Projekt kulturer.be
 Noch etwa zehn Jahre lang kann die nachhaltige Forstwirtschaft die   immer größere Nachfrage nach Holz stillen. In Deutschland und Europa   werden somit neue Konzepte diskutiert, um die nachwachsende, aber   dennoch begrenzte Ressource Holz industriell verantwortungsbewusster und   effizienter zu nutzen. Wissenschaftler der Technischen Universität   München (TUM) analysieren mit Daten aus einem europäischen   Forschungsprojekt, wie effizient die Mehrfachnutzung zwischen Holzernte   und Verbrennung sein könnte.
    
    Führt die Kaskadennutzung von Holz wirklich zu einer erhöhten   Ressourceneffizienz? Wenn etwa das Rohholz vor der energetischen Nutzung   im Kraftwerk erst zu Konstruktionselementen, dann zu Lamellen für einen   Tisch und schließlich zu Spänen einer Spanplatte wird? Für eine Antwort   auf diese Frage hat sich Michael Risse zusammen mit Professorin   Gabriele Weber-Blaschke und Professor Klaus Richter vom Lehrstuhl für   Holzwissenschaft der TUM auf die Suche nach einer geeigneten   Bewertungsmethodik gemacht. 
    
    
    Die Illustration zeigt das Konzept einer Kaskadennutzung von Holz mit ihren einzelnen Stufen. (Quelle: Höglmeier 2015) 
Ein Kaskadensystem aus vielen Lieferanten, Herstellern und Nutzern ist   komplex und aufwändig. Die Stoffströme innerhalb und zwischen den   Kaskadenstufen sind zahlreich und verflochten. In der Theorie ist das   Konzept seit Jahren beschrieben und inzwischen wissenschaftlich belegt,   dass sich fossile Rohstoffe einsparen lassen, Treibhausgasemissionen   vermindert werden und die Wertschöpfung steigern lässt. Bisher jedoch   fehlte eine gezielte Betrachtung der Ressourceneffizienz. 
    
    Da die biologische Erzeugung von Holz sich grundsätzlich von   synthetischen Rohstoffen unterscheidet, gilt es zu untersuchen, ob und   inwieweit sich eine Kaskadennutzung bei nachwachsende Rohstoffen unter   Effizienzbetrachtung lohnt.
    
    Um den charakteristischen Merkmalen der Kaskadennutzung gerecht zu   werden, verwendete Holzwissenschaftler Michael Risse den ganzheitlichen   Lebenszyklus-Ansatz und analysierte die Exergie sämtlicher verwendeter   Materialien, der internen Recyclingprozesse und den Verbrauch weiterer   primärer Ressourcen wie etwa der beanspruchten Flächen. Als Exergie wird   der Teil der Energie bezeichnet, der in Arbeit umgewandelt werden kann.
    
    Einsparung vor allem zu Beginn der Produktionskette
    
    Die Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin der TUM verglichen in zwei   Szenarien den Weg von einer Tonne Altholz mit der Bereitstellung   derselben Funktionen aus Frischholz. Im ersten Szenario wurde das   Altholz in einem Kaskadensystem zunächst zu Schnittholz und danach noch   zwei weitere Mal zu Spanplatten verarbeitet. Im Referenzszenario wurden   dieselben Produkte hergestellt, allerdings jeweils aus Frischholz.
    
    Das Ergebnis: Bei der Kaskadennutzung wird das Holz mit einer Quote von   46 Prozent deutlich effizienter verwendet als bei der einfachen Nutzung,   die auf 21 Prozent kommt. Die größte Einsparung ist am Anfang der   Produktionskette zu verzeichnen durch den reduzierten Einsatz von   Frischholz und damit einhergehendem geringeren Flächenbedarf. Während   der weiteren Verarbeitung des Holzes bleibt die Kaskadennutzung zwar   effizienter, aber in deutlich geringerem Umfang. In beiden Szenarien   verbraucht die Spanplattenherstellung die meisten Ressourcen,   insbesondere bei der Trocknung und Verklebung.
    
