| Die Kelten – Druiden. Fürsten. KriegerMeinrad Maria Grewenig Immer noch scheint es, dass das Bild und die Zeit der
                      Kelten in der Großregion mit dem Saarland, Rheinland-Pfalz,
                      Luxemburg, Lothringen und Südbelgien, für die
                      Menschen „ein Buch mit sieben Siegeln“ ist.
                      Dass in dieser Region die keltischen Stämme etwa 500
                      v. Chr. bis 50 v. Chr. eine besondere und herausragende
                      Kultur geschaffen haben, ist nur wenigen Kennern und Wissenschaftlern
                      bekannt. Das Bild dieser außergewöhnlichen keltischen
                      Kultur war bisher für einen großen Nutzerkreis
                      nicht zusammenhängend und systematisch vorgestellt
                      worden, auch ist es weder in Büchern, noch Filmen
                      zusammenhängend präsentiert worden. Dies soll
                      den Verdienst hochkenntnisreicher, monographischer Darstellungen
                      Zur keltischen Kultur, die vor allem in jüngster Zeit
                      erschienen sind, nicht schmälern. Ein allgemeiner
                      Blick auf die Kelten und ihre Kultur war bisher breit nicht
                      möglich. Ein interessierter Suchender in der Großregion im
                      Zentrum Europas hat es sehr schwer, die Spuren keltischer
                      Kultur aufzuspüren, sind es doch eine Reihe von Komplikationen,
                      die den Zugang erschweren. Wir wissen aus der Schilderung
                      römischer und griechischer Schriftsteller, dass die
                      Druiden, die Seher, geistigen Anführer und Inhaber
                      des keltischen Wissens, jede Form von schriftlichen Aufzeichnungen
                      untersagt haben. Folglich fehlt dieser Kultur ein zentrales
                      Kriterium, das landläufig eine Hochkultur kennzeichnet,
                      die schriftlichen Aufzeichnungen und die lebendige Dokumentation
                      ihres Lebens. Mit dem Sieg der Römer über die
                      Gallier, bzw. die Kelten um 50 vor Christus, endet die
                      direkte Tradierung dieser Kultur in Mitteleuropa plötzlich
                      und umfassend. Das Keltenbewusstsein, wie es etwa in Wales,
                      Schottland, Irland und in Großbritannien gepflegt
                      wird, fehlt über Jahrhunderte in Mitteleuropa vollständig.
                      Zwar haben große Forschungsprojekte zu den keltischen
                      Fürstensitzen die Kenntnisse zu den Kelten in Europa
                      deutlich verbessert, doch wurden diese Ergebnisse lediglich
                      im wissenschaftlichen Rahmen vorgestellt. Für die allgemeine Kenntnis keltischer Kultur haben
                      die großen Ausstellungen, die seit der ersten Ausstellung
                      dieser Art zu den Kelten 1980 in Salzburg oft mit zehn
                      Jahren Abstand durchgeführt wurden, wesentliches geleistet. Seit der großen Keltenausstellung 1991 im Palazzo
                      Grassi in Venedig ist zumindest das Thema Kult und gehört
                      zu den Sehnsuchtswelten unsere Zivilisation. Diese Ausstellung
                      hat nicht nur dadurch Museumsgeschichte geschrieben, dass
                      sie „Die Kelten als erste Europäer“ thematisiert
                      hat, diese Ausstellung hat auch zum ersten Mal überhaupt
                      eine Million Ausstellungsbesucher angezogen. Seitdem ist
                      eine reiche Reenactment-Szene entstanden, die sich außerhalb
                      der universitären und archäologischen Forschungsstätten
                      um das Thema keltische Kultur kümmert und diese Kultur
                      anhand rekonstruierter Kleider, Werkzeug, Waffen in ihren
                      lebensweltlichen Dimensionen nachspielt. Seit diesem Zeitpunkt
                      ist das Thema Kelten ein Mythos. Trotzdem bleibt es sehr schwer, keltische Kultur im Überblick
                      zu erleben. Zwar haben die großen musealen Anstrengungen
                      an den großen Kelten-Ausgrabungsorten, wie dem Titelberg
                      in Luxemburg oder dem Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim,
                      inzwischen Abhilfe geschaffen, was die örtliche Ausstellungssituation
                      und -forschung betrifft, aber eine zusammenhängende
                      dauerhafte Präsentation keltischer Kultur in Europa
                      existiert nicht. Ein an keltischer Kultur interessierter
                      Museumsbesucher muss immer noch eine Reihe großer
                      Landes- oder Nationalmuseen besuchen, um sich anhand der
                      dort ausgestellten Museumsexponate einen Überblick
                      zu verschaffen. Viel dazu beigetragen haben auch die Umstände
                      der Wiederentdeckung keltischer Kultur im 19. Jahrhundert,
                      die zum Teil ortsfremde museale Konzentrationen nach sich
                      zog. Fast 2.000 Jahre von der Geschichte vergessen, haben Goldgräber
                      und Archäologen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts
                      erstmals wieder bewusst Fundstücke keltischen Ursprungs
                      aus der Erde geborgen. Die Menschen hatten kein Bewusstsein
                      davon, dass eine bedeutende Kultur in der Erde schlummert.
