| Die
                    Schneiderklassen In den ersten
                  Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland - den
                  diversen hierarchischen Klassen entsprechend - auch unterschiedliche
                  Kategorien von Schneidern. Zudem war meist eine geschlechtsspezifische
                  Einteilung in Damen- und Herrenkleidermacher üblich.  Die Schneider,
                  die für den hohen Adel zuständig sein durften, führten statt
                  einer normalen Werkstätte eine sogenannte "Boutique", deren
                  Einkünfte sie auf großem Fuß leben ließ. Geschultes Personal
                  half dem Meister dabei, die Aufträge zügig und perfekt auszufuhren,
                  da es der eitlen Kundschaft - dem schnellen Wechsel der Mode
                  hörig - immer eilig war. Er hatte eine bedeutende Rolle in
                  der Gesellschaft und bei Hofe inne und genoss Reichtum und
                  Ansehen. Da die entsprechende adelige Kundschaft im Normalfall
                  von einem stetigen Einkommen und in bleibendem Wohlstand lebte,
                  konnte es sich der Schneidermeister leisten, seinen Lohn vertrauensvoll
                  nur etwa einmal im Jahr in Rechnung zu stellen, Die zweite
                  Klasse der Schneider war für den niederen Adel, das wohlhabende
                  Bürgertum und die reichen Emporkömmlinge, worunter man erfolgreiche
                  Dichter, gefeierte Sänger und Schauspieler verstand, zuständig.
                  Diese Schneiderschicht ahmte das französische Vorbild nach
                  und nannte das Geschäft daher "Marchand Tailleur". Der Inhaber
                  führte hier ein finanziell gesichertes und wohlhabendes Leben,
                  stellte seine Rechung allerdings gewöhnlich monatlich seinen
                  Kunden zu.
               Ein überlebenswichtiges "Muss" war
                  es für jeden besseren Schneider, über die aktuellsten Modelle,
                  Schnitte und Stoffe informiert zu sein und sie seiner Kundschaft
                  anbieten zu können. Neben den Schneidern informierten sich
                  natürlich auch der Herr und die Dame selbst in den Zeitschriften über
                  die neuesten Moden aus Paris, London und Wien und gingen ihnen
                  - ihrer finanziellen Lage entsprechend - nach. Da die deutschen
                  Zeitschriften die Vorbilder aus dem französischen und englischen
                  Ausland übernahmen, ähnelten sich die Modekupfer meist erheblich.
                  Allerdings unterschieden sich die Journale in der Aufmachung
                  voneinander. Es gab unterschiedliche Größen bei den modischen
                  Abbildungen, die entweder voll-, teilkoloriert oder schwarz-weiß waren.
                  Die abgebildeten Kleidungsstücke waren keine Phantasiekreationen,
                  sondern in Schneiderateliers bereits gefertigte Modelle, die
                  in den Zeitschriften als "dernier cri" gezeigt wurden. Es konnte
                  sich jedoch nur die gehobene bürgerliche und adelige Leserschaft
                  leisten, einer ständig wechselnden Mode nach dem letzten Schrei
                  zu folgen und sich jeweils neue Kleider anfertigen zu lassen.
                  Das Mittel- und Kleinbürgertum dagegen verschönerte die bereits
                  vorhandene Kleidung durch Änderungen und Hinzufugungen.
               Die Vertreter
                  der dritten Schneiderklasse nähten für das mäßig wohlhabende
                  Kleinbürgertum. Sie hatten meist kein offenes Geschäft, sondern
                  führten ihre Werkstätte, in der sie ihre Lehrlinge ausbildeten,
                  im Anschluss an die eigene Wohnung. Nach einem fertiggestellten
                  Kleidungsstück verlangte der Schneider die Barzahlung, da er
                  sonst Gefahr lief, seine Entlohnung zu einem späteren Zeitpunkt
                  mühsam eintreiben zu müssen. Der vierte und letzte Schneiderstand
                  setzte sich aus den Volks-, Markt- und Flickschneidern zusammen.
