|   Das 
                      Benediktinerkloster wurde 724 auf der dem alemannischen 
                      Adligen Sintlaz gehörenden Bodenseeinsel gegründet 
                      und vermutlich unmittelbar vom Missionsbischof Pirmin der 
                      Benediktinerregel unterstellt. Mit der wachsenden Unterstützung 
                      durch die fränkischen Könige und Kaiser aus dem 
                      Haus der Karolinger wird der alte Name Sintlazau verdrängt 
                      und durch das neutrale Au bzw. Reiche Au ersetzt. Eine erste Blütezeit der für die Christianisierung Alamanniens 
                      wichtigen Mönchsgemeinschaft wird gekennzeichnet einerseits 
                      durch die Beisetzung des Markgrafen Gerold, des Schwagers 
                      Karls des Großen, 799 unter Abt Waldo (786-806) in 
                      der Klosterkirche, andererseits durch den 829 geweihten 
                      Neubau der Kreuzbasilika unter Abt Hatto I. (806-823). Unter 
                      ihnen wwurde das Kloster zu einem Ort der Gelehrsamkeit 
                      innerhalb der so genannten karolingischen Renaissance. Hier 
                      entstand der St. Gallener Klosterplan, eine Studie über 
                      die zweckmäßigste Anlage eines Benediktinerkloster. 
                      Ebenso war die Reichenau Mittelpunkt eines weit ausgreifenden 
                      "Netzwerks" mönchischer Gemeinsamkeit, das 
                      das Reichauer Verbrüderungsbuch dokumentiert. 
                     Am Ende des 8. Jahrhunderts errichtet Egino, Bischof von 
                      Verona, eine Zelle im westen der Insel (Niederzell), eine 
                      Generation später Ratold, ebenfalls Bischof von Verona, 
                      eine solche auf dem Reichenau gehörenden Festland (Radolfzell), 
                      am Ende des 9. Jahrhunderts schließlich der politisch 
                      sehr wirksame Abt und Mainzer Erzbischof Hatto III. (888-913) 
                      die Georgskirche in Oberzell, die er mit Reliquien des heiligen 
                      Georg ausstattete. 
                     Die bereits 830 aus Venedig auf die Insel gekommenen Reliquien 
                      des Evangelisten Markus wurden seit dem ausgehenden 9. Jahrhundert 
                      verehrt und bildeten einen wichtigen Kristallisationspunkt 
                      des geistlichen Lebens.
                     Durch Privilegien wie Immunität, Zollfreiheit, Wahlrecht 
                      und Schenkungen durch die Könige Heinrich I., Otto I. und 
                      Otto II. und deren Besuche erlangte Reichenau in der Zeit 
                      der ottonischen Könige um die Jahrtausendwende die zweite 
                      kulturelle Glanzzeit. Diese wird repräsentiert durch den 
                      "goldenen" Abt Witigowo (985-997) und die Reformäbte Immo 
                      (1006-1008) und Berno (1008-1048). Die berühmte Reichenauer 
                      Schreibschule gehört hierher, ebenso die Wandmalereien in 
                      der Oberzeller Georgskirche oder die Geschichtsschreibung 
                      eines Hermann von Reichenau († 1054). Eine Art Nachglanz 
                      des Inselklosters ist für die Regierungszeit des Abts Diethelm 
                      von Krenkingen (1169-1206) festzustellen. Danach begann 
                      der geistige und materielle Niedergang der Mönchsgemeinschaft 
                      in einer sich stark verändernden sozialen und wirtschaftlichen 
                      Umwelt des ausgehenden hohen Mittelalters. Reformversuche 
                      scheiterten wiederholt. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts 
                      war zeitweise der ganze Klosterbesitz verpfändet. Abt Eberhard 
                      von Brandis verkaufte schließlich 1367 alle Güter und Rechte 
                      seines Klosters an seine Verwandtschaft. Im Jahre 1402 gab 
                      es neben dem Abt nur noch zwei hochadlige Konventsherren 
                      als "Mönche". 
