|                       60 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland
                      und der DDR und zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer zeigt
                      die Ausstellung, wie die Künstler aus beiden Teilen
                      des Landes Zeitgeschichte in ihren Werken reflektiert haben.
                      Anhand von etwa 350 Gemälden, Skulpturen, Fotografien,
                      Videos, Installationen und Büchern von 120 Künstlern
                      wird deutlich, wie die Formen der Kunst mentale, kulturelle
                      und politische Inhalte transportieren, ohne sie im Sinne
                    politischer Botschaften zu instrumentalisieren. Fünf Sektionen in chronologischer Abfolge gliedern
                      den Rundgang: »Kontinuität oder Neubeginn? 1945–1949«, »Streit
                      um das Menschenbild 1950–1959«, »Zeitgenossenschaft« und »Trauma
                      der Vergangenheit« für die Jahre 1960 bis 1979
                      und »Wahnzimmer Deutschland 1980–1989«. Kontinuität oder Neubeginn? Die Ausstellung beginnt mit der Frage nach Kontinuität
                      oder Neubeginn. Sie zeigt zwischen »bedingungsloser
                      Kapitulation« und der doppelten Staatsgründung
                      1949, wie deutsche Künstlerinnen und Künstler
                      auf den Zivilisationsbruch der Nationalsozialisten und
                      den Zweiten Weltkrieg reagierten. Viele von ihnen griffen
                      auf künstlerische Traditionen vor der NS-Zeit zurück.
                      Diese Kontinuität widerspricht der Auffassung der
                      historischen Situation als einer »Stunde Null«.
                      Dennoch hatten viele Künstler die Vorstellung von
                    einem Neuanfang.
 Streit um das MenschenbildDer unerschütterliche Held der Zukunft ist das Sujet des Sozialistischen
  Realismus, während die informelle Malerei Ausdruck des befreiten Subjekts
  sein will.
 Denkmalwettbewerbe konkurrieren um die Aufmerksamkeit
                      der Zeitgenossen. Das an der Sektorengrenze in Westberlin geplante Denkmal
                      des unbekannten politischen Gefangenen versteht sich als
                      Widerpart zum sowjetischen Siegesdenkmal in Ostberlin und
                      klagt die Unfreiheit im sowjetischen Machtbereich an. Das Buchenwald-Ehrenmal mit der Skulpturengruppe von Fritz
                      Cremer wird zum Symbol des Antifaschismus in der DDR. ZeitgenossenschaftDer Begriff der »Zeitgenossenschaft« steht für die Erweiterung
  des Kunstbegriffs und den künstlerischen Gebrauch der neuen Medien. Zugleich
  beginnt in diesen Jahren die historische und künstlerische Aufarbeitung
  des Nationalsozialismus sowie die Radikalisierung verschiedener politischer
  und Künstlergruppen.
 Der Kapitalistische Realismus, inspiriert durch die angloamerikanische
                      Pop Art, wird die Kunst des Wirtschaftswunders. Neue Medien,
                      Fluxus, Happening und Körperkunst verflüssigen
                      den auf Staffeleigemälden und Skulpturen fixierten
                      statischen Kunstbegriff. Im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen und
                      der Studentenbewegung tritt der linke Künstler auf
                      und visualisiert die »Richtkräfte einer neuen
                      Gesellschaft« (Joseph Beuys, 1975). Wahnzimmer Deutschland Die achtziger Jahre lassen aus dem Ideal deutscher Innerlichkeit,
                        dem Wohn-Zimmer, ein Wahn-Zimmer werden. Die Aufrechterhaltung
                        des Status quo im geteilten Deutschland nahm wahnhaften
                        Charakter an. Wurden doch in der DDR Freiräume künstlerischer
                        und gesellschaftlicher Kritik erkämpft und auch
                        in der Bundesrepublik Deutschland hatten die großen
                        Meta-Erzählungen von Sozialismus und Kapitalismus
                        ihre Glaubwürdigkeit verloren. Das Wandbild in der
                        Paulskirche zur 48er Revolution (Johannes Grützke)
                        in Frankfurt am Main und die »frühbürgerliche
                        Revolution« als Panoramagemälde in Bad Frankenhausen
                        von Werner Tübke befragen kritisch die Identität
                        der Deutschen in Ost und West. Die Epoche des Kalten
                        Kriegs endete mit der Maueröffnung am 9. November
                    1989.
 Trauma der Vergangenheit Die Gegenwart der Vergangenheit thematisieren Maler wie
                        Georg Baselitz und Anselm Kiefer, aber auch Bernhard
                        Heisig und Werner Tübke. Die durch das »Wirtschaftswunder« in
                        der Bundesrepublik bzw. den »Aufbau des Sozialismus« in
                        der DDR gleichermaßen verdrängte Geschichte
                        kehrt wieder in Gestalt dunkler Phantasmagorien. Die
                        Söhne der Täter und Opfer malen sich als innerlich
                        und äußerlich ramponierte Landsknechte in
                        abgerissenen Uniformen, die im Bewusstsein der Unmöglichkeit
                        einer Rückkehr zu den Orten der Kindheitruhe- und
                        orientierungslos durch ein unwiederbringlich zerstörtes
                        Land herumirren. In die zerstörte Heimat stellt
                        sich Georg Baselitz mit Tornister und Malwerkzeug, Mauern
                        durchbrechend, verletzt und eingeklemmt von Hand- und
                        Fußfallen als Vertreter einer allein gelassenen
                    Generation.
 Bernhard Heisig verarbeitet in seinen Bildern der Pariser
                      Kommune nicht das historische Vorbild der Oktoberrevolution,
                      sondern die eigenen Kriegserfahrungen gegen den Vorwurf
                      des Geschichtspessimismus. Wolfgang Mattheuer beginnt mit
                      Kain, dem biblischen Bild der feindlichen Brüder,
                      seine gemalten mythologischen Gleichnisse und bearbeitet
                      das Trauma der Teilung. Werner Tübke im Osten und
                      Wolf Vostell im Westen reagieren 1964/65 auf den Auschwitz-Prozess
                      in Frankfurt am Main. Ende der sechziger Jahre schockiert Anselm Kiefer mit
                      seinen symbolischen Besetzungen. Er fotografiert sich mit
                      zum Hitlergruß erhobenen Arm in den ehemals von der
                      Deutschen Wehrmacht besetzten Ländern. Stellvertretend
                      für die Deutschen nimmt Kiefer in einer Art Selbstversuch
                      die Nazi-Identität an. Diese symbolischen Besetzungen
                      sind ein erster Bruch des nachkriegsdeutschen Bilderverbotes,
                      ein Tabubruch, nach der Verdrängung der Vergangenheit
                      in den fünfziger Jahren. |