| Grünewald Blicke auf ein Meisterwerk
 Exposition d'intérêt national8. Dezember 2007 - 2. März 2008
 Musée d'Unterlinden, Colmar
  Erstmals 
                      in Frankreich widmet das Musée d'Unterlinden, das den berühmten 
                      Altar der Antoniter von Isenheim aufbewahrt, dem Urheber 
                      dieses Meisterwerks, der einer der größten deutschen Maler 
                      der Renaissance war, eine eigene Ausstellung: "Grünewald. 
                      Blicke auf ein Meisterwerk". Mit dieser Ausstellung führt 
                      das Museum seine Politik fort, die darauf abzielt, seine 
                      beachtliche Sammlung von Gemälden und Skulpturen aus dem 
                      15. und 16. Jahrhundert einem breiten Publikum bekannt zu 
                      machen und ihre Erforschung zu fördern. Diese Kunstwerke 
                      sind repräsentativ für eine Epoche, in der der Oberrhein 
                      geradezu ein "Goldenes Zeitalter" erlebte.
 In der sich seit um 1400 in ganz Europa entwickelnden "Gotik", 
                      deren Stilmerkmale unter anderem fließende Linien und elegante 
                      Gesten sind, bildet sich gegen 1450 eine realistische und 
                      intimistische Strömung in der rheinischen Kunst heraus. 
                      Zu dieser Zeit gehört diese Region zum Heiligen Römischen 
                      Reich deutscher Nation. Die oberrheinischen Künstler der 
                      frühen Neuzeit arbeiten in Straßburg, Colmar, Freiburg im 
                      Breisgau oder Basel. 
                     Die Ausstellung zielt darauf ab, die Chronologie des Schaffensprozesses 
                      für den Isenheimer Altar zu präzisieren und unsere Kenntnisse 
                      über Grünewalds Identität aufgrund neuester Forschungen 
                      zu festigen. Dafür nutzt sie die Ergebnisse jahrelanger 
                      Untersuchungen, die vom Centre de Recherche et de Restauration 
                      des Musées de France (C2RMF) am Isenheimer Altar durchgeführt 
                      wurden, wie auch die Erkenntnisse eines internationalen 
                      Kolloquiums, das im Januar 2006 in Colmar abgehalten wurde. 
                      In Zusammenarbeit mit dem Berliner Kupferstichkabinett, 
                      das einen Großteil von Grünewalds graphischem Oeuvre besitzt, 
                      rückt die Ausstellung den Arbeitsprozess in den Mittelpunkt, 
                      dem wir dieses monumentale Meisterwerk verdanken. 
                      Der Isenheimer AltarUm 1512 bis 1516 malt Grünewald sein Hauptwerk, den berühmten 
                      Altar für das Antoniterkloster in Isenheim, einem Dorf, 
                      das etwa 20 Kilometer von Colmar entfernt liegt. Auftraggeber 
                      ist Guido Guersi, Präzeptor des Antoniterordens von 1490 
                      bis 1516. Die Plastiken werden um 1515 von Nikolaus Hagenauer 
                      ausgeführt. Der Antoniterorden wurde 1092 gegründet; seine 
                      Berufung war die Pflege und Behandlung der Kranken, die 
                      am Antoniusfeuer litten. Verursacht wird dieses Leiden durch 
                      das Mutterkorn, einen Pilz, der auf den Ähren von Roggen 
                      wächst. Das um 1300 gegründete Antoniterkloster von Isenheim 
                      häufte nach und nach einen beträchtlichen Reichtum an, der 
                      es ihm ermöglicht, zahlreiche Kunstwerke in Auftrag zu geben 
                      und zu finanzieren. Der dem heiligen Antonius geweihte Wandelaltar 
                      ist ein solches Auftragswerk. Ursprünglich war er für den 
                      Chor der Antoniterkirche bestimmt. Dort stand er bis zur 
                      Französischen Revolution. Um seine Zerstörung zu verhindern, 
                      wurde er 1792 nach Colmar in die Bibliothèque Nationale 
                      du District gebracht. 1852 siedelte er in die Kirche des 
                      ehemaligen Dominikanerinnenklosters Unterlinden um, das 
                      damals zu einem Museum umgebaut wurde. Seitdem ist er das 
                      berühmteste Werk des Museums, das die Betrachter nach wie 
                      vor in seinen Bann schlägt. Der geschlossene Altar stellt 
                      die Figur des toten Christus am Kreuz dar. Die weiteren 
                      Tafeln sind Darstellungen der Auferstehung, der Verkündigung, 
                      des Engelskonzerts, der Versuchung des heiligen Antonius 
                      und des heiligen Antonius beim heiligen Paulus gewidmet. 