                      So benannte man den keltischen Ringwall in Nonnweiler-Otzenhausen
                      als „Hunnenring“, nach den vermeintlich großen
                      Menschen, die ihn geschaffen hatten, oder man glaubte auch,
                      dass skythische Goldschmiede als Goldschmiede tätig
                      waren. Es sollte bis ans Ende des 21. Jahrhundert dauern, bis die Forschung ein erstes einheitliches
                      Bild dieser Kultur entwarf, das auch in großen Ausstellungen
                      seinen Niederschlag fand. Die Tatsache, dass der einheitliche
                      Kulturraum sich unterschiedlichen Ländern und politischen
                      Einheiten zuordnete, führte dazu, dass heute die Menschen
                      einzelne Schätze dieser Zeit in den großen Museen
                      der Region bewundern können, dass das zusammenhängende
                      Bild aber erst dann entsteht, wenn man die Landesmuseen
                      in Saarbücken, Trier, Speyer, Bonn, Luxemburg, Metz
                      und zudem die Staatlichen Museen zu Berlin besucht hat. Viele neue Funde schlummern in den Depots der verschiedenen
                      Bodendenkmalpflegestellen. So wie es keine zeitgenössische,
                      zusammenhängende Berichterstattung zur Kultur der
                      Kelten gibt, gibt es bis heute keine Möglichkeit einer
                      zusammenhängenden Kultur- oder Museumserfahrung in
                      der Großregion. Dies ist bisher auch nicht in einem
                      Buch geleistet worden und das Internet bietet hier ob seines
                      Potenzials nur wenige Möglichkeiten. Hier wollen wir mit der Ausstellung „Die Kelten – Druiden.
                      Fürsten. Krieger.“ Abhilfe schaffen und erstmals
                      mit den gezeigten Exponaten und dem begleitenden Ausstellungskatalog
                      diesen Zusammenhang herstellen. Die Ausstellung entwirft nicht ein homogenes Bild einer
                      Kultur, die ohne Brüche und Verwerfungen von der Hallstattzeit
                      800 v. Chr. bis zur Latènezeit 50 v. Chr. reicht. Auch wenn bedeutende Exponate aus der Hallstattzeit gezeigt
                      werden, fokussiert sich das Ausstellungsprojekt auf die
                      Blüte der Eisenzeit in Mitteluropa. Immer wieder sind
                      es neben den Keramiken, Bronze und Gold, Waffen, Werkzeug
                      und Wagenbeschläge, ja sogar Schmuck aus Eisen, die
                      die Grab- und Siedlungsfunde bestimmen. Es ist wahrscheinlich, dass es die besondere Kunst war,
                      Eisen zu verhütten und zu schmieden, welches die Basis
                      dieser keltischen Kultur der Großregion darstellt. Dieses besondere Wissen um die Möglichkeiten des
                      Eisens bildet die Grundlage des offensichtlichen Reichtums,
                      der sich in den Grabbeigaben ausdrückt. Eine Basis,
                      die letztendlich dazu führt, dass ab 500 v. Chr. ein
                      besonderer Reichtum auch in den Beigaben von Gold festzustellen
                      ist. Die Druiden sind dinglich und historisch kaum außerhalb
                      der schriftlichen Zeugnisse der griechischen und römischen
                      Schriftsteller fassbar. Die Hinweise auf die Druidenkrone
                      des Naturhistorischen Museums Wien mit den bildlichen Darstellungen
                      des Kessels von Gundestrup bieten in den Exponaten einen
                      Fingerzeig. Der zeitgenössischen Phantasie ist hier,
                      wie Bernhard Maier zeigt, viel Raum gelassen. Konkreter ist das Bild, das uns Archäologie und Forschung
                      von den Fürstinnen und Fürsten und den Kriegern
