|  Sammeln 
                hat in der Biographie des Menschen große Bedeutung. Mit dem Sammeln 
                wird ja nicht nur das Gesammelte bewahrt, sondern auch eine Erinnerung 
                an gelebtes Leben.Sammellust und -leidenschaft folgen einer Gefühlslogik 
                mit subjektiven Ordnungsgesichtspunkten und Bedeutungszuschreibungen. 
                Ende des 18. Jahrhunderts entstand in Deutschland der Typus der 
                aufgeklärten, bürgerlichen Privatsammlung, mit am bekanntesten 
                ist Goethes Kunst- und Naturaliensammlung.
 Goethe schätzte seinerzeit den Sammler und Kunstgelehrten Sulpiz 
                Boisserée und dessen Sammlung sakraler deutscher und niederländischer 
                Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts, obwohl sie in klarer Diskrepanz 
                zu seiner klassizistischen Kunstanschauung stand. Sulpiz Boisserée 
                und sein Bruder Melchior sahen in ihrer Sammlung ein Modell christlich-nationaler 
                Malerei, die bildend und beispielhaft für die zeitgenössischen 
                Künste wirken sollte. Sulpiz, der ältere der beiden Brüder, fungierte 
                als Repräsentant für die Sammlung und feilte am kunsthistorischen 
                Konzept, der jüngere, Melchior, kümmerte sich als Händler hauptsächlich 
                um die Erwerbungen. Der Jurist und Philosoph Johann Bertram war 
                der dritte der "Gesellen" (so nannte Goethe nach seinem zweiten 
                Besuch der Boisseréeschen Sammlung die drei Kunstsammler). Er 
                galt als skurriler Mensch, der das Sammlungsprojekt leidenschaftlich-strategisch 
                vorantrieb. Er war es, der den Besuchern im Palais Sickingen am 
                Heidelberger Karlsplatz - hier wurde die Sammlung bewahrt - die 
                Bilder zeigte, die er dort "effektvoll und bey Beleuchtung"(Goethe) 
                zu präsentieren wusste. Die Sammlung enthielt Werke u.a. von Lucas 
                van Leyden, Albrecht Dürer, Johann van Eyck, Lucas Cranach und 
                Rogier van der Weyden. 
               Auf der Kreidelithographie von Dominik Haiz sehen wir Sulpiz 
                Boisserée (1783 - 1854) sozusagen als Vertreter der drei "Gesellen", 
                konservativ-bürgerlich gekleidet, im satinbesetzten Samtrock mit 
                stoffbezogenen Knöpfen, weißem Hemd und steifem Kragen, darum 
                festgebunden das schwarz-seidige Plastron. Der Zeichner-Lithograph 
                Haiz gibt hier mit zart abgestuften Schraffuren das Brustbild 
                eines selbstbewusst dreinblickenden Bürgers wieder, dessen privates 
                Sammeln identitätsstiftend, kommunikativ und bildend wirkte, und 
                durch das er "mit allen Menschen in ein Verhältnis kommen konnte" 
                (Goethe). 
               Angelika Dirscherl 
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