| Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zeigt eine groß angelegte
                      Sonderausstellung, die erstmals weltweit die facettenreiche
                      Geschichte der Gattung Tierstillleben vom 16. bis zum 20.
                      Jahrhundert vor Augen führt. Über 120 Gemälde,
                      Aquarelle und Reliefs von bedeutenden Künstlern wie
                      Dürer, Rubens, Weenix, Chardin, Goya, Manet, Ensor,
                      Kokoschka und Beckmann belegen das Interesse an diesem
                      Thema. Neben Werken der eigenen Sammlung bieten rund 90
                      hochkarätige Leihgaben aus Museen in Amsterdam, Antwerpen,
                      Brüssel, Lissabon, London, Madrid, München, Paris,
                      Stockholm, Wien und Zürich Einblicke in einen faszinierenden
                    Bilderkosmos.  Jan Weenix, Der weiße Pfau, 1693, Gemäldegalerie
                    der Akademie der bildenden Künste, Wien
 Die Ausstellung zeigt, wie sich bestimmte Motive herausbildeten
                      und im Laufe der Zeit nicht nur ihre Erscheinung, sondern
                      auch ihre Bedeutung veränderten. Die Schönheit
                      der Natur spielt häufig eine Rolle, aber auch Reflexionen über
                      Vergänglichkeit, Leiden und Tod. Im leblosen Tier
                      erkennt der Mensch seine eigene Sterblichkeit. Religiöse
                      und moralische Mahnungen, so etwa die Warnung vor fleischlicher
                      Begierde, finden sich ebenso wie frivole Anspielungen.
                      Häufig sind Tierstillleben mit der Darstellung biblischer
                      oder antik-mythologischer Geschichten verknüpft. Viele
                      der Bilder nähern sich anderen Gattungen wie der Genre-
                      oder der Landschaftskunst, dem Bildnis oder der Allegorie.
                      Diese große inhaltliche und formale Bandbreite wird
                      in dieser Ausstellung vor Augen geführt. Dabei gilt
                      der deutschen, niederländischen und französischen
                      Kunst besondere Aufmerksamkeit, mit einzelnen Ausblicken
                      auf die italienische und spanische Malerei. In der Zeit der Renaissance entstanden als Auftragswerke
                      von Fürsten die ersten autonomen Darstellungen von
                      erlegtem Wild. Vorläufern wie Cranach folgend, entwickelte
                      sich Ende des 16. Jahrhunderts die Gattung des Tierstilllebens,
                      die ihre erste Blüte in Flandern erlebte. Begehrt
                      waren die Werke von Frans Snyders, der beispielsweise in
                      einem seiner Bilder verlockend aufgebautes Obst und Gemüse
                      mit toten Tieren, aber auch eine neugierige Katze und einen
                      schnüffelnden Hund darstellte. Die Holländer
                      des „Goldenen Zeitalters“ griffen das Thema
                      im 17. Jahrhundert auf: Willem van Aelst malte Jagdstillleben
                      von großer Noblesse, Jan Weenix schuf für seine
                      Auftraggeber repräsentative Arrangements von großer
                      Eleganz.  Hans Cranach, Herkules unter den Dienerinnen der Königin
                    Omphale, 1537, Öl auf Rotbuchenholz, 57,5 x 85,3 cm © Museo
                    Thyssen-Bornemisza, Madrid
 In der französischen und spanischen Malerei des späten
                      18. Jahrhunderts, in Werken von Chardin und Goya stehen
                      meist einzelne, Empathie erweckende Tierkörper im
                      Mittelpunkt. Diese Tendenz weitet sich ab der Mitte des
                      19. Jahrhunderts in den Werken der Impressionisten und
                      dann bei den Expressionisten aus, wobei Form- und Farbexperimente
                      das Tierstillleben im 20. Jahrhundert prägten.  Frans Snyders, Vorratskammer mit Diener, 1615-20, Öl
                    auf Leinwand, 135 x 201 cm, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Alte Pinakothek,
                    München / bpk
  Francisco José Goya y Lucientes, Die gerupfte
                      Pute, 1808/12, Öl auf Leinwand, 44,8
                    x 62,4 cm. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen,
                    Neue Pinakothek, München / bpk
 Über die Epochen hinweg werden neben dem Wandel in
                      der Auffassung des Tierstilllebens auch Verwandtschaften
                      sichtbar: Courbet zeigte sich von der naturalistischen
                      Malweise und Kompositionskunst eines Weenix beeindruckt,
                      Manet setzte sich in seiner Darstellung eines toten Uhu
                      mit der Trompe-l’oeil-Malerei auseinander, der seit
                      der Antike immer wieder aufgegriffenen illusionistischen
                      Malerei. Bei Soutine werden ähnlich wie bei Goya tote Tiere
                      zu Metaphern für menschliches Leiden. Das Motiv des toten Tieres mag heutzutage erstaunen oder
                      sogar irritieren. Wir erschrecken beim Anblick toter Vögel
                      oder Hasen am Straßenrand – Gemälde laden
                      uns dagegen zum Verweilen und Betrachten ein. Die Tierrechtsbewegung
                      hat dafür sensibilisiert, im fühlenden Geschöpf
                      nicht bloß ein „Ding“ zu sehen. Der Blick
                      auf die Bilder in der Ausstellung macht deutlich, dass
                      von Geringschätzung gegenüber den Tieren in den
                      meisten Fällen nicht die Rede sein kann. Viel eher
                      zeugen sie von Bewunderung für ihre Schönheit,
                      bisweilen auch von Empathie, Mitleid und Mitgefühl. Tierstillleben erzählen vom Wandel der Beziehung
                      des Menschen zum Tier. Zudem sind sie ein bedeutsamer,
                      bisher viel zu wenig beachteter Teil der Kunstgeschichte. Begleitend zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog
                      im Kehrer Verlag erschienen mit Beiträgen von Raphaël
                      Abrille, Holger Jacob-Friesen, Markus Lörz, Fred G.
                      Meijer, Ellen Spickernagel, Beate Steinhauser und Barbara
                      Welzel (€ 34,–). Begleitprogramm:Führungen (deutsch): Do, Fr, Sa, So, jeweils 15 Uhr
                      (€ 2,–)
 Führungen (französisch): Sa, So, jeweils 14.30
                      Uhr (€ 2,–)
 Audioguide (deutsch und französisch, sowie deutsch
                      für Kinder ): € 2,
 Öffnungszeiten: Di– Fr 10-17 Uhr, Sa, So und an Feiertagen 10 – 18
                      Uhr Eintritt € 8,–/ erm. € 6,–
 
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