| Die
                      Ostgoten unter Theoderich dem Großen (493-526) stehen
                      im Mittelpunkt der Ausstellung mit wertvollen Fundstücken
                      vom Hemmaberg, einem bedeutenden archäologischen Fundplatz
                      im österreichisch-slowenischen Grenzgebiet, an dem
                      sich die Entwicklung des frühen Christentums im Ostalpenraum
                    in einzigartiger Weise studieren lässt. In der befestigten Höhensiedlung, die hier von 400
                      bis 600 n. Chr. am Platz eines vormaligen keltischen Heiligtums
                      bestand, befand sich eine katholische und eine arianische
                      Kirchenanlage einträchtig nebeneinander. Das arianische
                      Bekenntnis, das auf die Auffassung des Priesters Arius
                      zurückgeht und im Kern aussagt, Christus sei dem Gottvater
                      nur wesensähnlich, aber nicht wesensgleich, spielte
                      bei den Goten eine wichtige Rolle. Am Fuße des Hemmaberges konnte erstmals in Kärnten
                      ein ausgedehntes Gräberfeld dieser Zeit archäologisch
                      untersucht werden; die hier gefundenen Grabbeigaben wie
                      Adlerbeschläge und Adlerschnallen von Offiziersgürteln
                      bilden den Kern der Ausstellung.  Alamannen und Ostgoten
 Nach der „Schlacht bei Zülpich“ von 496/497,
                      in der der fränkische König Chlodwig die Alamannen
                      besiegte, und dem Verlust eines zweiten Königs um
                      506 wurde Alamannien ins Frankenreich integriert. Der Ostgotenkönig
                      Theoderich bat daraufhin Chlodwig, mit dem er seit 493
                      durch die Heirat seiner Schwester Audofleda verschwägert
                      war, 507 in einem Schreiben um Milde gegenüber den
                      Alamannen und bot deren „erschöpften Resten“ seinen
                      Schutz an. Archäologisch lässt sich dieser Vorgang in Süddeutschland
                      eindeutig nachweisen, etwa durch die Aufgabe von Siedlungen
                      wie in Großkuchen bei Heidenheim sowie die erstmalige
                      Besiedlung des Gebietes zwischen Iller und Lech in Bayerisch
                      Schwaben, das offensichtlich bereits zum Machtbereich Theoderichs
                      zählte. Doch diese Schutzherrschaft währte nur
                      kurz: wenige Jahre, nachdem Theoderich 526 in Ravenna verstorben
                      war, fiel auch dieses Gebiet 536/537 an die Franken. Dass zu dieser Zeit auch Alamannen im Ostalpenraum lebten,
                      wird durch den Fund einer silbervergoldeten alamannischen
                      Bügelfibel des frühen 6. Jahrhunderts unter einem
                      Kirchenfußboden auf dem Hemmaberg deutlich. Der spätantike
                      Staatsmann und Schriftsteller Cassiodor überliefert
                      uns außerdem ein Dekret Theoderichs aus der Zeit
                      um 507, in der den Bewohnern der norischen Alpenprovinz
                      befohlen wird, mit den durchziehenden Alamannen ihre Rinder
                      zu tauschen. Die Völkerwanderung am Beispiel der Ostgoten Ausgehend von Skandinavien kommt es im Raum des heutigen
                      Polen zur Expansion der Goten und zur Unterwerfung umliegender
                      Gebiete. Ein Vorstoß führt sie in den südrussischen
                      Raum und auf die Krim, die Bedrohung durch die Hunnen im
                      4. Jahrhundert zur Flucht und zur Ansiedlung auf römischem
                      Reichsgebiet. In militärischem Auftrag des oströmischen
                      Kaisers ziehen 70.000 Ostgoten im Jahr 488 unter ihrem
                      König Theoderich nach Italien und übernehmen
                      dort und in den angrenzenden Alpenprovinzen die Herrschaft. Ravenna – Hauptstadt des Abendlandes Ravenna ist die letzte Hauptstadt des Weströmischen
                      Reiches und wird von den Ostgoten belagert, bis im Jahr
                      493 ihr König Theoderich und der erste germanische
                      König Italiens Odoaker beschließen, gemeinsam
                      zu herrschen. Jedoch ermordet Theoderich im Palast Odoaker
                      und begründet das ostgotische Reich (493–552)
                      mit der Hauptstadt Ravenna. In dieser Stadt verstarb Theoderich
                      im Jahr 526 und wurde in einem Grabmal beigesetzt, einem
                      einzigartigen architektonischen Baudenkmal in Europa. Das
                      steinerne Zeugnis überdauerte die massive Auslöschung
                      ostgotischer Spuren nach dem Sieg des oströmischen
                      Kaisers. Weithin berühmt sind die Mosaiken in der Kirche San
                      Apollinare, der Palastkirche Theoderichs (um 500 nach Chr.),
                      sowie die Kuppelmosaiken in der Taufkapelle der katholischen
                      Bischofskirche (um 420 nach Chr.), die ebenso wie Kuppelmosaiken
                      in der Taufkapelle der arianischen Bischofskirche (um 500
                      nach Chr.) die Taufe Christi zeigen. Das arianische Christentum der Ostgoten Die Bezeichnung geht auf die Auffassung des christlichen
                      Priesters Arius zurück: Christus sei dem Gottvater
                      nur wesensähnlich, aber nicht wesensgleich. Den Heiligen
                      Geist fasste Arius als Geist Christi auf. Als Goten auf
                      dem Gebiet des römischen Reiches angesiedelt wurden,
                      spielte das arianische Bekenntnis eine wichtige Rolle.
