|  Entstanden 
                ist nicht genau das Gut der Herren von Kanzach, genannt Bachritter, 
                das vor 700 Jahren in Sichtweite des Neubaus stand. Entstanden 
                ist eine Burganlage, wie sie nach dem aktuellen Stand der Forschung 
                im frühen 14. Jahrhundert existiert haben müsste: eine Burg aus 
                Holz! Das Freilichtmuseum zeigt mit Wohnturm, Palisade, Wohnstallhaus 
                der Bauern, Scheune, Schuppen mit Schmiede und Backofen sowie 
                einem Speicherbau das Anwesen eines Niederadeligen. Die Wissenschaftler 
                waren beim Nachbau auf das angewiesen, was sich über die Jahre 
                hinweg erhalten hat. So sind die Vorbilder der Burg teils aus 
                Baden-Württemberg, teils aus der Schweiz und natürlich aus Oberschwaben. 
                So konnte jeder einzelne Nachbau vom imposanten Turm bis zum kleinen 
                Spielpferdchen aus Keramik nach archäologischen Originalen und 
                erhaltenen Baudenkmälern gestaltet werden.Die entstandene Burg ist nicht nur neu, sondern sie sieht auch 
                neu aus - ein ungewohntes Bild des Mittelalters. Wenn man die 
                Ruinen alter Burgen besucht, vergisst man oft, dass auch diese 
                Baureste einst ein Richtfest hatten und modernste Zeugnisse der 
                damaligen Kultur waren. Genau diesen "Lebenszustand" im frühen 
                14. Jahrhundert will unsere Bachritterburg zeigen. Die Räume sind 
                so konzipiert, als ob der Bachritter mit seiner Familie und seinem 
                Gesinde jeden Moment zur Tür hereinkommen würde. Die Besucher 
                sollen in ihrer Fantasie eine Zeitreise in das beginnende Spätmittelalter 
                antreten und in die Rolle des Gastes auf der Bachritterburg schlüpfen. 
                Die Anlage ist kein "klassisches" Museum, in dem einzelne Stücke 
                vergangener Lebenswelten in Vitrinen liegen. In der Burg ist (noch?) 
                kein einziges Original zu sehen. Sie ist "lediglich" eine bisher 
                einzigartige Rekonstruktion der vergangenen Lebenswelt. Spätestens 
                wenn man über die sehr hohe Türschwelle des Wohnstallhauses stolpern, 
                merkt man, dass kein moderner Innenarchitekt an der Planung beteiligt 
                war.
 "Living history" ist eine in Deutschland ziemlich junge 
                Wissenschaftsdisziplin zwischen Experimenteller Archäologie und 
                Museumspädagogik. Ihr Ziel ist es, die oftmals trockenen und für 
                ein breites Publikum schwer zugänglichen Ergebnisse der Geschichtsforschung 
                aus dem Staub der Magazine heraus zu holen und auch aus der Rekonstruktion 
                der Vergangenheit zu lernen. Bei einem Besuch in der Bachritterburg 
                kommen selbst dem Fachmann Fragen in den Kopf, die er sich während 
                der täglichen Forschungsarbeit nicht stellt. Denn der Nachbau 
                einer kompletten Lebenswelt stößt schnell an die Grenzen der aktuellen 
                wissenschaftlichen Erkenntnis. Viele Lebensbereiche in der Burg 
                können nur aufgrund weniger Indizien rekonstruiert werden, teilweise 
                müssen Grabungsergebnisse aus weit entfernten Regionen Europas 
                bemüht werden. So ist die Bachritterburg - wie jede Rekonstruktion 
                - immer auch ein Abbild des aktuellen Wissenstandes, das ständig 
                aktualisiert werden muss. Hierfür ist das Team des ArchäoParks 
                Federsee zuständig. Dem Team gehören neben einem neuen Mittelalterarchäologen 
                vor allem die Wissenschaftler des überregional bekannten Federseemuseums 
                Bad Buchau an. Durch die neue Kooperation der beiden Museen kann 
                auch für die neue Burg ein hoher musealer Standard garantiert 
                werden. Von April bis Oktober sollen die Burg und das Federseemuseum 
                zum Treffpunkt für Archäologieinteressierte werden, die Geschichte 
                mit den Händen begreifen und auch selbst einmal mitmachen wollen.
  Die Bachritterburg 
                bietet jeden Sonntag um 14 Uhr eine freie Führung sowie regelmäßig 
                Kinderwerkstätten und Belebungen mit Handwerkern, Bauern und Rittern. 
                Am 18. April steigt das Frühlingsfest des ArchäoParks Federsee 
                in Bad Buchau und Kanzach und im Juli findet das Internationale 
                Bachritterfest - ein Stelldichein für Ritter, Musikanten und natürlich 
                Kaufleute und Handwerker aus ganz Europa - statt. Die Burgschänke 
                ist während der Öffnungszeiten in Betrieb und versorgt sie mit 
                deftigen Mittelaltergerichten, Bier nach mittelalterlichen Rezepten, 
                Kanzacher Kuchen und sonstigen Lebenselixieren.
 
 LITERATUR IN AUSWAHL:
 - Tilman Mittelstraß, Die Rekonstruktion einer hölzernen Turmburg 
                des Mittelalters aus dem Kraichgau. Kraichgau. Beiträge zur Landschafts- 
                und Heimatforschung 17, 2001, 43-49.
 - Tilman Mittelstraß, Die Bachritterburg in Kanzach. Bericht über 
                die Rekonstruktion einer hölzernen Turmburg des späten 13. Jahrhunderts 
                (Manuskript Regensburg 2001).
 - Sven-Hinrich Siemers, Willkommen in der Bachritterburg zu Kanzach! 
                Führungsblatt (Kanzach 2004).
 Text: 
                Dr. Siemers, Museum; Bild: Museum |