Das Reisetagebuch meiner Großmutter |
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| 28./29.August 1937 | Im Osterzgebirge und der sächsischen Schweiz | ||||||||||||||||
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| Nach ausgiebiger Rast packten wir wieder ein und freuten uns auf den
Fahrwind, denn die Sonne hatte es zu gut gemeint. Bald waren auch die Felder
des Plateaus zu Ende und es gab wieder Berg und Tal und Wald. Die Blumenstadt
Sebnitz war bald erreicht, sie bot nichts besonderes und nachdem wir auch
den braven Wagen neue Ätzung einverleibt hatten, fuhren wir weiter und
kamen über Saupsdorf nach Hinderhermsdorf. Ich dachte an den Grossvater,
der hier eine Sommerfrische verlebt hatte. Es ist ein sehr netter Ort mit
sicherlich schönen Ausflugsmöglichkeiten, d.h. jetzt wird es
schwieriger sein als früher, da die Grenze rundum ganz nahe ist. Wir
waren wieder mitten drin im Gebirge und sahen hinüber nach der
böhmischen Schweiz. Auch hier waren viele Sommerfrischler. Sie waren
beim Mittagessen, denn es war 1 Uhr. So kurvenreich wie erst hinauf ging
es nun wieder hinunter und bald waren wir in Kirnitzschtal. Von hier bis
zum Lichtenhainer Wasserfall war das schönste Stück, was wir ausser
der Bastei von der sächsischen Schweiz kennen lernten. Schmal und steil
ist das Tal, mit kahlen Felsen umrandet, die teilweise mit Erika, teilweise
mit gelben Schwefelalgen bewachsen sind. Finstere Tannenwald liegt dazwischen.
Rauschend und brausend fliesst die Kirnitsch über Felsen und Steine
dahin. Wir mussten einmal aussteigen, um in das tosende Wässerchen zu
blicken. Gern hätte ich hier verweilt, aber das Programm musste abgewickelt
werden. Am Lichtehainer Wasserfall ist die Romantik zwar zu Ende, aber es
ist nicht minder schön und wir machten Rast und tranken Milch. Es hatte
sich auch einer gefunden, der den Wasserfall in Betrieb setzte. Es war sehr
nett und ich musste denken eine Miniatur des Aaretales und der Aareschlucht
vor mir zu sehen. Es war mir ganz eigen, wenn ich an diesen Vergleich denke
und in der Schweiz nimmt man auch diese riesigen Ausmasse als
selbstverständlich hin, weil der Vergleich mit solcher Miniatur fehlt.
Nun hatten wir das Strassenbähnchen neben uns und es dauerte auch nicht lange, als die Kuranlagen von Schandau auftauchten. Über Wendisfähre fuhren wir nun nach einer anderen Seite hinauf aufs Plateau und waren bald wieder in den Feldern. Über Porschdorf und Rathewalde fuhren wir im weiten Bogen, um dann zur Strasse nach der Bastei einzubiegen. Hier herrschte nun riesiger Auto und Fussgänger Verkehr. Es war ½ 3 Uhr geworden und die Zeit, da die Dresdner den einstündigen Weg nach der Bastei zurückgelegt hatten, um dort Kaffee zu trinken. Hunderte von Autos waren auf den riesigen Parkplätzen untergebracht und die Verkehrspolizei und Parkwächter hatten alle Hände voll zu tun. Wir konnten gleich in eine Lücke einrollen und schritten hinunter zu dem Aussichtsplateau, wo man in die Felsenspitzen hinüberschaut. Sie haben ja alle einen Namen, ich konnte mich nur auf die Lokomotive erinnern. Verschiedene Kletterer waren überall am Werk und auch sonst sah man viele Leute in allen Winkeln und schönen Plätzchen. Auf der Terrasse musste man sich so zu sagen anstellen und alle wollten einmal vorn am Gitter stehen. Es ist ja auch ausserordentlich interessant, wie hier die Natur ausschaut, ich möchte sagen die Felsgebilde sind einzigartig, wenigstens habe ich so etwas nirgends wo gesehen. Es gibt in der sächsischen Schweiz so viele Oasen, wo es so ist, dann wieder Waldflecken oder Hochplateaus, wo man sonstwo sein könnt. Nachdem wir im schattigen Garten Kaffee getrunken hatten und hinunter auf den Elbstrom mit seinen Dämpfern geschaut hatten gingen wir noch zur anderen Aussichtsplatte, wo man den prachtvollen Blick ins Elbtal nach Königsstein und Lilienstein und weit über das Erzgebirge und Böhmen hat. Auch hier musste man sich anstellen bevor man dran kam. Tiefer unten waren die anderen Aussichtsplatten und Brücken alle gestopft voller Menschen. Ungern trennten wir uns von den schönen Ausblicken nach allen Seiten. Ich bedauerte, dass wir nicht länger bleiben konnten, damit Dorle und Vater überall hingehen konnten. Ich glaube zwar sie sind beide nicht so kletter und wanderlustig. So stiegen wir also wieder ein in unseren braven Wagen und unsere goldene Dreisamkeit. Denn das Gewühle und Gejohle der teilweise angeheiterten Basteigäste hatte uns Weltfremde etwas befremdet. Viele haben eine eigene Art, Natur zu geniessen und erinnerten in ihren bunten Papiermützen eher an einen Faschingsabend, als an einen Ausflug in die herrliche Gottesnatur. |
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