                      Bischof Wulfila übersetzte die Bibel ins Gotische
                      und diese blieb bis heute die Hauptquelle für die
                      Sprache. Fast alle germanischen Völker nahmen das
                      Christentum in der arianischen Form an. Deshalb gab es
                      während Ostgotenzeit und Langobardenherrschaft stets
                      je einen katholischen und einen arianischen Bischof in
                      den Städten. Dazu gehörten die entsprechenden
                      Kirchen und Taufkapellen der beiden Glaubensrichtungen. Der Hemmaberg Auf dem Hemmaberg, einer befestigten Höhensiedlung
                      bei Globasnitz in Kärnten, stand um 510 nach Chr.
                      eine katholische Kirchenanlage der römischen Christengemeinde,
                      bestehend aus einer Kirche für die Eucharistiefeier,
                      einer Taufkapelle sowie einer Kirche für die Firmung
                      und das Gedächtnis eines Heiligen mit einem Reliquiengrab
                      in der Apsis. Direkt daneben befand sich die arianische
                      Kirchenanlage der ostgotischen Christengemeinde ebenfalls
                      mit einer Kirche für die Eucharistiefeier, einem Heiligengrab
                      unter dem Altar und einer Taufkirche. Da die Arianer den
                      Heiligen Geist nicht als eigene göttliche Person betrachten,
                      gab es hier keinen eigenen Firmungsraum. Bis zu den archäologischen
                      Untersuchungen von Franz Glaser waren arianische Kirchen
                      der Ostgotenzeit im Alpenraum unbekannt. Religiöse Toleranz der Ostgoten Am Hofe Theoderichs diskutieren katholische Römer
                      und arianische Goten bei gegenseitigem Respekt über
                      religiöse Fragen. Der Staat muss auch jene schützen,
                      die im Glauben irren, sagt der Ostgotenkönig gegenüber
                      den Juden von Mailand. In Genua betont er gegenüber
                      den Juden: „Wir können keine Religion befehlen,
                      denn niemand ist durch Zwang zum Glauben zu bringen.“ Eine
                      niedergebrannte Synagoge müssen die Übeltäter
                      und der katholische Bischof wieder aufbauen lassen. Als
                      Ostrom (= Byzanz, Konstantinopel) Gesetze gegen Andersgläubige
                      erließ, sandte Theoderich den Papst zum Kaiser nach
                      Konstantinopel, um eine Rücknahme dieser Gesetze zu
                      bewirken. Noch ein Jahr vor dem byzantinisch-ostgotischen
                      Krieg, also im Jahr 535, schrieb der Senat von Rom an den
                      oströmischen (= byzantinischen) Kaiser, dass zwar
                      arianische Herrscher regierten, doch der Katholizismus
                      in Italien blühe und der Kaiser nicht mehr tun könne
                      für den Westen. Der Hemmaberg in der Weltliteratur 1983 erschien im Suhrkamp-Verlag des Werk „Der Chinese
                      des Schmerzes“ des aus Kärnten stammenden Schriftstellers
                      Peter Handke, das in 23 Sprachen übersetzt wurde.
