Das Ausstellungsprojekt Aufgrund ihrer geografischen Lage spielen die beiden Grenzregionen
Elsass und Lothringen im Zusammenhang mit den Gedenkfeierlichkeiten
zum Ersten Weltkrieg eine besondere Rolle. Sie waren ein Konfliktgegenstand
dieses Krieges: Das seit 1871 vom Deutschen Kaiserreich verwaltete
Reichsland Elsass-Lothringen fiel 1918 wieder an Frankreich. Die
Geschichte der beiden Regionen ist also eng mit dieser tragischen
Periode verbunden, und die Erinnerung an die Schlachten des Ersten
Weltkriegs wird nach wie vor als ein wesentlicher Bestandteil der
regionalen Geschichte und Identität gelebt.
Die Kämpfe auf elsässischem und lothringischem Boden
haben die Landschaft dauerhaft verändert (vor allem im Südelsass,
in den Vogesen und im Departement Meuse), auch der Boden trägt
noch die Spuren der vielen kriegsbedingten Bauten, insbesondere
von Schützengräben und unterirdischen Befestigungen.
Bei großen Infrastrukturvorhaben in der Region werden daher
nicht selten Funde aus dem Ersten Weltkrieg zutage gefördert.
Außerdem bieten zahlreiche Gedenkstätten und Kriegsschauplätze
(Saint- Mihiel, Vauquois, Verdun, aber auch die Feste Mutzig, die
Forts um Straßburg, die Schlachtfelder Hartmannsweilerkopf,
Le Linge, La Tête des Faux u. a.) schon seit langem
Besucherführungen
an, die sich als Teil der Erinnerungsarbeit verstehen und nach
wie vor auf großes Interesse stoßen.
Die archäologische Untersuchung der jüngeren Kriegsschauplätze,
insbesondere des Ersten Weltkriegs, ist ein neuer Forschungszweig,
der vor allem der Geschichtsforschung zahlreiche Perspektiven eröffnet.
Auch liefert er wichtige Aufschlüsse über den Alltag
der Frontsoldaten. Im letzten Jahrzehnt konnten im Elsass und in
Lothringen bei archäologischen Präventivgrabungen an
Feldbefestigungsanlagen viele neue Erkenntnisse gewonnen werden,
beispielsweise erst vor kurzem an den Standorten Geispolsheim Schwobenfeld
im Departement Bas-Rhin und Carspach Kilianstollen im Departement
Haut-Rhin.
Die Ausstellung zieht eine erste Bilanz dieser Forschungsarbeiten
und präsentiert einen breiten Überblick über die
Grabungsfunde der Standorte in Elsass und Lothringen sowie über
die freigelegten Feldbefestigungen an der Front und im Fronthinterland.
Anhand der rund 60 bisher untersuchten Grabungsstätten in
der Region wird eine Vielzahl historischer und archäologischer
Fragestellungen aus verschiedenen Fachgebieten beleuchtet. Ein
Abschnitt der Ausstellung macht auch mit den zuweilen bemerkenswerten
archäologischen Funden bekannt, die ab Ende 1914 bei der Errichtung
der zahlreichen Feldbefestigungen in diesen beiden Regionen zutage
gefördert wurden.
Darüber hinaus will die Schau Verständnis für die
Problematik der Bewahrung dieses empfindlichen und bedrohten Militärerbes
schaffen und auf Bestrebungen zum Schutz dieser Orte der Erinnerung
und des Gedenkens hinweisen. Diese Maßnahmen sind umso dringlicher,
als im Zusammenhang mit großen Bauvorhaben immer mehr materielle
Zeugnisse der Vergangenheit zerstört werden. Eine weitere
Bedrohung stellen Plünderungen dar, die durch die isolierte
Lage der Kriegsschauplätze begünstigt werden. Verantwortlich
hierfür sind geldgierige und skrupellose Sammler, deren Grabungen
großen Schaden anrichten. Weiter geschürt wird dieses
Phänomen heute durch die vielen Möglichkeiten des Verkaufs
oder Tauschs im Internet.