                     Grünewald und seine ZeitgenossenEine 
                      neue Künstlergeneration beherrschte die Epochenschwelle 
                      um 1500: Wesentliche Meister der Renaissance sind Mathias 
                      Grünewald (um 1475/80-1528), Hans Holbein d.Ä. (um 1465-1524), 
                      Albrecht Dürer (1471-1528), Lucas Cranach (1472-1553), Albrecht 
                      Altdorfer (1480-1538), Hans Baldung Grien (um 1484-1545), 
                      Meister I.P. und Meister H.L. Ihre Leistungen sind wesentlich 
                      mit der künstlerischen Blüte verknüpft, die Deutschland 
                      in dieser Zeit erlebte.  In der Ausstellung "Grünewald. 
                      Blicke auf ein Meisterwerk" werden den Vorzeichnungen zum 
                      Altar Zeichnungen anderer Künstler gegenübergestellt, die 
                      Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts im deutschsprachigen 
                      Raum entstanden. Dadurch wird Grünewalds persönlicher Stil 
                      ersichtlich, der ihn von der vorhergehenden Künstlergeneration 
                      und seinen Zeitgenossen unterscheidet.
                     Themenkreise der AusstellungReligiöse SzenenIm Vergleich mit Arbeiten 
                      seiner Zeitgenossen (Zeichnungen, Plastiken) wird nicht 
                      nur Grünewalds Originalität offensichtlich, sondern auch 
                      der Wandel in der Auffassung verschiedenster religiöser 
                      Motive am Beginn des 16. Jahrhunderts. Gleichzeitig tritt 
                      der expressive Wille zutage, der diesen Künstlern im beginnenden 
                      16. Jahrhundert gemeinsam ist. Neben die Zartheit der Mariendarstellungen 
                      mit der ausgeprägten Betonung ihrer Menschlichkeit (Altdorfers 
                      "Heilige Familie", Basel) tritt eine drastische Darstellung 
                      des Schmerzes und der offensichtlichen Gewalt, die das Passionsgeschehen 
                      beherrscht ("Kreuzigung" von Cranach, Berlin; "Beweinung" 
                      von Hans Baldung Grien, Washington).
 Naturalismus und 
                      ExpressivitätDie Figuren werden zunehmend realistischer 
                      dargestellt: die Gesichter ausdrucksstark, die Körper differenziert 
                      durchmodelliert. Die Künstler interessieren sich tiefer 
                      für die Anatomie des menschlichen Körpers, wie Grünewalds 
                      Studien für den "Heiligen Sebastian" des Isenheimer Altars 
                      oder Dürers Arm- und Handstudien belegen. Auch der Gesichtsausdruck 
                      wird genau beobachtet: flehend bei Maria Magdalena, ernst 
                      bei den heiligen Eremiten.
 Die Rolle der Landschaft in 
                      der graphischen Ausarbeitung der WerkeDie Landschaften 
                      im Hintergrund mit ihren unzähligen Details zeigen die Nähe 
                      zwischen Grünewald und den Auffassungen flämischer Maler 
                      und der nordeuropäischen Landschaftskunst. Immer häufiger 
                      erarbeiten die Künstler Baum- oder Vegetationsstudien. In 
                      der Tafel mit dem "Heiligen Paulus beim heiligen Antonius" 
                      des Isenheimer Altars wie auch in einigen Zeichnungen von 
                      Altdorfer verschmelzen die Figuren geradezu mit der üppigen 
                      Natur, die sie umgibt.
