalb
              der nächsten drei Jahren bekommt sie drei Söhne. Unterdessen
              hatte Abrahams Mutter ihrem Sohn die Herrschaft abgetreten. Abraham
              stattet sein Heim mit dem neuesten Geschmack und Möbeln aus
              Paris aus. Das Glück währt nicht lange, nach drei Jahren
              diagnostiziert der Arzt bei Abraham Johann ein „Faulfieber
              schlimmster Art“. Nach wenigen Tagen stirbt er. Die Witwe
              ist zutiefst erschüttert. 56 Jahre Witwenschaft warten auf
              Franziska Romana. Als Witwe muss sie unter Vormundschaft gestellt
              werden. Mehrmals erwägt sie, in ihre alte Heimat zurückzukehren
              oder sich wieder zu verheiraten. Lange Jahre lebt sie bei Freunden,
              bei der Familie Usteri in Zürich und bei der Familie Rothpletz
              in Aarau. Die trauernde Witwe ist in der Kunst in der zweiten Hälfte
              des 18. Jahrhunderts gross in Mode. Leidensbereitschaft gilt als
              weibliche Tugend. Das Jugendschicksal Franziska Romanas passt hervorragend
              in ihre Zeit und fand bestimmt nicht zuletzt darum so grossen Widerhall.
  Beziehungen wollen gepflegt sein – Noblesse obligeFranziska
              Romana schrieb viele Briefe. Von ihr sind knapp 300 Briefe erhalten;
              1600 an sie gerichtete Briefe befinden sich heute
              noch im Familienarchiv Hallwyl. Die Briefe schrieb sie vor allem
              während ihrer Witwenschaft, von 1780 bis zu ihrem Tod 1836.
              Sie sind, wie es sich für ihren Stand gehörte, in französisch
              verfasst. Sie erhielt nicht nur von ihren Verwandten Post, sondern
              auch von einem weit gefächerten Freundeskreis. Sie korrespondierte
              mit rund 100 Männern und 60 Frauen. Dazu gehörten berühmte
              Persönlichkeiten wie Heinrich Pestalozzi, Johann Kaspar Lavater
              oder der Revolutionär César Laharpe. Viele von Franziskas
              Briefpartnern waren untereinander befreundet. Die damalige Elite
              bewegte sich in einem dicht verwobenen Beziehungsnetz. Obwohl Franziska
              mit Intellektuellen ihrer Zeit korrespondierte, äusserte sie
              sich nicht zu den politischen oder gelehrten Diskussionen. Das
              war typisch für schreibende Frauen ihrer Epoche.
  Politische Situation – drei StaatenFranziska Romana erlebte
              auf Schloss Hallwyl drei verschiedenen Staatssysteme: Mit ihrer
              Heirat wurde sie Bürgerin von Bern.
              Der Einmarsch der Franzosen beendete 1798 den alten Staat Bern.
              Nun folgte die zentralistisch verwaltete Republik, die alte Eidgenossenschaft.
              Nach fünf turbulenten Jahren war die helvetische Republik
              gescheitert und Napoleon diktierte mit der Mediationsverfassung
              die Rahmenbedingungen des föderalistischen Staatenbundes.
              Der Kanton Aargau entstand und Franziska Romana wurde Bürgerin
              von Brugg. Diese Phase dauerte bis 1830, als in vielen Kantonen
              die Liberalen die Oberhand gewannen und schliesslich 1848 den Bundesstaat
              gründeten.
  Was hat Mode mit Politik zu tun?Kleidung war und ist auch ein
              Mittel um eine (politische) Haltung auszudrücken. Wer sich nach der Französischen Revolution
              noch mit Culotte (Kniebundhose), Perücke und anderem Rokoko-Utensilien
              auf die Strasse wagte, riskierte Kopf und Kragen. Jetzt waren die
              Sansculottes, die langen Hosen, angesagt. Frauen durften auf Hüftpolster
              und Korsett verzichten. Zweckmässigkeit war für aktive
              Bürger oberste Maxime, während die Frauen der gehobenen
              Kreise wie griechische Statuen auf ihren Canapés ruhten.
              Mit der Wiederinstallierung der konservativen Kräfte um 1815
              kehrten Reifrock und Korsett zurück und zwängten Frauen
              in die Unbeweglichkeit. Das entsprach ganz dem neuen bürgerlichen
              Frauenbild, das die Frau als Zierde des Mannes am heimischen Herd
              sah. Franziska erlebte also auch in modischer Hinsicht diverse
              Umwälzungen in ihrem Leben.
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