Projekt kulturer.be
Probanden bewerten Gesichtsausdruck auf da Vinci-Gemälde fast immer als fröhlich / Wissenschaftler des Universitätsklinikums Freiburg stellen damit Jahrhunderte lange Annahme der Kunstgeschichte in Frage
 Es ist das vielleicht berühmteste Gemälde der Welt: die „Mona Lisa“   von Leonardo da Vinci. Als ein wesentlicher Grund für seine enorme   Anziehungskraft galt lange Zeit der vermeintlich mehrdeutige   Gesichtsausdruck der Gemalten: fröhlich oder traurig?   Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums   Freiburg, des Instituts für Psychologie der Universität Freiburg und des   Freiburger Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene   (IGPP) haben nun in einer Studie herausgefunden, dass Versuchspersonen   die Mona Lisa in fast 100 Prozent der Fälle als fröhlich wahrnehmen. Sie   stellten außerdem fest, dass die emotionale Einschätzung der Bilder   davon abhängt, welche weiteren Bild-Varianten bisher gezeigt wurden. In   ihrer Studie präsentierten die Forscher den Probanden das   Original-Gemälde und acht Bild-Varianten, auf denen die Mundwinkel der   Mona Lisa nach unten oder nach oben verschoben wurden und dadurch ein   traurigerer oder fröhlicherer Gesichtsausdruck entstand. Die Studie ist   am 10. März 2017 im renommierten Online-Journal Scientific Reports   erschienen. 
    
    „Es war für uns eine große Überraschung, dass die Original-Mona Lisa   fast immer als fröhlich wahrgenommen wird. Das widerspricht der gängigen   Meinung der Kunstgeschichte“, sagt PD Dr. Jürgen Kornmeier, Leiter der   Forschungsgruppe Wahrnehmung und Kognition im Freiburger IGPP und an der   Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. 
  
    Fröhliche Gesichter werden schneller erkannt 
  
    Die Wissenschaftler um Dr. Kornmeier und Ko-Studienleiter Prof. Dr.   Ludger Tebartz van Elst, Leitender Oberarzt an der Klinik für   Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg,   erzeugten für die Studie zunächst acht Mona Lisa-Varianten, die sich nur   in einer schrittweisen Veränderung der Mund-Krümmung unterschieden. Die   Forscher präsentierten dann den zwölf Probanden das Original sowie je   vier Bilder mit traurigerem und fröhlicherem Gesichtsausdruck in   zufälliger Reihenfolge. Per Tastendruck gaben die Testpersonen für jedes   Bild an, ob sie es als fröhlich oder traurig wahrnahmen, und   anschließend, wie sicher sie sich bei ihrer Antwort waren. In der Summe   der Antworten ergab sich so ein prozentualer Wert auf einer Skala von   traurig bis fröhlich und ein Wert für die Sicherheit ihrer Entscheidung. 
  
    In nahezu 100 Prozent der Fälle wurden das Original sowie alle   positiveren Varianten als fröhlich wahrgenommen. Dabei erkannten die   Probanden fröhliche Gesichtsausdrücke schneller als traurige. „Es   scheint, als hätten wir einen Filter für positive Gesichtsausdrücke in   unserem Gehirn“, sagt Dr. Kornmeier. 
  
    Traurig ist nicht immer gleich traurig
  
  In einem zweiten Experiment behielten die Forscher die Variante mit der   geringsten Mund-Krümmung als traurigste Variante bei. Sie präsentierten   dann das Mona Lisa-Original als fröhlichste Variante sowie sieben   Zwischenvarianten, wobei drei davon schon im ersten Experiment gezeigt   worden waren. Mit Erstaunen stellten die Forscher fest, dass die   Probanden nun jene Bildvarianten, die schon im ersten Experiment gezeigt   worden waren, tendenziell als fröhlicher wahrnahmen. „Die Daten zeigen,   dass unsere Wahrnehmung, etwa ob ein Gesicht traurig oder fröhlich ist,   nicht absolut ist, sondern sich erstaunlich schnell an die Umwelt   anpasst“, sagt Dr. Kornmeier.
  
    Die Studie ist Teil eines größeren Projekts von Dr. Kornmeier und Prof.   Tebartz van Elst am Universitätsklinikum Freiburg, in dem   Wahrnehmungsprozesse erforscht werden. „Mit unseren Sinnen können wir   nur einen sehr eingeschränkten Teil der Information aus unserer Umwelt   aufnehmen, beispielsweise weil ein Objekt teilweise verdeckt oder   schlecht beleuchtet ist“, erläutert Dr. Kornmeier. „Das Gehirn muss dann   aus den unvollständigen und oft mehrdeutigen Informationen ein Bild der   Welt konstruieren, das der Realität am nächsten kommt“. Wie diese   Konstruktionsprozesse bei Gesunden ablaufen und ob sie bei Menschen mit   psychischen Erkrankungen, etwa mit Wahnvorstellungen, verändert sind,   untersuchen die Freiburger Forscher. 
  
    Original-Titel zur Studie: Mona Lisa is always happy – and only sometimes sad
    DOI: 10.1038/srep43511
    Link zur Studie: www.nature.com/articles/srep43511  
Benjamin Waschow 
    Stabsstelle Unternehmenskommunikation
    Universitätsklinikum Freiburg
  
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