| Ausführlicher Bericht zu Fundsituation und
                      Restaurierung auf Schloss Arenenberg Schloss Arenenberg, im Thurgau gelegener Exilsitz der
                      kaiserlich französischen Familie in der Zeit zwischen
                      1817 und 1906, beherbergt bekanntermassen eine Vielzahl
                      von Kostbarkeiten. Trotzdem kommt es immer wieder zu überraschenden
                      Neuentdeckungen. Im Zusammenhang mit Umbauarbeiten im Prinzenflügel
                      eines „Dependance" genannten Schlosstraktes
                      förderten Bauforscher, Restauratoren und Archäologen
                      im letzten Jahr eine Sensation zu Tage: Unter den neuzeitlichen
                      Einbauten der Küche des in diesem Teil des Schlosses
                      untergebrachten Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg
                      fanden sich hervorragend erhaltene Befunde, die einen seltenen
                      Blick in die Hygienevorstellungen und in die Sanitär-
                      bzw. Küchentechnik des 19. Jahrhunderts erlauben.
                      So wurde in der ehemaligen Schlossküche eine Ofenanlage
                      freigelegt, die gleichzeitig zur Beheizung des historischen
                      Herdes (seine Fundamenten blieben ebenfalls erhalten) und
                      zur Erhitzung von Badewasser diente. Einen Raum weiter,
                      am südlichen Ende des Prinzenflügels, entdeckte
                      man zur grossen Überraschung aller Beteiligter auch
                      den längst verloren geglaubten „Kaiserlichen
                      Badesaal". In diesem ca. 20 qm grossen Raum konnten
                      zunächst Spuren einer farbig gefassten Stuckdecke,
                      Reste der Wandbemalung und der gemaserten Täfelung
                    sowie ein Sandsteinfussboden freigelegt werden.  Herzstück des Bades ist ein weiß glasiertes
                      Tauchbecken mit einem fünfstufigen Einstieg und einem
                      goldenen, gekrönten Adler am Kopfende. Bild: Napoleonmuseum
                    Thurgau / Daniel Steiner
 Bedeutend wurde der Fund insbesondere durch das darin
                      befindliche „Kaiserbad" sowie die damit verbundene
                      Technik. Bei dem Bad handelt sich um ein ca. 300 cm langes,
                      130 cm breites und 120 cm tiefes Tauchbecken mit Treppenzugang
                      von Osten. Die Oberfläche der in den Boden abgesenkten
                      Wanne ist mit weiss glasierten Tonkacheln versehen. Ihre äussere
                      Hülle besteht aus grossen, vertikal stehenden Sandsteinplatten.
                      Das westliche Kopfende ziert eine Kachel mit einem als
                      Relief gefertigten, kaiserlich-französischen Adler,
                      der Reste einer Vergoldung aufweist. Darunter befindet
                      sich ein runder Wasseranschluss für eine Leitung,
                      die in einem unterirdischen Kanal von miteinander „verzahnten" Tonplatten
                      liegt. Dieser ist in die Westfassade des Gebäudeflügels
                      eingebaut und findet ausserhalb seine Fortführung.
                      Dabei handelt es sich um eine Druckwasserleitung für
                      Kaltwasser, die aus den hoch über dem Schloss liegenden
                      Brunnenstuben (Quellen) gespeist wird. In der Nordwand
                      des Beckens findet sich ein zweiter runder Wasseranschluss.
                      Daneben ein eckiger Durchlass, dessen Funktion noch nicht
                      genau geklärt ist. Beide Installationen führen
                      zum Heisswasserofen in der benachbarten Küche. Von
                      Osten erlaubten fünf weiss glasierte Treppenstufen
                      einen angenehmen Einstieg in das Becken. Drei davon blieben
                      erhalten. Die fehlenden ließen sich anhand von aufgefundenen
                      Fragmenten wiederherstellen. Um die Wanne herum verlief
                      ursprünglich ein vergoldetes Geländer, von dem
                      aber nur noch wenige sichtbare Spuren vorhanden sind. Lediglich
                      Metallreste der Verankerungen in den Sandsteinplatten des
                      umliegenden Fussbodens erlauben Rückschlüsse
                      auf die Anzahl der ehemals vorhandenen Gitterstäbe.  Die original erhaltene Möblierung macht den Badesaal
                    zu einem wohnlichen Salon.                    Bild:
                    Napoleonmuseum Thurgau / Daniel Steiner
 Dank des sog. „Malerbuches" aus dem Jahr 1855
                      (eigentlich ein Rechungsbuch des mit der Renovierung nach
                      dem Rückkauf beauftragten Handwerkers) und zahlreicher
                      ebenfalls mit dem Jahr 1855 beginnender Inventare von Schloss
                      Arenenberg ließ sich das originale Aussehen des Kaiserbades
                      hervorragend rekonstruieren. Die Möblierung des „Saales" blieb
                      in den Sammlungen des Napoleonmuseums weitgehend erhalten
                      und erlaubte somit die Wiederherstellung der Gesamtsituation:
                      Sessel, Nachtstuhl (Toilette), Paravent, Spiegel und Tisch-
                      bzw. Schränk(chen). Lediglich der ursprüngliche „Stiegenteppich" ging
                      verloren und auch über die Bebilderung der Wände
                      fehlen Anhaltspunkte. Gab es neben der grünen Grundfarbe
                      noch grossflächige Wandmalereien mit Ornamenten? Wenn
                      ja, lassen sich diese nicht mehr rekonstruieren, da der
                      Wandputz nahezu komplett abgeschlagen wurde. Nur noch der
                      originale Grünton konnte nachgewiesen werden. Von
                      der ebenfalls zerstörten Dekoration des Badezimmers
                      Napoleons III. in den Tuilerien von Paris ist bekannt,
                      dass sie aus frivolen Gemälden François Bouchers
                      bestand. Deswegen fiel auf Arenenberg der Entscheid, den
                      Badesaal mit einem freizügigen Gemälde von Constance
                      Prud'hon-Mayer zu schmücken: „Flambeau de Venus" (Venusfackel).
