| Das Gebirgsmassiv der Alpen hebt sich
                  stetig und „wächst“ pro
                  Jahr um etwa ein bis zwei Millimeter. Auch Teile Skandinaviens
                  und Nordamerikas heben sich heute. Der Grund: Vor etwa 18.000
                  Jahren schmolzen die eiszeitlichen Gletscher und entlasteten
                  die Erdkruste. Lange Zeit bezweifelte man, dass das Abschmelzen
                  der alpinen Eiskappe eine bedeutende Ursache für die heutige
                  Anhebung der Alpen sein könnte. Ein internationales Team
                  unter Beteiligung des GFZ-Wissenschaftlers Dirk Scherler und
                  der GFZ-Wissenschaftlerin Taylor Schildgen zeigt aber, dass
                  das verschwindende Eis für etwa 90 Prozent der heutigen
                  Hebung verantwortlich ist. Das Gebirgsmassiv der Alpen hebt sich stetig und „wächst“ pro
                Jahr um etwa ein bis zwei Millimeter. Auch die ehemals vereisten
                Teilkontinente Nordamerika und Skandinavien befinden sich in
                einer ständigen Aufwärtsbewegung, und zwar deshalb,
                weil zum Ende des letzten glazialen Maximums (LGM) vor etwa 18.000
                Jahren die eiszeitlichen Gletscher schmolzen und so ihre ehemals
                schwere Last nachließ. Das Eis reagierte schnell auf den
                damaligen Klimaumschwung, die Reaktion der Erdkruste auf das
                relativ plötzlich schwindende Eis dauert hingegen noch immer
                an.  3D-Eismodellierung der Alpen zur Zeit des Letzten Glazialen
                  Maximums (LGM). Abbildung: Jürgen Mey, Universität
                  Potsdam, Hintergrundmodell basierend auf ESRI-Deutschland-Daten
 Zur Zeit des LGM waren auch die Alpen von einer Eiskappe bedeckt,
                deren Talgletscher zeitweise weit bis ins Alpenvorland reichten.
                Die Ausmaße dieser Vereisung waren viel geringer als die
                der riesigen Eisschilde Nordamerikas und Skandinaviens. Deshalb
                schloss man lange Zeit aus, dass das Abschmelzen der alpinen
                Eiskappe eine bedeutende Ursache für die heutige Anhebung
                der Alpen sein könnte. Ein internationales Team unter Beteiligung
                des GFZ-Wissenschaftlers Dirk Scherler und der GFZ-Wissenschaftlerin
                Taylor Schildgen konnte nun jedoch zeigen, dass das Eis, oder
                vielmehr sein Verschwinden nach Ende des LGM, für etwa 90
                Prozent der heutigen Hebung verantwortlich ist. Vertikale Bewegungen der Erdkruste sind vor allem auf tektonische
                Deformationen durch die Bewegungen der Erdplatten, Vulkanismus
                und Veränderungen in der Auflast durch Wasser, Eis und Sedimente
                zurückzuführen. Die Bewegungen der Erdkruste lassen
                sich durch geodätische Messungen per Satellit und Bodenstationen
                verfolgen. Für alte, tektonisch stabile Regionen der Erdkruste
                wie Nordamerika und Skandinavien ist schon lange bekannt, dass
                die Vertikalbewegungen nahezu ausschließlich auf den sogenannten
                postglazialen „Reboundeffekt“ zurückzuführen
                sind - also auf die schwindende Eislast, auf die die Erdkruste
                mit einer Aufwärtsbewegung reagiert. In jungen Gebirgen wie den Alpen sind hingegen komplexe Mechanismen
                am Werk, die sich gegenseitig beeinflussen: Hier schiebt sich
                die Afrikanische unter die Eurasische Platte und die Adriatische
                Platte - eine Teilplatte innerhalb der Afrikanischen Platte -
                schiebt sich entgegen dem Uhrzeigersinn unter die Eurasische
                Platte. Daneben gibt es, wie auch in Skandinavien und Nordamerika,
                Veränderungen in der Auflast durch Erosion, Sedimentabtrag
                und „Entgletscherung“. Die genauen Ursachen der heutigen Hebung der Alpen diskutieren
                die WissenschaftlerInnen schon seit einem halben Jahrhundert.
                Lange Zeit vermutete man, dass die Hebung der Alpen hauptsächlich
                durch Erosion und den Abtrag von Sedimenten aus dem Gebirge heraus
                ins Vorland hervorgerufen wird. Vor allem Flüsse transportieren
                die Sedimente. Die neue Studie vergleicht nun den Anteil von Sedimentabtrag,
                Eisauflast und lokaler Tektonik an der Vertikalbewegung der Alpen.
                Die WissenschaftlerInnen verwenden Computermodelle, die sie unter
                anderem mit Daten aus Bohrungen abgleichen. Sie schließen,
                dass sich ein Großteil des postglazial, also nach Ende
                der Hauptvereisungsphase, erodierten Materials innerhalb des
                Gebirges abgelagert hat. Damit kann dieser Prozess nicht die
                Hauptursache für die Hebung der Alpen sein. Die Modellierungen der WissenschaftlerInnen zeigen vielmehr,
                dass sich die Hebung, wie in Skandinavien und Nordamerika, am
                besten mit einer entlastenden Ausgleichsbewegung nach dem schmelzen
                der LGM-Gletscher erklären lässt: In ihren Modellen
                zeigen die WissenschaftlerInnen, dass die glaziale Auflast durch
                das Eis bei etwa 62.000 Gigatonnen lag, während der postglaziale
                sedimentäre Abtrag nur gut 4.000 Gigatonnen ausmacht. Nur
                rund 10 Prozent der Hebung können auf die Entlastung durch
                sedimentären Abtrag zurückgeführt werden. Lokal
                kommt, vor allem in Teilen Österreichs, außerdem ein
                tektonischer Effekt hinzu, verursacht durch die Drehbewegung
                der Adriatischen Teilplatte. Originalarbeit: Jürgen Mey, Dirk Scherler, Andrew D. Wickert,
                David L. Egholm, Magdala Tesauro, Taylor F. Schildgen, Manfred
                R. Strecker. Glacial isostatic uplift of the European Alps. Nature
                Communications 7:13382. DOI: 10.1038/ncomms13382  Josef Zens Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitHelmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
 |