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| Der Tor trägt das Herz auf der Zunge,Der Weise die Zunge im Herzen |  | |||
| Türkenmode im Schwetzinger Schlosspark | ||||
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| Seit jeher steht die Moschee am Rand des Schwetzinger Schlossgartens im 
      Mittelpunkt von Geschichten und Träumereien. Erbaut unter der Federführung 
      der kurpfälzischen Hofarchitekten Nicolas de Pigage zwischen 1779 und 
      1792 galt das orientalisch anmutende Bauwerk lange Zeit als bloße 
      Kulisse, als Stimmungsträger inmitten anderer Elemente höfischer 
      Lustbarkeiten. Auch die Gerüchteküche trug ihr Teil dazu bei, 
      dem Gebäude einen eigenen Reiz zu verleihen, sollte es doch - so die 
      Mär - für eine orientalische Prinzessin oder gar Mätresse 
      im Gefolge Karl Theodors eine würdige Betstätte bilden. Dass aber die Moschee keineswegs nur Staffage höfischer Lustbarkeiten und auch nicht Zeugnis für die exotischen Liebschaften des Kurfürsten war, zeigt die diesjährige Folge der Sonderführungen im Schwetzinger Schlossgarten, in deren Mittelpunkt der prächtige Bau der Moschee in diesem Jahr steht. Bei der Eröffnung der diesjährigen Führungssaison hielt Susan Richter das einleitende Referat und stellte kurz die Geschichte der Türkenmode im 18. Jahrhundert dar. Im selben Maß, wie das Osmanische Reich als Macht- und Bedrohungsfaktor aus der abendländischen Politik ausschied, wuchs es in die Rolle eines Fantasiepartners hinein, und orientalische Kultur, Philosophie und Kunst wurden im Abendland "modern" - freilich zunächst als eine Mode, eine Marotte der begüterten adligen und großbürgerlichen Kreise. Das war der Weg von der Erbeutung türkischer Kaffeesäcke nach der Schlacht bei Wien zu Bachs Kaffeekantate und zum Kanon C-A-F-F-E-E. Dass dabei der Orient als eine "Insel, wo die Zeit stehengeblieben war" , verkannt wurde, ergibt sich zum einen aus der großen Entfernung, zum anderen aus der Spärlichkeit der Reiseberichte. Orientalischer Luxus konnte nach Meinung der Zeitgenossen einfach nur in einer paradiesischen Umwelt zustande kommen. Dazu trugen auch die Märchen aus 1001 Nacht bei, die am Anfang des 18. Jahrhunderts erstmals übersetzt und damit einem breiteren europäischen Publikum zugänglich wurden. Die Beschäftigung mit dem Orient aber - so losgelöst von den tatsächlichen Gegebenheiten der osmanisch-orientalischen Despotie sie auch war - bot auch eine Möglichkeit, die eigenen Verhältnisse gewissermaßen aus der ironischen Distanz zu betrachten, "kritische Perspektiven" etwa auf "die Gegensätze von Absolutismus und aufgeklärten Regierungsformen, die Bestrebungen um religiöse Toleranz und Rekatholisierungsversuchen" (S. Richter) zu ermöglichen. | |||
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| Die Referentin deckte dabei den inneren Widerspruch auf zwischen dem fürstlichen 
      Bauherrn, der als katholischer Kurfürst der vereinigten pfalz-bayerischen 
      Lande keineswegs religiöse Toleranz übte, im Gegenteil die Dominanz 
      des Katholizismus im Staat förderte, und dem Architekten Nicolas de 
      Pigage, der die Moschee auf dem geistigen Hintergrund und als Symbol von 
      Aufklärung und Toleranz plante und baute. Nun mag aber auch Karl Theodor 
      selbst diesen Widerspruch gesehen haben - bayerische Staatsraison auf der 
      einen Seite, Ideologie der Toleranz auf der anderen Seite, und er mag wohl 
      der "Mode" der Toleranz in Schwetzingen den Platz eingeräumt haben, 
