| Sie sind hochästhetisch und dennoch 
                erfasst den Betrachter bei ihrem Anblick das Grauen: Die Objekt-Fotografien
                  der Künstlerin Simone Demandt zeigen alltägliche
                  Gegenstände, thronend auf einem Podest, umfasst von einem
                  Schrein aus Karton – dabei sind es Tatwerkzeuge, Mordinstrumente
                  oder Beweisstücke in schweren Kriminalfällen. In öffentlich
                  nicht zugänglichen Asservatenkammern hat Simone Demandt
                  sie aufgespürt und künstlerisch in Szene gesetzt.
                  Die kriminalistische Neugier des Betrachters wird durch die
                  Fotografien zwar herausgefordert – aber nicht befriedigt.
                  Da die 
                gerichtlichen Verfahren zum Teil noch laufen, darf nichts über
                die Fälle, nichts über das Geheimnis der Dinge und
              der Spuren, die sie tragen, bekannt werden.  Die Banalität der abgebildeten Objekte und ihre Verwicklung
                in ein schweres Verbrechen stehen in einem Widerspruch, der
                vom Betrachter spontan als Anschlag auf die gefühlte eigene
                Sicherheit wahrgenommen wird. Weder Messer noch 
                Revolver als typische Tatwaffen sind Simone Demandt bildwürdig.
                Stattdessen wählte sie Gegenstände, die in jedem Haushalt
                zu finden sind: einen Aschen-becher, einen Kerzenständer
                oder eine Spätzlepresse. Selbst ein Schöpflöffel,
                der an Suppenmahlzeiten im Familienkreis denken lässt, ist
                offenbar in einen fatalen Schicksalszusammenhang geraten und
                diente, wie seine Deformation zeigt, als Tatwerkzeug. Ein Schauer überläuft
                den Betrachter bei der Erkenntnis, welches Unheil die Dinge,
                die ihn im Alltäglichen umgeben, anrichten können und
                wie bedrohlich das scheinbar Harmlose ist. Das Böse ist
                banal. Und es schlummert offensichtlich überall. 
 Die Kluft zwischen Simone Demandts hoher fotografischer Kunst
                und den menschlichen Abgründen, von denen ihre Bilder erzählen,
                stellen den Betrachter vor ein paradoxes Problem: Soll er die
                Fotografie bewundern, Simone Demandts Beherrschung künstlerischer
                Mittel anerkennen? Oder die Ohnmacht des Opfers nachempfinden,
                das fotografierte Objekt missbilligen und das Verbrechen verurteilen?
                Hinzu kommt: Neben den Alltagsgegenständen, die zufällig,
                vielleicht sogar unabsichtlich zu Waffen wurden, finden sich
                auch raffinierte Konstruktionen, die Ausdruck eines kriminellen
                Vorsatzes sind: eine chemische Apparatur zur Gewinnung von Rauschgift,
                eine Madonna aus Plastiksprengstoff bis hin zu einem selbst gebauten
                Revolver im Kugelschreiber. Um zu begreifen, wozu ein mit Gafferband
                umwickeltes Abflussrohr mit Inversionsklappe und Sägengriff
                gedacht ist, fehlt dem braven Normalbürger die Vorstellungskraft.
                Doch angesichts 
                dieser menschlichen Perfidie kann der Besucher der Ausstellung
                nicht umhin, den Einfallsreichtum und das handwerkliche Geschick
                der Täter anzuerkennen. Das Böse bricht sich Bahn durch
              eine schier unerschöpfliche perverse Kreativität.
 Der Konflikt zwischen Alltag und Verbrechen, Voyeurismus und
                Kunstgenuss, krimineller Energie und künstlerischem Genius
                ist nicht aufzulösen. Da dem Betrachter der „Instrumenta
                Sceleris“ keinerlei Wissen über die näheren Umstände
                der Tat an die Hand gegeben wird, ist er allein konfrontiert
                mit der nüchternen und unprätentiösen Art der
                Aufnahme. Die Objekte entfesseln vor seinem inneren Auge Bilder
                des Grauens. Betroffen von den menschlichen Schicksalen hinter
                den Dingen versucht er sich an einer Deutung und erzählt
                sich die Geschichte des Falls ins Spekulative weiter. Die schlichte äußere
                Form der Objekt-Fotografie wird dadurch zur Momentaufnahme innerhalb
                eines fiktiven Handlungsablaufs – genährt von den
                ureigenen inneren Ängsten und medial geprägten Schreckensbildern
                im Kopf des Betrachters. Wer die „Instrumenta Sceleris“ betrachtet,
                sieht seine eigenen Albträume. Und dennoch hat die Ausstellung nicht den Charakter eines Gruselkabinetts.
                Simone Demandt zeigt – und das ist wesentlich zum Verständnis
                ihres Werkes –keine Asservate, sondern nur Abbildungen
                von Asservaten. So bannt sie die                Instrumente des Verbrechens mit den Waffen der Kunst: Als zweidimensionale
                Fotografien können sie dem, der sie ansieht, nichts anhaben.
                Auch die Bildtitel sprechen für eine Deutung der Werke als
                bloße Abbildung: Sie bestehen 
                aus kryptisch anmutenden Zahlenkombinationen und nicht aus anschaulichen
                Begriffen, wie Hammer, Strumpfhose oder Spätzlepresse, die
                nur wieder das 
                offensichtlich Fotografierte bezeichnet hätten. Der Nummer
                eines Negativbogens folgt das Jahr der Aufnahme sowie ein Nummernzeichen
                mit der Bildnummer des Motivs auf dem Bogen. Der Werktitel ist
                also quasi eine Inventarnummer, die 
                die Auffindbarkeit des Fotonegativs im Archiv der Künstlerin
                suggeriert. Die 
                Fotografien der archivierten Asservate sind damit wiederum zu
              Objekten einer Sammlung geworden. Angesichts dieser abstrakten Bezüge und der Schwierigkeit
                des Betrachters, 
                anhand eines zweidimensionalen Bildes eine kriminologische Spurensicherung
                zu betreiben, wird die objektive Aussagekraft der Dinge systematisch
                hinterfragt. Wie hält es ein Objekt überhaupt mit der
                Objektivität? Was, wenn es die Aussage nicht nur in der
                Ausstellung, sondern auch später vor Gericht verweigert?
                Gleich, wie intensiv die Detektivarbeit geleistet wird – kriminologisch
                oder kunsthistorisch – am Ende steht womöglich doch
                kein überführter Täter, kein geklärtes Motiv,
                vielleicht nicht einmal eine kriminelle Straftat... So bleibt dem Betrachter nur, seine eigenen subjektiven Schlüsse
                zu ziehen, seine Imagination auf die Dinge zu projizieren. Simone
                Demandts „Instrumenta 
                Sceleris“ werden damit zu szenenreichen Lehrstücken,
                die den bürgerlichen Glauben an die Sicherheit, die Ordnung
                der Dinge, den Kunstbegriff, ja selbst die Wahrnehmung und die
                objektive Urteilskraft infrage stellen.                 Simone DemandtInstrumenta Sceleris – Asservate des Verbrechens
 (22.2. – 17.8.2014, Museum beim Markt Karlsruhe)
 ÖffnungszeitenDi – Do 11 – 17 Uhr,
 Fr – So, Feiertage 10 – 18 Uhr
 Eintritt: 2 €, erm. 1€
 
 |