                      Es befand sich schon zu Zeiten des Prinzen Louis Napoleon
                      und seiner Mutter im Schloss, ohne dass man heute seinen
                      eigentlichen Platz kennen würde. Es könnte also
                      durchaus im Bad gehangen haben. Original erhalten, nun freilegt und behutsam retuschiert,
                      präsentiert sich die Stuckdecke des Bades. Sie orientiert
                      sich in ihrer Farbgestaltung und Ornamentik an Vorbildern
                      aus Italien: In Blau- und Türkistönen gehalten,
                      mit renaissancehafter Ornamentik in den Ecken und bunten
                      Paradiesvögeln. Wie der ebenfalls in antiker Manier
                      bemalte sog. Tee- oder Empfangssalon bzw. der Untere Seesalon
                      im Palais gehört auch das Kaiserbad in eine zweite
                      Aus- oder Umbauphase des Schlosses, die ab 1832 unter Königin
                      Hortense begann. Die Deckenmalereien hier weisen aber eine
                      wesentlich höhere Qualität auf als die im Palais.
                      Erstaunlich, denn in der Dependance befanden sich lediglich
                      die Privaträume und Gästezimmer des Prinzen Louis
                      Napoleon, während die Hausherrin, Königin Hortense,
                      im Palais lebte. Dort gab es zwar in den Vorräumen
                      fliessendes Wasser aus modern anmutenden kleinen Waschbecken
                      und Toiletten mit Wasserspülung, aber kein so repräsentatives
                      Badezimmer wie im Prinzenflügel. Die weiss glasierte
                      Keramik der Wanne mit ihrem vergoldeten Adler erweckt den
                      Anschein von höchstem Luxus: bewusst wird dabei in
                      vollendeter Perfektion Porzellan imitiert, das kostbare „weisse
                      Gold". Und zwar so gut, dass die Angestellten des
                      Hofes bewundernd von einer „Badewanne aus Porzellan" sprachen.
                      Handelt es sich um ein äusseres Zeichen für die
                      ab 1832 eingetretene Rangerhöhung Louis Napoleons
                      zum offiziellen kaiserlichen Thronerben?  Eine original erhaltene, freigelegte und behutsam retuschierte
                    Stuckdecke ziert das 20 Quadratmeter große Badezimmer.
                    Bild: Napoleonmuseum Thurgau / Daniel Steiner
 Die Installationen des Bades jedenfalls gelten als „Hightech" des
                      beginnenden 19. Jahrhunderts. Fliessendes kaltes Quellwasser
                      wurde aus Druckleitungen direkt von aussen in das Becken
                      geleitet. Warmes Wasser kam aus einem Behälter über
                      dem Heizofen im angrenzenden Raum, der gleichzeitig auch
                      die Energie für den Warmluft-Herd der Küche lieferte.
                      Je ein wahrscheinlich vergoldeter Wasserhahn regulierte
                      den Zufluss des kalten und des warmen Wassers.Somit brauchen das Kaiserbad und sein Saal nach dem derzeitigen
                      Stand der Untersuchung einen Vergleich mit anderen Prunkbädern
                      auch aus späterer Zeit nicht zu scheuen. Im Gegenteil:
                      Die durch das Amt für Archäologie, den vor Ort
                      befindlichen Restaurator, die am Bau beteiligten Handwerker
                      und das Napoleonmuseum zu Tage geförderten Befunde
                      stellen eine grosse Besonderheit dar. Sie sind für
                      ihre Zeit und in dieser Form höchst selten in ganz
                      Europa. Diese Einschätzung teilt auch Dr. Elisabeth
                      Caude, Konservatorin am Château National de Malmaison,
                      die als ausgewiesene Kennerin der Geschichte des Badewesens
                      besonders über die französischen Anlagen des
                    18. und 19. Jahrhunderts forscht.
 Dominik Gügel (Direktor), 
Napoleonmuseum Thurgau Schloss & Park Arenenberg |