                  Der Volksschneider wohnte in den Vorstädten bei der Arbeiter-
                  und Industriebevölkerung und beschäftigte im Allgemeinen einen
                  Lehrbuben. Der Marktschneider wiederum war ein reisender Handelsmann,
                  der auf Jahrmärkten neue wie alte Kleider verkaufte und auch
            Flickarbeiten leistete. Die Mode
                  im Zuge der Industrialisierung  Im Zuge der
                Industrialisierung wurden sämtliche Bevölkerungsschichten in
                Deutschland von einem neuartigen Luxustrieb erfasst. Durch den
                wachsenden Wohlstand und die Gründung neuer Industriebetriebe
                brachten es breite Bevölkerungsschichten zu einem erhöhten Maß an
                Lebensqualität, was zudem das Interesse an erschwinglicher Mode
                stetig steigen ließ. Hatte das Schneiderhandwerk ursprünglich
                in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Männerhand gelegen, änderte
                sich dies im Zeitalter der Industriellen Revolution. Inzwischen
                ließen sich auch Frauen als Schneiderinnen ausbilden, was bei
                den Schneiderzünften aufheftigen Widerstand stieß. Der weiblichen
                Konkurrenz wurde Pfuscherei und die Schuld an dem Verlustgeschäft
                der männlichen Schneider vorgeworfen. Die größten Konkurrenten
                jedoch, die sich im Zuge der Industrialisierung an die "Handarbeit" heranschoben
                und die Bekleidungsbranche stark wandelten, waren die maschinellen
                Neuerungen. In den 1840er Jahren kamen mechanische Webstühle
                und Spinnereien auf den Markt, 1851 ließ der amerikanische Mechaniker
                Isaac Singer die Nähmaschine patentieren, und 1858 wurde die
                erste Zuschneidemaschine entwickelt. Durch die rapide steigende
                Nachfrage bei dem gesamten Bürgertum an modischen aber erschwinglichen
                Kleidungsstücken kam die Massenproduktion in Gang. Während im
                traditionellen Schneiderhandwerk jedes Kleidungsstück separat
                von Hand genäht wurde, arbeiteten nun in den Kleiderfabriken
                angelernte Maschinennäher in Rekordzeit. Der Untergang der einzelnen
                Schneiderwerkstätten lag vor allem in dem industriellen Umschwung
                begründet, bei dessen zügig ausdauerndem Tempo die familiären
                Einzelunternehmen nicht mithalten konnten. Viele Mädchen und
                Frauen, aber auch Arbeiter nahmen diesen Schneidern den Verdienst,
                indem sie schneller und billiger in großen Betrieben und Fabriken
                schufteten, meist unter unglaublich schlechten Arbeitsbedingungen.
                Die Mode für die Massen, das Aufkommen der Konfektion also, die
                ihre Anfänge bereits im Biedermeier hatte, und die durch die
                Industrialisierung sowie die gezielte Ausbeutung von Arbeitskräften
                immens beschleunigt wurde, schluckte im Laufe des 19. Jahrhunderts
                alle unteren Kategorien von Schneidern.  Um die Gattin
                nebst Töchtern, die der aktuellen Mode unbedingt Folge leisten
                wollten, zufrieden zu stellen, stürzte sich manch ein Bürger
                in Schulden. Denn in der Öffentlichkeit wurde - ab der Mitte
                des 19. Jahrhunderts - der gesellschaftliche Rang eines Mannes
                hauptsächlich durch die Garderobe seiner Frau repräsentiert.
                Während die Damenmode nicht prächtig, farbig und ausladend genug
                sein konnte, zeichnete sich die Herrenmode in der zweiten Hälfte
                des 19. Jahrhunderts durch schwarz-graue Zurückhaltung aus. Die
                modisch noch leicht verspielte Männertracht der 1830er Jahre
                wandelte sich im Zuge des wirtschaftlichen Aufstiegs und des
                damit verbundenen harten Konkurrenzkampfes zum nüchternen, geschäftstüchtigen
                Zweckanzug. Die modischen Raffinessen mussten der Arbeit und
                Leistung weichen, wobei die schlichte und praktische Kleidung
                des Engländers dem deutschen strebsamen Bürger als Vorbild diente.
                Die beinahe uniforme Zwecktracht neutralisierte die Individualität
                der im Berufsleben engagierten Männer. Die Herrenmode trat diskret
                in den Hintergrund, damit sich der Mann auf das Wesentliche,
                die Geschäfte, konzentrieren konnte. Das ernste puritanische
                Aussehen wurde von dem schwarzen Zylinderhut unterstrichen, der
                das gesamte 19. Jahrhundert hindurch in leicht abgewandelten
            Formen die Mehrzahl der bürgerlichen Häupter krönte.  Über (Mode-)Karikaturen  Das Wort "Karikatur" stammt
                etymologisch von dem italienischen Wort "caricare", was übersetzt
                soviel wie "überladen", "übertreiben" bedeutet. Daher ist die
                Karikatur eine von der gegebenen Sachlichkeit abweichende scherzhafte
                Darstellung, die nicht vorurteilsfrei und neutral sein kann.
