| Die Wittelsbacher und die Kronen
                 Der Anspruch Ruprechts auf die Königskrone kam nicht
                  von ungefähr. Das Kaisertum seines Ur-Großonkels
                  Ludwig des Bayern (1314-1347) trug sicher zum Selbstverständnis
                  des Pfälzers bei, zumal gerade der Streit mit Ludwig um
                  die Pfalzgrafschaft Nachwirkungen auf die Selbstbehauptung
                  von Ludwigs Neffen Rudolf und Ruprecht hatte. Die Inanspruchnahme
                  Ludwigs des Bayern für die pfälzische Linie der Wittelsbacher
                  aber erweist sich klar aus der Aufnahme in die Ahnengalerie
                  am Friedrichsbau im Heidelberger Schloss.
                  Der unruhige und zu Höherem drängende Geist der
                  Pfälzer war es auch, der sie zur Führung der calvinistischen
                  Partei berufen erscheinen ließ, der die Interventionskriege
                  im Frankreich des 16. Jahrhunderts und schließlich 1619
                  den Griff nach der böhmischen Königskrone verursachte.
                  Dieser Griff war allerdings bekanntermaßen eher ein Griff
                  ins Wespennest und kostete den Pfälzer in der Niederlage
                  gegen die habsburgisch-bayrische Allianz 1622 auch Krone und
                  Kurpfalz.
                  Auch nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges
                  hatte Kurfürst Karl Ludwig keine glücklichere Hand
                  in seiner Politik. Ein von Frankreich abhängiges Königreich
                  Austrasien (1672) war sein Ziel, für das er nicht nur
                  seine Tochter Liselotte (1671 mit Philippe von Orleans, dem
                  Bruder Ludwigs XIV., verheiratet) einsetzte, sondern auch gleich
                  ein großes Barockschloss in Mannheim plante. Das Ergebnis
                  war allerdings der Pfälzische Erbfolgekrieg, der in der
                  Pfalz keinen Unschuldigen traf, sondern eher die im historischen
                  Bewusstsein Frankreichs immer noch lebendige unruhige aggressive
                  Großmacht des vergangenen Jahrhunderts.
                  Nach dem Bemühen des bayerischen Vetters Maximilian
                  um die spanische Königskrone, die im spanischen Erbfolgekrieg
                  ihn und seinen Bruder auf dem Kölner Erzbischofsstuhl
                  politisch in Verruf und in die Reichsacht brachten, steht als
                  letzte in dieser Reihe die um 1708 geführte Diskussion
                  um die Königskrone von Armenien. Kurfürst Johann
                  Wilhelm, der noch in seinen niederrheinischen Stammlanden residierte,
                  liebäugelte kurz mit dieser Möglichkeit, steckte
                  aber dann angesichts der möglichen Verwicklungen in die
                  Politik der Großmächte schnell zurück. Übrig
                  blieb wieder einmal ein Schlossprojekt, das im Bereich der
                  heutigen Heidelberger Weststadt einen Komplex von gigantischen
                  Ausmaßen vorsah.
                  So stellt sich in der Mitte des 18. Jahrhunderts die politische
                  Landschaft der deutschen Kurfürstentümer so dar,
                  dass die böhmische Königskrone (in der Hand der Habsburger)
                  die einzige genuine unter den Kurfürstentümern ist,
                  während der Kurfürst von Brandenburg seit 1701 König
                  von Preußen ist, der Kurfürst von Sachsen seit 1694
                  König von Polen und der Kurfürst von Hannover seit
                  1708 König von England. Nur die beiden Wittelsbacher Kurfürsten,
                  deren Familie am frühesten sich um Königskronen bemüht
              hatte, gingen immer noch leer aus.                
               Dieser Text entspricht dem Stand der Bearbeitung von 2000.
                  Er steht 2013 zur gründlichen Überarbeitung und Ergänzung an. |