|  Silberschmieden
                      verlangt Kraft, technisches Geschick und Fantasie beim
                      Gestalten. Nach 1900 ergriffen immer
                      mehr
                      Frauen den Beruf der Silberschmiedin, setzten sich erfolgreich
                      gegen männliche Konkur-renz und Vorurteile durch und
                      konnten teilweise von ihren Arbeiten leben. Eine kleine
                      Revolution in der Zeit des künstlerischen und sozialen
                      Aufbruchs zur Jahrhundertwende: Manche der Frauen wurden
                      zu vielfach ausgezeichneten Vorreiterinnen der Moderne. „Frauen-Silber:
                      Paula Straus, Emmy Roth & Co. Silberschmiedinnen der
                      Bauhauszeit“ heißt die neue Sonderausstellung,
                      die im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (Museum beim Markt)
                      Werk und Vita von 15 bedeutenden Kunsthandwerkerinnen aus
                      Deutschland, Österreich und der Schweiz beleuchtet.
                      Die Ausstellung zeigt mehr als 180 Exponate, darunter viele
                      aus Privatbesitz, die in Karlruhe erstmals zu sehen sind.
                      Gemeinsam mit dem Begleitbuch nimmt sie so eine bislang
                      ausgebliebene Korrektur in der Geschichte des Kunsthandwerks
                      und des Designs im 20. Jahrhundert vor.
 Die Stuttgarterin Paula Straus (1894-1943) entwarf von
                      1925 an im Atelier einer Silberwarenfabrik Modelle für
                      mehr als 100 Kaffee- und Teeservice, Leuchter, Dosen, Vasen,
                      Toilettengarnituren und Bestecke, die auch in Serie produziert
                      wurden. Sie kann daher als die erste und erfolgreichste
                      moderne Designerin gelten. Straus widmete sich auch der
                      Schmuckherstellung. Ihre Karriere wurde durch den Nationalsozialismus
                      beendet: 1939 erhielt sie als Jüdin Berufsverbot,
                      1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, 1943 starb
                      sie in Auschwitz.   Emmy
                        Roth (1885-1942), die zweite Titelprotagonistin
                        (Bild rechts: Wanda von Debschitz-Kunowski, Ullstein-Verlag,
                        Debschitz-Kunows), trat von 1925 an in Berlin mit charaktervollen,
                        eigenwilligen Silberarbeiten in Erscheinung, zu denen
                        moderne Services,
                      Vasen und Lampen ebenso wie Dosen und Leuchter gehörten.
                      Von 1933 an lebte die Deutsche jüdischer Herkunft
                      im französischen, holländischen und israelischen
                      Exil, bevor sie sich 1942 in Tel Aviv das Leben nahm. Roths
                      weltweit bekannte und beachtete Unikate befinden sich heute
                      meist in Privatbesitz, da sie oft Auftragsarbeiten waren
                      und nur wenige Museen die Werke der ausgewiesenen Produktdesignerin
                      zu ihrer Lebzeit ankauften.
 Ungewöhnlich lesen sich auch die Lebensläufe
                      der 13 weiteren Frauen in der Ausstellung: Einige Künstlerinnen
                      blieben unverheiratet, um ihren Beruf ausüben und
                      Karriere machen zu können; andere – unter ihnen
                      Eva Mascher und Hildegard Risch, Gemma Wolters-Thiersch
                      und Erika Petersen – gründeten Werkstätten
                      und versuchten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Künstlerisch
                      galt allen das Credo der „sachlichen Form“,
                      das ihre Silberarbeiten von den Dekoren des zahlreiche
                      Abbildungen von und 18. und 19. Jahrhunderts reinigen sollte.   Trotz des gemeinsamen Nenners einer sachlichen Gestaltung
                      gelang es jeder Silberschmiedin, einen eigenständigen
                      Stil zu entwickeln. Er ließ Geist und Haltung, aber
                      auch die einzigartige Technik der Urheberin erkennen und
                      machte ihre Arbeit unverwechselbar. Die kultur- und ideengeschichtlich
                      wohl prominentesten Werke aus privater Hand stammen von
                      der Emailleurin Gemma Wolters-Thiersch (1907-1994), die
                      dem Kreis um Stefan George nahe stand und dem Dichter 1928
                      einen Lorbeerkranz aus Gold schmiedete. Auf sie geht auch
                      ein silberner Becher mit mythologischen Darstellungen aus
                      Email zurück (1935), der bei priva-ten Lesungen aus
                      Georges Werk genutzt worden sein soll.
 „Frauen-Silber“ wird in Karlsruhe von einem
                      abwechslungsreichen Programm begleitet. Im Anschluss ist
                      die Ausstellung vom 7. Juli bis zum 9. Oktober 2011 im
                      Berliner Bröhan-Museum zu sehen. Der Katalog ist in
                      die Kapitel „Kunsthandwerk und Industriedesign“, „Gold-
                      und Silberschmiedinnen“ und „Werkstattgemeinschaften“ unterteilt,
                      enthält Texte über Paula Straus, Emmy Roth, Christa
                      Ehrlich, Erika Spitzbarth-Petersen, Gemma Wolters-Thiersch,
                      Eva Mascher-Elsässer, Hildegard Risch, Eilfriede Berbalk,
                      Marianne Lock-Brandt, Martha Flüe-ler-Haefeli, Marga
                      Jess, Marcelina Preiswerk-Gams, Elisabeth Treskow, Hilde
                      Vollers und Erna Zarges-Dürr sowie viele Abbildungen
                      (Info Verlag, 26,90 €).  
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