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                    | Es saß ein Herr bei Geroldseck auf einem Schloss genannt 
                      Lützelhardt, davon er sich Herr von Lützelhardt 
                      nannte. Es meinen auch einige, er sei ein Verwandter der 
                      Herren von Geroldseck gewesen. Nun war dieser genannte Herr 
                      von Lützelhardt dem Herrn von Geroldseck, der zu der 
                      Zeit auf Hohengeroldseck saß, heimlich neidisch und 
                      aufsässig; der ließ den Herrn von Geroldseck 
                      auf einer Jagd heimlich fangen und einige Tage und Nächte 
                      lang mit verbundenen Augen im Wald umherführen und 
                      nachts in verborgene Felsen und Höhlen legen. Und als 
                      nun der genannte Herr von Geroldseck lange Zeit umhergeführt 
                      wurde, dachte er nicht anders, er wäre einen weiten 
                      Weg aus dem Land geführt worden. Da wurde er dann mit 
                      verbundenen Augen in das Schloss Lützelhardt geführt 
                      und in einen Turm gelegt, und das Gesinde im Schoss dachte, 
                      dieser Herr von Geroldseck wäre von weither hergeführt 
                      worden.
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                    | Nun 
                      lag der erwähnte Herr von Geroldseck zwei Jahre in 
                      dem Turm und kam nie heraus, und wusste auch nicht, wo er 
                      war. Als nun aber etliche Male das Loch oben im Turm offenstand, 
                      damit der Gestank zum Teil heraus konnte, hatte der gefangene 
                      Herr manchmal ein großes Horn blasen hören und 
                      dachte, er hätte das schon einmal gehört. Da fragte 
                      er einmal den Knecht, der den Turm bewachte und ihm zu essen 
                      brachte, wo das große Horn geblasen würde. Obwohl 
                      der Turmwächter das nicht verraten wollte, verstand 
                      doch der Herr von Geroldseck so viel aus der Rede des Turmhüters 
                      und aus anderen deutlichen Hinweisen, dass er sich denken 
                      konnte, wo er gefangen lag. |  |   
                    | Eines 
                      Tages fragte dann der gefangene Herr den Turmhüter, 
                      wo er denn herkäme und wie er hieße, und nach 
                      vielen Worten antwortete der, er sei aus dem Litschental, 
                      das zu Geroldseck gehöre, und er und sein Vater würden 
                      die Rüblin genannt. Da erkannte der Herr von Geroldseck, 
                      wo er gefangen lag, und dass der genannte Rüblin sein 
                      Eigenmann und Hintersasse war. Da gab sich der genannte 
                      Herr dem Rüblin zu erkennen und ermahnte ihn bei seiner 
                      Pflicht und seinen Eiden, dass er ihm heraushelfen sollte, 
                      versprach ihm auch einiges, wie es ihm und seinen nachkommen 
                      auch gehalten worden ist. Die Nachkommen sitzen noch heute 
                      in der Herrschaft Hohengeroldseck im Litschental, werden 
                      die Rüblin geheißen und haben eigene Freiheiten. |  |   
                    | Als 
                      nun der genannte Turmhüter vernahm, dass er so lange 
                      Zeit, wenn auch unwissend, seinen eigenen Herrn im Gefängnis 
                      gehalten habe, sagte er zu dem Herrn, weil er ihm doch mit 
                      Pflicht und Eid verbunden war, dass er ihm heraushelfen 
                      wollte. Sonst würde er kein Gut mehr annehmen. Auf 
                      einen Festtag, als der größere Teil der Leute 
                      aus dem Schloss Lützelhardt nach Seelbach in ihre Pfarrkirche 
                      gegangen war und auch der Herr von Lützelhardt nicht 
                      zu hause war, da half der Rüblin seinem Herrn aus dem 
                      Turm. Beide stiegen sie an Hasengarn über die Mauer 
                      und kamen vor das Burgtor von Hohengeroldseck. |  |   
                    | Nun 
                      hatte genannter Herr von Geroldseck vier Söhne und 
                      auch seine Gemahlin lebte noch, und er schickte nach seinen 
                      Söhnen und ließ ihnen sagen, er hätte allein 
                      mit ihnen zu reden. Als nun die Söhne zu ihrem Vater 
                      vor das Tor kamen, eröffnete er ihnen, dass er ihr 
                      Vater sei und wie es ihm mittlerweile ergangen war. Er hatte 
                      sich aber in den zwei Jahren der Gefangenschaft so sehr 
                      verändert, dass seine Söhne ihn nicht erkannten. 
                      Da verlangte er, dass ihre Mutter, Frau Adelheid, zu ihm 
                      kommen sollte. Doch auch sie erkannte ihn nicht, da seine 
                      Gestalt so sehr verändert war. Doch sagte er ihr so 
                      viel Wahrheit und Erkennungszeichen, dass sie ihn wohl erkannte, 
                      und sie fiel ihm mit großer Freude um den Hals, da 
                      sie nicht anders dachte, er wäre lange tot. Danach 
                      wandte sie sich zu ihren Söhnen und sagte, sie sollten 
                      wahrhaft wissen, dass er ihr leiblicher Vater und ihr ehelicher 
                      Gemahl sei.  Als 
                        nun die Söhne das hörten, fielen sie ihrem Vater 
                        mit großer Bitte und vielen Entschuldigungen zu 
                        Füßen, sie hätten ihn nicht erkannt, er 
                        solle ihnen doch vergeben. Der Vater verzieh ihnen, und 
                        mit großen Freuden zogen sie in das Schloss Geroldseck. 
                        Einige Tage später schrieben die genannten Herren 
                        ihren Freunden, Lehnsleuten, Verwandten und Angehörigen, 
                        erzählten und klagten ihnen, wie der Herr von Lützelhardt 
                        gehandelt und wie er den alten Herrn von Geroldseck im 
                        Gefängnis gehabt habe, um ihn dort nie mehr heraus 
                        und elend im Gefängnis sterben zu lassen.  
                        Darauf 
                        zogen die Herren von Geroldseck mit ihren Verwandten vor 
                        das Schloss Lützelhardt, nahmen und brachen es, wie 
                        man das an dem Burgstall, den die Herren von Geroldseck 
                        innehaben, noch sehr wohl sehen kann.  
                        Die 
                        Lützelhard-Sage Chronik des Matthäus Marschalk von Pappenheim, S. 
                        41-45
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