    Ressourceneffiziente Verarbeitung steckt noch in den Kinderschuhen
      
    In der industriellen Praxis steckt die Kaskadennutzung noch in den   Kinderschuhen, es fehlt an den notwendigen Logistikprozessen und der   angepassten Verfahrenstechnik – und: „Die energetische Nutzung hat noch   Vorrang vor der stofflichen Nutzung von Holz“, beklagt Lehrstuhlinhaber   Professor Klaus Richter. Fast die Hälfte der jährlich geernteten 60   Millionen Tonnen Waldholz fließe direkt oder bei der industriellen   Verarbeitung in die energetische Nutzung. Diesen Weg subventioniere noch   bis 2019 das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), etwa dadurch, dass mit   Einspeisevergütungen Wärmeerzeugung aus Holzenergie gefördert oder   Investitionszuschüsse für Heizungsanlagen, wie Holzpellet- oder   Hackschnitzelheizungen gewährt werden. Diesen einseitigen Anreiz habe   schon im Jahr 2016 das umfangreiche Klimaschutz-Gutachten von Land- und   Forstwirtschaft kritisiert, an dem auch Mitarbeiter des Lehrstuhls für   Holzwissenschaft der TUM mitgewirkt hatten.
    
    Nur etwa ein Drittel des in Deutschland aufkommenden Altholzes wird   heute in Spanplatten verarbeitet, etwa sieben Millionen Tonnen wandern   laut Richter direkt in die Verbrennung, um in entsprechenden Kraftwerken   Wärme und Strom zu erzeugen. Dem Holzwissenschaftler ist das mindestens   ein Schritt zu wenig. Er und sein Team plädieren für eine intensivere   stoffliche Nutzung von Holz: „Wir müssen den Rohstoff Holz mittelfristig   effizienter, sprich mehrmals stofflich nutzen, bevor wir ihn verbrennen   oder zu Pellets verarbeiten. Die materialtechnischen Eigenschaften   stehen einer Kaskadennutzung nicht im Wege. „Es muss aber die   Verarbeitung und Nutzung von Holz planerisch und konzeptionell angepasst   werden, damit die Mehrfachnutzung Realität wird.“ 
    
    Es sind aus der Sicht von Doktorand Michael Risse zudem weitere Analysen   im Zusammenhang mit der Kaskadennutzung wichtig: „Es sollte bei der   Effizienzanalyse zum Beispiel auch die Knappheit der einzelnen primären   natürlichen Ressourcen einbezogen werden.“ Seine im Fachmagazin   „Resources, Conservation & Recycling“ publizierte Studie   berücksichtige beispielsweise nicht den sogenannten   „Substitutionseffekt“, und damit ein weiteres gewichtiges Argument für   eine Kaskadennutzung: „Wer Holzprodukte verwendet, kann   Treibhausgasemissionen vermeiden, die bei der Produktion von   Nicht-Holz-Produkten wie Stahl oder Beton entstehen – und das mit jeder   weiteren Kaskadenstufe erneut,“ erklärt Professor Richter. „Zudem ist   Holz das einzige Material, das Kohlenstoff speichert – über seine   gesamte Lebensdauer hinweg.“ 
    
    Auf diese Weise bleibt der während des Baumwachstums gebundene   Kohlenstoff der Atmosphäre entzogen und wird erst am Ende der –   möglichst langen – Kaskade wieder frei. „Dennoch: Nur theoretische   Analysen reichen nicht. Wir brauchen ein Handeln der Politik und der   Industrie“, sagt Richter.
    
    Publikation:
    Michael Risse, Gabriele Weber-Blaschke and Klaus Richter: Resource   efficiency of multifunctional wood cascade chains using LCA and exergy   analysis, exemplified by a case study for Germany, Resources,   Conservation & Recycling 126, 141-152, 2017. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.resconrec.2017.07.045
Dr. Ulrich Marsch 
    Corporate Communications Center
Technische Universität München
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