                      dieser Kultur liefert. Wir müssen uns aber vor Augen
                      halten, dass die Kenntnisse, die wir heute haben, Ergebnis
                      eines hochkomplexen, archäologischen und wissenschaftlichen
                      Vorgehens sind, das in einem hochkomplexen, extrem kenntnisreichen
                      Spiel abertausende von Möglichkeiten plausibilisiert
                      und gegeneinander abwägt. Neben dem ersten Schritt des Aufspürens der archäologischen
                      Befunde war es notwendig, das Gefundene in seinem Bestand
                      zu interpretieren. Gingen doch viele Beigaben aufgrund
                      der Tatsache, dass organisches Material wie Speisen, Stoffe,
                      gar Holz im Laufe der Zeit verloren. Eisen rostete und
                      Bronzegefäße zerbarsten unter dem Druck der
                      hohen Grabhügel, wenn die hölzernen Grabkammern
                      im Laufe der Zeit zusammenbrachen und das Holz sich zersetzte. Die rekonstruktive Archäologie und die interpretierende
                      Restaurierung haben einen bedeutenden Anteil an der Rekonstruktion
                      der Fundzusammenhänge. Eine vergleichende exakte Wissenschaft,
                      schriftlich interpretiert in Kategorien, plausibilisiert
                      in langen Typenreihen die Funde, um eine Bild der Menschen,
                      ihrer sozialen Stellung und ihrer Kultur zu entwerfen,
                      ist Voraussetzung dieser wissenschaftlichen Deutungsprozesse.
                      Rudolf Echt für die Fürsten und Alfred Haffner
                      für die Krieger und ihre Waffen ahben kenntnisreich
                      und sachkundig diese komplexe Faktenlage zu handhaben Schilderungen
                      des Sachverhaltes verdichtetDie Frage bleibt, wie stellte
                      sich die Zeit der Kelten mit ihren Druiden, Fürsten
                      und Kriegern dar? Wie war das Bild der Menschen und das
                      Leben dieser Zeit? Im 19. Jahrhundert haben Maler szenische
                      Bilder entworfen von Kelten in exponierten Lebenslagen.
                      Diese Bilder ersetzten teilweise das Verständnisvakuum,
                      das wir immer noch von den Kelten haben und geben dieser
                      Lücke ein Gesicht. Heute wissen wir, dass manches
                      an diesen gemalten Bildern nicht der Wirklichkeit der Keltenzeit
                      entspricht. Doch was macht diesen Mythos der Kelten aus? Sind es die
                      Menschen, die in aufwändigen Choreographien heute
                      keltisches Leben nachspielen? Wir müssen uns bewusst
                      sein, dass die abendländische Kultur sich fast 2.000
                      Jahre nicht um die Frage kümmerte, was keltisch war.
                      Erst die Funde der Archäologen des 19. Jahrhunderts haben neue Interpretationen entstehen lassen.
                      Wir können heute wohlerforschte Fundkomplexe, Einzelexponate
                      und deren Überblick als Hinterlassenschaft und Erkenntnisgegenstand
                      anbieten. Diese können Bezugspunkte für unsere
                      Phantasie werden, zusammen mit den rekonstruierten Befunden,
                      ein großes, imaginäres Bild der „Kelten – Druiden.
                      Fürsten. Krieger.“ zu entwerfen. Damit ist der
                      Weg frei, es jedem Menschen zu ermöglichen, diese
                      Kelten mit ihren sichtbaren Zeugnissen, den bekannten Zusammenhängen,
                      aber auch dem Teil, der im Dunklen liegt, zu ergründen.
                      Ein spannendes und aufregendes Unterfangen, das die aktive
                      Teilhabe an den Exponaten und die Kenntnis zum Thema „Kelten“ voraussetzt. |