      den er ihr einräumen wollte. Dass er gänzlich unwissend von seinem 
      Hofbaumeister vor vollendete ideologische Tatsachen gestellt wurde, vermag 
      man nicht zu glauben.  Orient in Dichtung und Musik - der Rahmen geht hier von Mozarts Rondo 
        alla Turca, der "Entführung aus dem Serial" und dem türkischen 
        Marsch, der Einbeziehung von Elementen der türkischen Militärmusik 
        (schließlich auch als Türkischer Marsch in Beethovens "Ruinen 
        von Athen") bis zu Goethes "West-östlichem Divan" und den Gedichten 
        Al Hafis. So wie man aber für das Gartenparterre des Schlossgartens 
        mit seinen Allegorien auf Ovids Metamorphosen die gleichzeitige Musik 
        Karl Ditters von Dittersdorfs ("Die vier Weltalter") namhaft machen kann, 
        so steht für die Moschee Lessings Drama "Nathan der Weise" beispielhaft, 
        1780 als programmatische Forderung nach Verwirklichung der religiösen 
        Toleranz geschrieben, fast gleichzeitig mit dem Bau der Schwetzinger Moschee. | |||
| Susan Richter zählte auch die Stilelemente auf, die das Bauwerk in 
      sich vereinigt - progammatische Elemente, und nicht nur Anhäufung einer 
      möglichst großen Zahl an Stimmungsträgern. Da ist zunächst 
      der Kuppelbau selbst, der eher an eine spätantike Zentralkirche erinnert 
      als an eine Moschee im "klassischen" osmanischen Stil. Antik auch der Säulenportikus 
      mit seinen korinthischen Kapitellen. Vordergründig islamisch sind die 
      beiden Minarette links und rechts des Bauwerks, insbesondere der kleine 
      Umgang für den Muezzin in luftiger Höhe. Das Motiv jedoch ist 
      antik, hier diente die Trajanssäule in Rom als Vorbild, die sich dann 
      als Bestandteil imperialer Architektur - verdoppelt und ein zentrales Gebäude 
      flankierend - in Marats Schlossentwurf für Kurfürst Karl Ludwig 
      in Mannheim (1672) und in der Kirche des heiligen Karl Borromäus in 
      Wien wiederfindet. Der jetzt restaurierte zauberhafte Kreuzgang hinter der Moschee greift wohl eigentlich das Motiv des Klosterkreuzgangs auf, nimmt aber auch Bezug auf die Medrisi, die Koranschule unmittelbar an den orientalischen Moscheen, und ist so als Reverenz gegenüber der orientalischen Weisheit zu sehen. Ihr huldigen auch die Sinnsprüche im Innern der Moschee, die keine Koransprüche sind, wie in "echten" Moscheen üblich, sondern Lebensweisheiten, die wiederum den Gedanken der Toleranz und der Distanz verpflichtet sind. Die spezifische Architektur aber gerade des Kreuzgangs mit seinen Pavillons und Lauben in den Ecken und in den Längsseiten zeigt die enge Verbindung zur höfischen Lustbarkeit - die der orientalischen Manier entsprechend sich an die erotischen Geschichten aus 1001 Nacht angelehnt haben dürfte. Was zur Versinnbildlichung von Lessings Ringparabel fehlt, ist ein deutlicher Verweis auf das Judentum und die Architektur der Synagoge. Das aber erscheint nicht notwendig, wenn man den grundsätzlichen Verweis auf die "orientalische" Toleranz in dem Bauwerk erkennt. Die Schwetzinger Moschee als - wenn auch sinnschweres - Bauwerk für höfische Lustbarkeiten erlebte ihre Zweckbestimmung in kurfürstlicher Zeit nicht mehr. Susan Richter verwies darauf, dass erst in badischer Zeit, am Beginn des 19. Jahrhunderts, die Gelegenheit zu rauschenden Kostümfesten an der Moschee war - in "türkischem" Stil. | |||
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| Zeitkolorit: |  Türkenmode und  | ||
| Badische Heimat e.V. Bezirksgruppe Bergstraße - Neckartal (Heidelberg) | |||