 GewandstudienBeim Malen von Gewändern 
                      und Falten können die Künstler ihre Virtuosität zur Schau 
                      stellen. Die Stoffe werden detailreich wiedergegeben: einige 
                      Frauen tragen Gewänder mit weich fallenden Falten; die Kleider 
                      anderer - so das der "Jungfrau mit dem Kind" auf dem Isenheimer 
                      Altar - sind dagegen aus schwerem Stoff, und der Faltenwurf 
                      weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit Zeichnungen von Leonardo 
                      da Vinci auf.
  Technische Analyse des AltarsErgänzt 
                      wird die Ausstellung durch Material, das die vom C2RMF am 
                      Isenheimer Altar durchgeführten Analysen dokumentiert (Röntgenaufnahmen, 
                      Infrarotreflektographien, stratigraphische Analyse der 
                      Farbschicht). Sie beleuchten den Schaffensprozess, der diesem 
                      Meisterwerk zugrunde liegt. Die Arbeitsetappen wurden mit 
                      Hilfe von Röntgenaufnahmen und Infrarotreflektographien 
                      analysiert. Im ersten Stadium der Vorbereitung ritzte Grünewald 
                      bestimmte Stellen ein, um Elemente wie die Anordnung der 
                      Pfeile in der Tafel mit dem "Heiligen Sebastian" oder die 
                      runden Fenstergläser hinter dem "Heiligen Antonius" auf 
                      der Bildfläche festzulegen. Die Art und Weise, wie die Unterzeichnung 
                      ausgeführt wurde, konnte dagegen nicht genau bestimmt werden, 
                      da sie nur schwierig auszumachen ist. Fotos und Infrarotreflektographien 
                      lassen vermuten, dass sie mit dem Rötel- und nicht mit dem 
                      Kohlestift ausgeführt wurde. Schraffuren - wie etwas bei 
                      Albrecht Dürer - finden sich bei Grünewald nicht - eine 
                      Ausnahme und eine Neuerung im Vergleich zum Vorgehen seiner 
                      Zeitgenossen. Grünewalds Anwendung von Zeichnungen im Werkprozess 
                      hat größere Ähnlichkeit mit jener Technik, die zu dieser 
                      Zeit in Italien üblich war. 
                     Im Lauf des Malprozesses korrigiert oder verändert Grünewald 
                      nur wenige Elemente der Komposition. Die Linie als Grundelement 
                      von Grünewalds Maltechnik zieht sich wie ein roter Faden 
                      durch sämtliche Etappen des Werkprozesses hindurch. Sie 
                      geht einher mit einer meisterlichen Beherrschung der Farbe. 
                     Kunstlandschaft OberrheinGrünewald und seine 
                      Zeitgenossen entfalteten ihre schöpferische Tätigkeit in 
                      einer Zeit, in der die Rheingrenze zwischen Frankreich und 
                      Deutschland nicht existierte. Damals war die oberrheinische 
                      Region eine Art Schmelztiegel, in dem die großen künstlerischen 
                      Strömungen Europas zusammenflossen. Es schien uns wichtig, 
                      an diese grenzüberschreitende Dimension anzuknüpfen, und 
                      zwar in Form einer Zusammenarbeit mit der Staatlichen Kunsthalle 
                      Karlsruhe, die zeitgleich eine Ausstellung über Grünewald 
                      organisiert, in der die Grisaille-Technik und die mit der 
                      Passion Christi verbundenen Themen in den Mittelpunkt gestellt 
                      werden.
                     Neben dem Berliner Kupferstichkabinett und der Staatlichen 
                      Kunsthalle in Karlsruhe haben weitere renommierte Institutionen 
                      lebhaftes Interesse an diesem Projekt bekundet. Der Louvre 
                      und die Ecole Nationale supérieure des Beaux-Arts in Paris, 
                      die Museen in Rennes, Basel, Budapest, Dresden, München, 
                      London, Rotterdam und Washington leihen dem Musée d'Unterlinden 
                      Meisterwerke aus ihrem graphischen Bestand. 
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