                     Am Ausgang des Mittelalters fasste das benediktinische 
                      Mönchsideal noch einmal Tritt, das Münster in Mittelzell 
                      wurde durch den spätgotischen Chor erweitert, der Radolfzeller 
                      Chronist Gallus Öhem schrieb eine Klostergeschichte. 1540 
                      verzichtete Abt Markus von Knöringen auf die Klosterleitung, 
                      die er an den Bischof von Konstanz abtrat. In der Folgezeit 
                      war die Reichenau als Priorat mit zwölf Mönchen nur mehr 
                      eine Verwaltungsstelle des Bistums (Obervogteiamt). Selbstständigkeitsbestrebungen 
                      der geistlichen Gemeinschaft auf der Bodenseeinsel endeten 
                      mit der Auflösung des Klosters im Jahr 1757. 1803 wurde 
                      das Kloster im Rahmen der Säkularisation nach dem Reichsdeputationshauptschluss 
                      aufgehoben. Seit 2001 lebt wieder eine kleine Gemeinschaft 
                      von Benediktinern auf der Insel. 
                     Gründungssage Nach der Gründungssage soll Sintlaz, als 724 der heilige 
                      Pirmin an den Untersee kam, ihn gebeten haben, in der Gegend 
                      eine Kapelle zu bauen. Pirmin wählte als Platz die Insel 
                      Reichenau, die von einem unwirtlichen Urwald bewachsen und 
                      voll von Schlangen, Kröten und Insekten war. Dort, wo Pirmin 
                      zuerst Fuß auf die Insel setzte, bildete sich eine Quelle. 
                      Das Ungeziefer aber floh während drei Tagen von der Insel 
                      und schwamm über den See.
 Die Vertreibung des Ungeziefers ist einerseits aus dem 
                      irischen Kulturkreis entlehnt, andererseits eine bildliche 
                      Vorstellung von der Vertreibugn des Heidentums von der Insel, 
                      die allerdings kaum einen Beleg in der historischen Realität 
                      haben dürfte, da die Insel nach den derzeitigen archäologischen 
                      Erkenntnissen vor der Klosterzeit nicht bewohnt war. Dass sich am Ort des Wirkens Pirmins eine Quelle bildete, 
                      entspricht der üblichen Legendenbildung. Der umgekehrte 
                      Fall ist wahrscheinlicher - dass das Kloster an der Stelle 
                      der einzigen Quelle auf der Insel gegründet wurde.
 Kultur
 Das Kloster war eines der wichtigen kulturellen und wissenschaftlichen 
                      Zentren des Reichs der Karolinger und Ottonen im Frühmittelalter. 
                      Unter anderem war die Reichenau auch Wirkungsstätte des 
                      Abts Walahfrid Strabo, der dort im Jahre 824 die Visio Wettini 
                      und 827 das frühe botanische Werk Liber de cultura hortorum 
                      (Von der Pflege der Gärten) schrieb. Der wohl bedeutendste 
                      Abt der Reichenau war von 888 bis 913 Hatto III., Erzbischof 
                      von Mainz (891-913), Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches. 
                      Im Gefolge Arnulfs von Kärnten, der sich vom Papst zum Kaiser 
                      krönen ließ, ging Hatto I. 895 nach Rom und erhielt dort 
                      von Papst Formosus die Georgsreliquie. Aller Wahrscheinlichkeit 
                      nach war das der Anlass zum Bau von St. Georg. Nach dem 
                      Tod Arnulfs 899 war Hatto I. Vormund des sechsjährigen Thronfolgers 
                      Ludwig IV.. 911 krönte er Konrad I. zum König des ostfränkischen 
                      Reiches. Speziell durch die Manuskripte aus dem 10. und 
                      11. Jahrhundert, die in herausragender Weise die ottonische 
                      Buchmalerei Deutschlands repräsentieren, hat das Kloster 
                      eine weitreichende Bekanntheit erreicht.
                     Im Zuge der Säkularisation ging der gesamte erhaltene Bestand 
                      der Handschriften 1805 in die Karlsruher Hofbibliothek und 
                      spätere Badische Landesbibliothek über. Dazu gehören 267 
                      Pergamenthandschriften, 162 Papierhandschriften und 212 
                      Fragmente und eine Auswahl der Inkunabeln.
                     Die alte Buchmalerei des Bodensee-Klosters Reichenau wurde 
                      im Jahre 2003 in das Weltdokumentenerbe der Weltkulturorganisation 
                      UNESCO aufgenommen. Die Bodensee-Insel Reichenau ist von 
                      der UNESCO bereits 2001 zum Welterbe erklärt worden.
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