                Sie erzielt ihre Wirkung, da es sich um ein für Zeitgenossen
                erkennbares Bild handelt. Die Karikatur spricht sozusagen aus
                dem Geist ihrer Zeit heraus. Dabei wird die Weltsicht des Zeichners
                in Szene gestellt, der Partei ergreift und seine Voreingenommenheit
                kultiviert. In der Regel arbeitet die Karikatur das Negative
                an einer Erscheinung heraus, und kritisiert es durch Überspitzung
                und Verzerrung. Ziel und Zweck ist es, einerseits die politische
                und gesellschaftliche Situation zu reflektieren und den Zeitgenossen
                als Spiegel vor Augen zu halten, gleichzeitig aber auch auf diese
                einzuwirken. Die Grundfesten einer bestehenden Gesellschaftsordnung
                sollen erschüttert werden, modische Neuheiten können als Narrheiten
                enttarnt und in Frage gestellt werden. Zu guter Letzt ist es
                ein Anliegen der Karikatur - neben der Bloßstellung und Anprangerung
                - den Betrachter zum Lachen zu bringen.
             In karikativen
                Zeichnungen lässt sich Politik und Kleidung oftmals nicht trennen,
                denn sobald eine gewisse Mode angeprangert wird, geißelt der
                Zeichner zugleich die gesellschaftspolitische Strömung, die sich
                dahinter verbirgt. Wird wiederum eine politische Misere verdeutlicht,
                muss der Zeichner zu allgemein verständlichen Äußerlichkeiten
                greifen, was die Darstellung der jeweiligen Mode oder Antimode
                zur Folge hat. Mode und Politik gehen somit Hand in Hand und
                bilden eine unzertrennliche Symbiose. Neben den eindeutig politisch
                motivierten Spottbildern, gibt es Modekarikaturen, die erst auf
                den zweiten Blick - eher nebensächlich - auf die negativen Gesellschaftsströmungen
                hinweisen. Es geht hierbei um rein äußerliche Merkmale, angeprangert
                wird aber indirekt eine Gesellschaft, die diesen "verrückten" Modediktaten
                kritiklos Folge leistet. __ Die Geschichte der Modekarikaturen
                hat bereits im Mittelalter ihren Anfang und zieht sich durch
                die Jahrhunderte bis in unsere heutige Zeit. In den letzten Jahrzehnten
                des 20.Jahrhunderts und zu Beginn des 21 .Jahrhunderts wird Mode
                allerdings kaum noch persifliert, da man selbst mit kreativen
                oder gar verwegenen Verrücktheiten nicht mehr auffallen, geschweige
                denn ernsthaft provozieren kann. Der geschlechtsspezifischen
                Modeentwicklung entsprechend überwiegt durch die Jahrhunderte
                insgesamt die Anzahl der Karikaturen auf die Damenmode - bietet
                sie doch in vielen Epochen durch extreme Ausführungen eine größere
                Angriffsfläche. Dagegen summieren sich bei den Herren die politischen
                Spottbilder, da Jahrhunderte lang meist nur die Männer das Geschäft
                mit der Politik betrieben, wobei gerade im Zuge von Revolutionen
                (1789, 1848/49) Politik und Mode nicht zu trennen sind.
             Es finden sich
                jedoch auch einige Spottbilder, deren einziges Anliegen es zu
                sein scheint, sich auf Kosten der Modegecken zu belustigen. Beliebte
                Opfer waren vor allem diejenigen Männer, die versuchten - sich
                am glamourösen Aussehen der Dandys orientierend - mit allen Mitteln
                der hochaktuellen Modelinie zu folgen. "Dandy" kann leicht negativ
                soviel wie "Modegeck" oder "Sjtutzer" bedeuten, steht aber auch
                für modisch elegante Herren mit guten Manieren und gesellschaftlichen
                Umgangsformen - für den "Elegant" also. In dieser Ausstellung
                zeigen einige Beispiele speziell des 19. Jahrhunderts, wie sich
                die satirischen Zeichner mit Lust und scharfer Feder der Eitelkeit
            der modehörigen Herren amiahmen und sie in Karikaturen bloßstellten  |