                      Handke schreibt dort: „Ohne eigentlich ausgebildeter
                      Archäologe zu sein, habe ich in der unterrichtsfreien
                      Zeit immer wieder an den Ausgrabungsstätten im ganzen
                      Land mitgearbeitet, vor allem auf dem Hemmaberg im südlichen
                      Kärnten, wo ich bei der Abtragung des Fußbodenmosaiks
                      der dortigen frühchristlichen Basilika dabei gewesen
                      bin“. An anderer Stelle heißt es: „In
                      einem Glas auf meinem Schreibtisch befindet sich Holzmehl: Überbleibsel
                      einer von mir entdeckten Schwelle, die vom Hemmaberg stammt
                      und der Gegenstand meines ersten Aufsatzes gewesen ist.
                      Schwellen ausfindig zu machen und zu beschreiben, ist meine
                      Leidenschaft geworden“. Ein Leben in zwei Kulturen: Theoderich der Große Der ostgotische Königssohn Theoderich kommt mit sechs
                      Jahren als Geisel an den oströmischen Kaiserhof nach
                      Konstantinopel (Byzanz), damit die Ostgoten auf römischem
                      Reichsgebiet ihre Vertragstreue einhalten. Er wird römisch
                      erzogen und steigt in den Generalstab Ostroms auf. Nach
                      dem Tode seines Vaters übernimmt er die Führung
                      der Ostgoten und zieht im Auftrag des oströmischen
                      Kaisers nach Italien, um das Weströmische Reich zu übernehmen.
                      Er anerkennt formal stets die Oberhoheit des Kaisers. Einerseits
                      ist er gotischer Stammenskönig, andererseits römischer
                      Patricius, der Herr über eine römische Bürokratie.
                      Die Ostgoten beanspruchen nur etwa 20 Prozent des Landes,
                      sodass ein Zusammenleben mit der römischen Bevölkerung
                      möglich ist. Dazu gehört auch, dass für
                      Ostgoten gotisches Recht und für Römer römisches
                      Recht gilt. Ostgotisches Militär Die Ostgoten bilden in Italien und den verbliebenen Provinzen
                      des Weströmischen Reiches gleichsam eine Militärschicht
                      (493–552). Als Stammeskönig verfügt Theoderich
                      nicht nur über ein gotisches Herr, sondern als römischer
                      General auch über die römischen Truppen im Westen.
                      Das Steueraufkommen des Staates dient wie in den Jahrhunderten
                      zuvor im Wesentlichen für das Militär, sodass
                      für die gehobene soziale Schicht die Ostgotenherrschaft
                      keine zusätzliche Steuerbelastung bedeutet. Theoderich
                      empfiehlt, den Toten ins Grab keine wertvollen Gegenstände
                      mitzugeben, die letztlich nur Grabräuber anlocken.
                      Daher finden wir in den Gräbern von Soldaten keine
                      Waffen, sondern bestenfalls nur den roten Offiziersgürtel
                      als Rangabzeichen. Das Militär hat in der Antike auch
                      Aufgaben der Exekutive durchzuführen. Dazu gehört
                      der staatliche Nachrichtendienst, der eine wesentliche
                      Grundlage für Macht und Herrschaft ist. Künstliche Schädelumformung Bei den Ostgoten werden Kleinkindern die Köpfe mit
                      Binden umwickelt, sodass ein so genannter Turmschädel
                      entsteht. Im Gräberfeld in Globasnitz ist diese Sitte
                      an einigen Schädeln von Männern und Frauen zu
                      beobachten. In Verbindung mit den Funden in den Gräbern
                      lässt sich kein besonderer sozialer Status dieser
                      Personen ablesen. Die Sitte der Schädelumformung wird
                      auf das Vorbild mancher hunnischer Stämme mit dieser
                      Sitte zurückgeführt. Je länger die Ostgoten
                      auf römischem Reichsboden leben, desto seltener wird
                      die Schädelumformung. Diesen Brauch finden wir aber
                      auch bei Westgoten, Alanen, Langobarden und Baiern bis
                      in das thüringische Gebiet. Adler und Kreuz Die bronzenen Beschläge des Militärgürtels
                      zeigen je zwei Adlerköpfe. Der Adler oder dessen Kopf
                      ist bei den Ostgoten ein beliebtes Motiv, mit dem Gewandspangen
                      (Fibeln), Beschläge und Schwertknaufe verziert werden.
