|                        „kkaarrlls“ ist der
                      Titel einer Edition von Designobjekten, die in den vergangenen
                      Jahren an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung
                      Karlsruhe (HfG) im Fachbereich Produkt-design entstanden
                      sind. Die Editionsobjekte – Möbel, Leuchten,
                      Wohnaccessoires – besitzen trotz ihrer äußeren
                      Vielfalt eine Gemeinsamkeit: den unkonventionellen Entwurfs-ansatz.
                      Dieser bricht mit gewohnten und bekannten Formen und ermöglicht
                      eine neue Sicht auf die uns umgebende Dingwelt. Die jungen
                      Designer entwickeln in der Regel kei-ne fundamental neuen
                      Lösungen. Vielmehr konzipieren sie die wesentlichen
                      Merkmale, beispielsweise die Konstruktion oder die Materialität
                      der Gegenstände, konsequent an-ders als bislang üblich.
                      Das Ergebnis dieses gestalterischen „um die Ecke
                      Denkens“ ist ein neues Verständnis des jeweiligen
                      Produkts und seiner originären Funktionen.  I. kkaarrlls – Denkanstöße für
                        das Design der Zukunft 
  Die Edition „kkaarrlls“ stellt nicht allein
                      modische Neuheiten vor. Sie trägt gleichermaßen
                      zur aktuellen Designdiskussion bei und liefert Denkanstöße
                      für das Design der nahen Zukunft. Die vorgestellten
                      Entwürfe sind nicht nur anders gestaltet, sondern
                      sie stam-men von Designern, die aufgrund ihrer eigenen
                      Vita anders denken, anders handeln und teilweise auch anders
                      leben als die Generationen vor ihnen. Die Designer von „kkaarrlls“ stehen stellvertretend
                      für die nachrückende Designer-generation, die
                      in wenigen Jahren entscheidend an zentralen Fragen der
                      Gestaltung der Zukunft arbeiten wird. Diese heute noch
                      junge Generation wird dem Design, beeinflusst von Veränderungen
                    in Gesellschaft, Technologie und Materialent
 II. Design einmal „anders als immer“ 
  Viele Objekte der Edition „kkaarrlls“ stellen
                      Altbekanntes in einen neuen Kontext, sie verfremden überlieferte
                      Formen oder verwenden bekannte Materialien anders als ge-wohnt.
                      Dabei offenbart sich, wie festgefahren unsere Vorstellungen über
                      das Aussehen oder die Funktionsweise von Objekten durch
                      eine jahrelange Prägung sind. Ruft man sich beispielsweise
                      ein Regal vor Augen, erscheint das Bild einer statischen
                      Konstruktion mit rechtwinkliger Facheinteilung. Als Materialien kommen
                      solide Stoffe wie Holz oder Metall in den Sinn, keinesfalls
                      weicher, flexibler Schaumstoff. Das Regal „Zinfandel“ besteht
                      jedoch, zumindest was seine Rahmenkonstruktion betrifft,
                      gerade aus diesem weichen Material. Seine Stabilität
                      erhält das Regal eben nicht wie gewöhnlich durch
                    den Rahmen, sondern durch die eingeschobenen Kisten.
 III. Designer als „Feldforscher“ unserer
                        Gesellschaft 
  Designer gestalten mit den von ihnen entworfenen Gegenständen
                      unser Umfeld ständig neu und verändern es. Sie
                      beobachten Lebensformen, Lebensgepflogenheiten oder Vor-lieben
                      einzelner Personen, bestimmter Personengruppen oder der
                      Gesellschaft allgemein. Die Bedürfnisse oder Eigenheiten,
                      die sie bei ihrer „Feldforschung“ registrieren,
                      können Impulse für neue Entwürfe liefern. Kilian Schindlers Auseinandersetzung mit der Schrebergartenkultur
                      und ihren Gartenlau-ben führte beispielsweise zu seiner
                      nicht allein raumgreifenden, sondern „Raum bilden-den“ Leuchte „Potlight“.
                      Sie verweist auf die Vorliebe der Menschen nach beschützten
                      Orten des privaten Rückzugs und stellt gewissermaßen
                      eine elektrifizierte Form der „Ur-hütte“ dar.
                      Und manch puristischer Ästhet und Loft-Bewohner dürfte
                      sich diese „Urhüt-te“ in seine großflächig-nüchterne,
                      nur wenig Rückzugsecken bietende Wohnetage stel-len,
                      um dort ein Gefühl von Geborgenheit oder „deutscher
                    Gemütlichkeit“ zu erlangen.