Die Ausstellung ist Teil der Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag
des Ersten Weltkriegs. Sie wird in Zusammenarbeit mit dem Pôle
d’Archéologie Interdépartemental Rhénan
und den Regionalen Ämtern für Archäologische Forschung
von Lothringen und Elsass durchgeführt.
Ein innovatives Projekt mit zahlreichen Wissenschaftspartnern
Die Ausstellung ist von Mitte Oktober 2013 bis Ende Dezember 2014
im Straßburger Archäologischen Museum zu sehen. Sie
wird vom Museum in wissenschaftlicher Partnerschaft mit dem Pôle
d’Archéologie Interdépartemental Rhénan
und den Regionalen Ämtern für Archäologische Forschung
von Lothringen und Elsass durchgeführt. Die wissenschaftliche
Steuerung und Koordination liegen in den Händen eines multidisziplinären
Teams unter Leitung von Michaël Landolt (PAIR, Sélestat),
Stéphanie Jacquemot und Jean-Pierre Legendre (SRA Lorraine,
Metz), die die Ausstellung gemeinsam mit der Leiterin des Straßburger
Archäologischen Museums ko-kuratieren. Beratend wird sie von
General Jean-Claude Laparra, Spezialist für Militärgeschichte,
unterstützt.
Rund 50 weitere Sachverständige, Amateure und Fachleute,
von denen sich die meisten schon seit langen Jahren in Vereinen
für die Erhaltung, Untersuchung und Pflege dieser Standorte
einsetzen, unterstützen das Projekt mit ihren wissenschaftlichen
Beiträgen zum Ausstellungskatalog. Viele von ihnen haben
bereits an der großen Zusammenfassung mitgewirkt, die 2011
unter der Leitung von Stéphanie Jacquemot und Jean-Pierre
Legendre (ebenfalls Kuratoren der Straßburger Ausstellung)
in Lothringen veröffentlicht wurde ( „Vestiges de
guerres en Lorraine. Le patrimoine des conflits mondiaux“).
Die meisten Exponate der Ausstellung stammen aus den Grabungen
der letzten Jahre, in der Hauptsache auf Initiative und unter Leitung
des Pôle d’Archéologie Interdépartemental
Rhénan (Grabung Michaël Landolt), aber auch des Institut
national de recherches archéologiques préventives
und des Unternehmens Antea-Archéologie. Einige Stücke
wurden sogar erst im Frühjahr 2013 aus der Erde befreit! Ein
Teil der Carspacher Funde wurde so gut wie vollständig von
den Restauratorinnen des Pôle d’Archéologie
Interdépartemental Rhénan behandelt und restauriert.
Eine Reihe ergänzender Leihgaben stammt aus anderen Einrichtungen
(Gedenkstätte Verdun) sowie von Historikern und Liebhabern,
die sich schon seit langem mit dieser geschichtlichen Periode in
Ostfrankreich beschäftigen. Wissenschaftliche Kontakte bestehen
auch zum Militärhistorischen Museum der Bundeswehr, das dem
Kriegsschauplatz Carspach in der für 2014 in Zusammenarbeit
mit dem Pôle d’Archéologie Interdépartemental
Rhénan geplanten Ausstellung „1914. Ein Tag der Rosen
im August“ einen großen Abschnitt widmen wird.
Unter der Leitung des Kulturreferats der Stadt Straßburg
werden Partnerschaften und Öffentlichkeitsarbeit mit den anderen
Kultureinrichtungen der Stadt abgestimmt, die aus Anlass dieses
100. Jahrestags ebenfalls Ausstellungen und Veranstaltungen durchführen.
MUSEEN DER STADT STRASSBURG
Joëlle Pijaudier-Cabot
Conservatrice en chef du Patrimoine,
Direktorin der Straßburger Museen
ARCHÄOLOGISCHES MUSEUM
Ausstellungskuratoren:
Bernadette Schnitzler, Leiterin des Archäologischen Museums,
in Zusammenarbeit mit Michaël Landolt, Pôle d’Archéologie
Interdépartemental Rhénan, Stéphanie
Jacquemot und Jean-Pierre Legendre, Ministerium für Kultur
und Regionales Amt für Archäologische
Forschung Lothringen
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