| Die Prachthandschrift der Ottheinrich-Bibel steht als Epochen übergreifendes
                Ausnahmewerk im Mittelpunkt der Ausstellung. Ihre monumentale
                Größe, ihr ungewöhnlicher Bilderreichtum, ihr
                innovatives Layout und ihre Volkssprachlichkeit zeichnen diese
                höfische Prachthandschrift aus. Zwei Auftraggeber bestimmten
                das Aussehen dieses Jahrhundertwerks. Herzog Ludwig der Bärtige
                von Bayern-Ingolstadt (1368–1447) gab sie um 1430 in Auftrag,
                Pfalzgraf Ottheinrich von Neuburg (1502–1559) ließ sie
                100 Jahre später um 1530 vollenden. Das eindrucksvolle Renaissanceschloss
                Neuburg verbindet beide Auftraggeber, es war die bevorzugte Nebenresidenz
                Ludwigs und der Residenzmittelpunkt Ottheinrichs, bevor dieser
              als Kurfürst nach Heidelberg ging.   Die Präsentation der Prachthandschrift in außergewöhnlicher
                Fülle – erstmals werden alle acht Bände und zahlreiche
                Einzelblätter gemeinsam gezeigt – wird begleitet von
                einer Fülle hochkarätiger Kunstwerke aus renommierten
                Museen, Bibliotheken und Archiven. Als weiterer Höhepunkt
                steht die Schlosskapelle Neuburg als der erste protestantische
                Kirchenraum in Deutschland mit ihrer Ausmalung mit einem protestantischen
                Bildprogramm im Blickpunkt. Die Präsentation der Ottheinrich-Bibel
                und ihrer Referenzwerke am authentischen Schauplatz, dem Schloss
                inmitten der beeindruckenden Altstadt, und die Besichtigung der
                restaurierten Schlosskapelle machen die Ausstellung zu einem
                einzigartigen Erlebnis. Die Zusammenstellung der 150 Kunstwerke
                von 43 Leihgebern aus sieben Ländern ist in dieser Weise
              nicht wiederholbar.   Im ersten Raum der Ausstellung wird mit einigen Schlüsselexponaten
                aus den großen staatlichen Bibliotheken in Wien, Prag,
                Heidelberg und München ein Bogen über das Jahrhundert
                der Entstehung der Ottheinrich-Bibel geschlagen, dessen Eckmarken
                das Konstanzer Konzil (1414-18) und die Reformation (1517) bilden.
                Eindrucksvoll vermittelt der mächtige Einband der Ottheinrich-Bibel
                aus der Forschungsbibliothek Gotha den Umfang dieser einst einen
                Band bildenden Handschrift, während die darin eingeklebten
                bayerisch-französischen Wappen auf Ludwig den Bärtigen
                verweisen, der als Bruder der Königin von Frankreich von
                der französischen Hofkultur geprägt den hohen Anspruch
              dieses Ausnahmewerks bestimmte.  Beiden Schaffensperioden der Bibelhandschrift und ihren Auftraggebern
                ist in der Ausstellung ein eigener Saal gewidmet, in dem jeweils
                die entsprechenden Bände und Seiten der Handschrift in einer
                zentralen Rotunde geradezu zelebriert werden, während rundum
                weitere Abteilungen gleichsam als Satelliten verschiedenste thematische
                Aspekte aufgreifen und mit kostbarsten Werken illustrieren. Die
                Ausstellungsarchitektur eröffnet dabei überraschende
              Sichtbeziehungen zwischen Werken unterschiedlichster Kunstgattungen.  Neun prächtige Bibelseiten zeigen in der ersten Rotunde
                den Glanz und die materielle Kostbarkeit der ersten Schaffensperiode,
                die dem Spätmittelalter angehörend schon allein durch
                die üppige Verwendung des Goldgrundes beeindrucken. Doch
                ist es vor allem auch die künstlerische Innovativkraft der
                beiden spätmittelalterlichen Buchmaler aus Regensburg, die überrascht
                und in den Bann zieht. Der Einfluss der italienischen Kunst eines
                Giotto ist in den Illuminationen von Tafelbildartiger Größe
                ebenso zu erkennen wie ein neuer expressiver Realismus und unbändige
              Erzählfreude.  Flankierend veranschaulicht eine Reihe herausragender Bibelhandschriften
                verschiedenster Typen bedeutende Etappen der Bibelübersetzung
                und ihrer Illustration im 14. und 15. Jahrhundert, darunter das
                berühmte Klosterneuburger Evangelienwerk von 1330 aus Schaffhausen
                mit seinen über 400 Randillustrationen, ein Plenarium aus
                dem Stadtarchiv Köln, das nach der Katastrophe des Archiveinsturzes
                eigens für die Ausstellung restauriert wurde, sowie die
              damals populären, reich illustrierten Historienbibeln.   Ein weiteres Ensemble widmet sich dem künstlerischen Umfeld
                der frühen Buchmaler der Ottheinrich-Bibel. Ihr Lehrmeister
                war der mit dem Notnamen belegte "Meister der Worcester-Kreuztragung".