 IV. Design im materialen Wandel 
  Designer werden regelmäßig mit neuen Materialien
                      und Fertigungstechniken konfrontiert. Diese eröffnen
                      unbekannte oder bislang undenkbare Wege der Gestaltung,
                      erfordern jedoch zunächst ein analysierendes, visionäres
                      Denken, wie daraus Produkte entwickelt werden können. In Reaktion auf die technischen und materialen Innovationen
                      durchläuft die Disziplin Design einen kontinuierlichen
                      Wandlungsprozess. Dabei stellt sie auch bislang verbindli-che
                      Fakten in Frage. Beispielsweise die Annahme, dass ein Entwurf,
                      wenn der Designer den Gestaltungsprozess abgeschlossen
                      hat, unveränderlich ist. Die Objektserie „Form-los“ von
                      Laura Jungmann beweist das Gegenteil: Das zähflüssige
                      Material Bitumen hält den Entwurfsprozess im ständigen
                      Fluss. Die Designerin überlässt die Formgestaltung
                      zufälligen Parametern wie der Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit
                      oder mechanischen Ein-flüssen. Diese wirken unvorhersehbar
                      auf das Material ein und bestimmen die sich kon-tinuierlich
                    wandelnde Form des Objekts.
 V. Neue Lebensformen – eine
                      Herausforderung für
                      das Design 
  Designer machen sich zurzeit verstärkt Gedanken über
                      das leichte Anpassen von Mobili-ar an vorgefundene räumliche
                      Situationen. Als „moderne Nomaden“ wechselt
                      die junge Generation häufig die Wohnorte. In kürzester
                      Zeit müssen sie sich im neuen Lebensraum einrichten.
                      Flexibles, formbares und nicht zu umfangreiches „Hab
                      und Gut“ erleichtern das nomadische Herumziehen.
                      Eine solche Flexibilität zeichnet beispielsweise den „Hochstapler“ aus.
                      Er besteht aus mehreren Einzelkomponenten, die sich beliebig über-
                      oder nebeneinander stellen lassen. Dabei entstehen immer
                      wieder neue Ansichten des Möbelstücks. Ein weiterer
                      Vorteil der kleinformatigeren Einzelteile ist, dass ein
                      Umzug mit derart gestalteten Möbelstücken buchstäblich
                    leichter von der Hand geht. VI. kkaarrlls – Beispiele für zeitgenössisches
                      Autorendesign 
  Der Begriff Autorendesign umschreibt eine Spielart des
                      Produktdesigns, bei der sich ein Designer aus eigenem Interesse
                      der freischöpferischen Gestaltung eines Objektes wid-met.
                      Die Entwürfe entstehen allein aus der kreativen, reflektierenden
                      Geisteshaltung der Designer heraus; sie obliegen keinen
                      Vorgaben durch Auftraggeber oder anderweitigen Zwängen.
                      In Abgrenzung zum zweckfreien Kunstobjekt besitzen sie – formal
                      betrachtet – weiterhin einen Funktions- oder Gebrauchscharakter.
                      Dieser rückt jedoch, reduziert zur Assoziation, zuweilen
                      in den Hintergrund. Das Interesse des Designers beim Autorendesign gilt nicht
                      mehr allein der Funktion, dem Gebrauchswert eines Objektes.
                      Vielmehr stehen das Konzept, die Materialien oder der Gestaltungsakt
                      an sich im Mittelpunkt ihres Interesses. Die oft ungewöhnlichen
                      Gestal-tungsansätze des Autorendesigns geben nicht
                      selten Impulse für ein Überdenken von überlieferten
                      Formen und Produkttypen. Das Autorendesign stellt somit
                      einen grundle-genden Faktor für die Weiterentwicklung
                    des Designs dar.
 VII. Design=Kunst=Design? „
                      Design Art“, Designkunst, Kunstdesign – die
                      Grenzen zwischen Design und Kunst ver-schwimmen. Eine verbindliche
                      Definition, was noch Design oder schon Kunst ist oder umgekehrt,
                      erscheint unmöglich. Die Beurteilung wird sich, abhängig
                      vom Blickwinkel oder dem subjektiven Anspruch des Besitzers
                      oder des Gestalters, ständig ändern.
 Bislang unterschieden verschiedene Parameter zwischen „Kunst“ und „Design“.
                      Die Kunst galt als „unbenutzbar“, diente der
                      reinen Betrachtung und grenzte sich dadurch vom „benutzbaren“ Designobjekt
                      ab. Dieses Unterscheidungskriterium gilt mittlerweile nicht
                      mehr, denkt man etwa an die jüngst realisierten benutzbaren
                      Kunstcafé-Installationen des Künstlers Tobias
                      Rehberger. Ebenso verliert die „Einheit von Entwurf
                      und Ausführung“ als Kennzeichen für die
                      Kunst an Bedeutung. Denn zeitgenössische Künstler
                      wie Jeff Koons oder Olafur Eliasson realisieren ihre Projekte
                      mit Hilfe vieler Mit-arbeiter. Und die Kategorisierung „Einzelstück=Kunst“ und „Serienprodukt=Design“ gilt
                      bereits seit Andy Warhols seriellen, 1964 entstandenen „Brillo-Boxes“ als überholt.
 Als Einzelstücke oder in Kleinauflage gefertigte Designobjekte
                      von „Stardesignern“ genießen dagegen
                    mittlerweile Kunstwerkstatus und erzielen Hochpreise.
 Heidrun Jecht M.A., Kuratorin der Ausstellung „Design:
                      kkaarrlls! Perspektiven für den Hausrat von morgen“ im
                    Badischen Landesmuseum/Museum beim Markt                       |