                      Für die Einlegearbeit des Adlermotivs werden in der
                      Regel Almandine (= indische Granate) verwendet. Im Fall
                      des Offiziersgürtels aus Globasnitz setzte der Kunsthandwerker
                      durchsichtiges Glas ein und hinterlegte dieses mit rotem
                      Leder. Der Schnallenrahmen zeigt winzige Quadratfelder
                      mit Rosettenkreuzen. Der Schnallendorn ist mit einem silbernem
                      Kreuz verziert, das den Mann als Christen ausweist. Der
                      Träger des Gürtels ist daher Ostgote und arianischer
                      Christ. Feuerzeug Das Feuerzeug der Völkerwanderung besteht aus einem
                      Feuerstahl (Feuerschläger), Feuersteinen und einem
                      Zunderschwamm. Die Gegenstände werden in einem Täschchen
                      am Gürtel getragen. Manchmal besitzt der Feuerschläger
                      eine Schnalle, durch welche die Verschlusslasche der Tasche
                      gesteckt wird. Diese Art der Feuerzeuge war in Tibet noch
                      im 18. und frühen 19. Jahrhundert gebräuchlich.
                      Mit dem Feuerstahl wird auf die Feuersteine geschlagen,
                      um Funken zu erzeugen. Die Funken fallen auf den vorbereiteten
                      Zunderschwamm, ein Baumschwamm. Der Funke auf dem leicht
                      entzündlichen Schwamm muss durch Sauerstoffzufuhr,
                      das heißt durch Anblasen, zum Glosen gebracht werden. Eisen zur Abwehr von Übeln Eisen gilt als Mittel zur Abwehr von Übeln, von denen
                      der Mensch befallen wird, wie uns Plinius im ersten Jahrhundert
                      nach Chr. berichtet. Daher sind verschiedene Schmuckobjekte
                      und Amulette in Eisen ausgeführt. Frauen tragen einen
                      Eisenschlüssel am Gürtel oder auf der Brust,
                      wie die Grabfunde zeigen. Sextus Pomponius Festus hält
                      im zweiten Jahrhundert nach Chr. fest, dass es bei den
                      Römern Brauch sei, den Frauen einen Schlüssel
                      zu schenken, der als Amulett (des Aufsperrens) die Geburt
                      erleichtern sollte. Eiserne Fingerringe werden einzeln
                      auch neben einem Bronzering getragen. Vom Syrer Lukianos
                      aus Samosata im zweiten Jahrhundert nach Chr. erfahren
                      wir über die besondere magische Wirkung eines Eisenrings,
                      wenn er aus den Nägeln eines Kreuzes gefertigt wurde. Frauenarbeit und Frauenschmuck Wenige der verstorbenen Frauen werden mit ihrem persönlichen
                      Schmuck – wie Ohrringen, Halskette aus Glasperlen,
                      Armreifen und Fingerringen – begraben. Nur eine von
                      ihnen trug einen Mantel, von dem eine Gewandspange (Fibel)
                      stammt. Die großen Glasperlen an den Halsketten von
                      Kleinkindern sollen vermutlich Augen darstellen, die – ebenso
                      wie heute noch im Balkan und Orient – vor Übeln
                      des bösen Blickes schützen sollen. In zwei Gräbern
                      finden wir nicht Schmuck als Statussymbol, sondern je einen
                      Spinnwirtel, ein Gewicht, das die Spindel beschwerte. Seit
                      der Jungsteinzeit hat sich bis heute diese Technik nicht
                      verändert. Die stehende Frau klemmt den Spinnrocken
                      mit der Wolle unter den linken Arm und dreht mit der Rechten
                      den Faden, bis die Spindel fast den Boden berührt. Unvollständiges Geschichtsbild Durch die Ausgrabungen der Jahre 1999-2008 in Globasnitz
                      ließen sich Fragen der Geschichte klären, für
                      die es keine schriftlichen Quellen gibt. Im Ostalpenraum
                      prägten die befestigten Höhensiedlungen des 5.
                      und 6. Jahrhunderts das Geschichtsbild, während Talsiedlungen
                      unbekannt waren. Stattdessen gilt nun, dass gleichzeitig
                      mit der Bergsiedlung auf dem Hemmaberg im Tal die Straßenstation
                      für den staatlichen Nachrichtendienst bestand. Daher
                      war hier auch das Militär, nämlich die ostgotischen
                      Soldaten, stationiert. Durch die neuen Ausgrabungen ist
                      erstmals fast ein halbes Jahrhundert (493–536) der
                      Kärntner Geschichte, Kultur, Kunst und Architektur
                      zu erfassen. Die Erforschung der 422 völkerwanderungszeitlichen
                      Gräber in Globasnitz (weitere ca. 100 liegen unzugänglich
                      unter einer Asphaltstraße) bedeutet, dass wir im
                      Ostalpenraum mit Gräberfeldern der Ostgotenzeit nicht
                      auf den Bergen, sondern im Tal rechnen müssen.
 
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