                Erstmals werden die eigenhändigen Werke dieses herausragenden
                Meisters der süddeutschen Kunst des frühen 15. Jahrhunderts
                zusammen gezeigt: Das namengebende Tafelbild aus Chicago gemeinsam
                mit den Zeichnungen aus dem British Museum in London, dem Städelmuseum
                in Frankfurt und der Wiener Albertina. Dieses Stelldichein von
                Werken außerordentlichen künstlerischen Rangs zeigt,
                wie italienische Einflüsse und der drastische Passionsrealismus
                dieses Meisters in die Werke der Regensburger Buchmaler Eingang
              fanden.  Den kulturellen Kontext für Ludwigs Bibelauftrag erhellen
                kostbare Reliquiare, Goldschmiedewerke und Handschriften seiner
                außergewöhnlichen, ganz spätmittelalterlichem
                Heilsglauben verbundener Stiftungstätigkeit für seine
                Ingolstädter Herrschaftskirche. Die handgezählten,
                erhaltenen Werke können nahezu vollständig gezeigt
                werden, darunter Höhepunkte wie der Ingolstädter Psalter
                aus Heidelberg und das einzigartige Alabasterrelief Hans Multschers
              aus dem Liebieghaus in Frankfurt.  Der nächste Saal führt in die Epoche des Pfalzgrafen
                Ottheinrich, der die ererbte Prachtbibel ein Jahrhundert später
                durch den altdeutschen Meister Mathis Gerung, ein Schüler
                Hans Schäufelins, mit 117 Miniaturen vollenden ließ.
                Ottheinrichs umfassendes mäzenatisches Wirken in Neuburg
                als Bauherr, Kunstsammler und Auftraggeber sowie leidenschaftlicher
                Bücherliebhaber wird in herausragenden Werken demonstriert,
                darunter ein monumentales Chorbuch aus dem Bestand seiner Schlosskapelle,
                berühmte astrologische Prachtwerke aus der Heidelberger
              Universitätsbibliothek und kostbare Ottheinrich-Bucheinbände.  Die Mitte des Saals nimmt wiederum die Bibel-Rotunde mit neun
                Doppelseiten aus der Ottheinrich-Bibel ein, eindrückliche
                Bilder nun in der Formensprache der Renaissance, die erstmals
                mit vorbildhaften Referenzwerken von Dürer, Cranach und
                Mantegna in direktem Vergleich gezeigt werden. Den Vollender
                der Ottheinrich-Bibel, den Lauinger Künstler Mathis Gerung,
                würdigt die Ausstellung erstmals in seiner ganzen künstlerischen
                Bandbreite; eindrücklich tritt sein Talent als Tafelmaler
                in dem allegorischen Werk der "Melancolia" der späten
                Kurfürstenzeit Ottheinrichs aus der Kunsthalle Karlsruhe
                vor Augen, als Grafiker in dem spektakulären Riesenholzschnitt
                des Berliner Kupferstichkabinetts und seinen Illustrationen des
                Apokalypse-Kommentars.Während seiner Neuburger Regierungszeit vollzog Ottheinrich
                den Wechsel zum lutherischen Bekenntnis und führte 1542
                den neuen Glauben in seinem Fürstentum ein. In einer besonders
                eindrücklichen Gruppe wird dieser Glaubenswechsel mit Exponaten
                rund um die Pfalz-Neuburgische Kirchenordnung von 1543 dargestellt,
                in deren Mittelpunkt ein Widmungsexemplar an Ottheinrich aus
                der Vatikanischen Bibliothek steht. Das darin eingeklebte Porträt
                des in Neuburg wirkenden Reformators Andreas Osiander von der
                Hand des bedeutenden Nürnberger Meisters Georg Pencz ist
              ein Höhepunkt der Ausstellung.
  Ottheinrichs Auftrag zur spektakulären Ausmalung seiner
                neu errichteten Schlosskapelle unter protestantischem Vorzeichen
                mit einem über 40 Darstellungen umfassenden Bibelzyklus
                wird in den weiteren Abteilungen beleuchtet. Eine konzise Folge
                früher gedruckter und illustrierter Bibeln von der Kölner
                Bibel aus der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zu den prägenden
                Ausgaben der Lutherbibel veranschaulicht die Genese des Neuburger
                Kapellenprogramms aus der zeitgenössischen Bibelillustration.
                Damit wird ein neuer Ansatz zur Analyse des Neuburger Bildprogramms
                vorgestellt, der im Katalog zur Ausstellung vertiefend dargestellt
                ist. Die Schlüsselwerke der Ausstattung der Schlosskapelle
                wie das Widmungsrelief, ein Thronbaldachin Ottheinrichs und die
                Glocke mit dem Psalm 111 sind versammelt. Eine eindrückliche
                Installation von frühem liturgischem Abendmahlgerät
                der Reformationszeit aus Kirchen in Augsburg und Regensburg zeigt,
                wie das neue Bekenntnis zu neuen Formen liturgischen Gefäße
              fand.  Der einstige Zugang des Fürsten aus diesem Saal der Ausstellung
                auf die Fürstenempore der Schlosskapelle eröffnet heute
                als verglastes Fenster einen beeindruckenden Blick aus nächster
                Nähe auf die Ausmalung an den Emporenwänden und der
                Decke der Kapelle. Das umfassende Raumerlebnis schafft die den
                Ausstellungsrundgang beschließende Besichtigung der Kapelle
                selbst, die der italienisch geschulte Künstler der Ausmalung,
                Hans Bocksberger d. Ä., mit seinem innovativen Illusionismus
                sowie italienische Steinmetze zu einem Meisterwerk der Renaissance
                gestalteten. Mit didaktischen Tableaus, mit Audiostationen zu
                Musik und Predigt der Reformationszeit und mit einer Medienstation
                zum Bildprogramm werden künstlerische und religionspolitische
              Bedeutung der Neuburger Schlosskapelle gewürdigt.  Weitere Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm
                mit einer Vortragsreihe, einem Konzert, Themenführungen
                und Workshops für Kinder in den Pfingstferien finden Sie
                unterwww.ausstellung-neuburg.de
 Schloss Neuburg an der Donau, 12. Mai - 7. August 2016, täglich
                9-18 Uhr
 Der Ausstellungskatalog im Verlag Schnell & Steiner ist an
            der Schlosskasse für 26,- € erhältlich
 Text: Bayer. Schlösserverwaltung |