|  „
  Höllisches Inferno“, „Höllenmusik“, „Höllenfeuer“ – oder „Fastnacht
                  der Hölle“: Frontsoldaten wie der Schriftsteller Ernst
                  Jünger beschrieben mit einer Mischung aus Faszination und
                  Grauen ihre Erlebnisse im Ersten Weltkrieg, der die menschlichen
                  Sinne mit Eindrücken von ungeahnter Dimension überwältigte.
                  Das Haus der Geschichte Baden-Württemberg zeigt in der Großen
                  Landesausstellung „Fastnacht der Hölle – Der
                  Erste Weltkrieg und die Sinne“ vom 4. April 2014 bis zum
                  1. März 2015, wie dieser Krieg alle Maßstäbe
                  der Wahrnehmung sprengte.  „Der Erste Weltkrieg war der Beginn allen Unheils danach – in
                mancher Hinsicht bis heute“, sagte Museumsleiter Dr. Thomas
                Schnabel bei der Eröffnungspressekonferenz am 3. April. „Menschen
                verloren in sinnlosen Schlachten ihre Individualität, sie
                wurden massenhaft wie Material verheizt." Die Sonderschau
                im Haus der Geschichte Baden-Württemberg rückt die
                Menschen und ihre Erfahrungen mit dem ersten industrialisierten
                Krieg in den Mittelpunkt. Wie wirkten sich der infernalische
                Lärm der Explosionen, der beißende Verwesungsgestank
                in den Schützengräben, der Hunger in der Heimat, das
                unermessliche seelische und körperliche Leid auf sie aus?   „Wir
                rücken mit den Sinneserfahrungen die existentielle Dimension
                dieses gewaltigen Kriegs ins Zentrum“, erklärte Ausstellungsleiterin
                Prof. Dr. Paula Lutum-Lenger. Das beginnt mit fünf Sinnesstationen,
                in denen jeweils eine typische Empfindung aus der Zeit des Ersten
                Weltkriegs simuliert wird: etwa der Geruch der tückischen
                neuen Waffe Phosgen-Gas oder der Geschmack eines nach Kriegsrezept,
                also ohne Milch, Fett und Eier, gebackenen Zwiebacks. Die historischen
                Ausstellungsstücke werden in drei Großvitrinen im
                Grundriss von sechs auf acht Meter präsentiert – je
                eine für die Bereiche Front, Etappe und Heimat. Paula Lutum-Lenger: „Der
                Krieg klingt, riecht oder schmeckt anders an der Front als in
                der Etappe und in der Heimat.“ Mit Hilfe eines speziellen
                Projektionsverfahrens, das Ausstellungsarchitekt Thomas Hundt
                (jangled nerves) unter Aufnahme des historischen Illusionstricks „Pepper’s
                Ghost“ entwickelt hat, werden die Zitate scheinbar in die
                Luft über die Objekte geschrieben. Filmausschnitte, Fotos
                oder Illustrationen ergänzen die Exponate.
 Die Große Landesausstellung „Fastnacht der Hölle“ hat
                einen Etat von 600.000 Euro, den zu je einem Drittel das Land
                Baden-Württemberg, das Haus der Geschichte und sein Förderverein
                tragen. „100 Jahre nach seinem Ausbruch scheint uns der
                Erste Weltkrieg fern zu sein, aber er hat die Welt und unsere
                Wahrnehmung tiefgreifend verändert“, sagte Dr. Manfred
                Fuchs, der Vorsitzende des Vereins zur Förderung des Hauses
                der Geschichte. Er begründete das finanzielle Engagement
                des Vereins, das die Ausstellung erst möglich gemacht hat: „Diese
                Tragödie für die Menschen unserer Zeit erfahrbar zu
                machen, ist wichtig.“   Zerlegen von Schlachtvieh hinter der Front, 1916
 Oben: Quartettspiel 'Durchhalten', um 1917. Beide © Haus der Geschichte
  BW
   Außergewöhnliche Exponate verdeutlichen in der Sonderausstellung,
                wie der Erste Weltkrieg die Sinne beanspruchte und belastete.
                Zu sehen ist unter anderem die bislang einzige bekannte Packung
                von Ohropax speziell für Soldaten: Damit die Frontkämpfer
                dem schrecklichen Lärm trotzen konnten, hatte die Herstellerfirma
                einen Großauftrag für das deutsche Heer bekommen.
                Wie stark Sehnsucht sein konnte, zeigt die oft mit liebevollen
                Dreingaben versehene Feldpost des Soldaten Adolf Mann, der seiner
                Frau in den fünf Kriegsjahren rund 1300 Briefe schrieb.
                Eine Luftbildkamera steht für den immensen technischen Fortschritt,
                der mit dem Blick von weit oben neue optische Dimensionen ermöglichte. Rechts: Handgranatenwerfer an der Westfront, 1915© hdg
  Das Begleitprogramm mit Rundgängen, Vorträgen, Workshops
                und Diskussionen schlägt Brücken in die Gegenwart.
                In der Adventszeit begleitet außerdem eine Weihnachtsausstellung
                die Sonderschau: „Das Friedensfest in Kriegszeiten“ ist
                ab 27. November 2014 im Galerieraum des Hauses der Geschichte
                zu sehen. Die Ausstellung zeigt, wie die Menschen im Ersten Weltkrieg
                an der Front und in der Heimat Weihnachten feierten. Was empfanden
                sie ohne die Liebsten? Welche Hoffnungen verknüpften sie
                mit dem Christfest? Welche Ängste standen sie durch?  Informationen zu „Fastnacht der Hölle“ und
                den Veranstaltungen finden sich im Internet unter
  www.krieg-und-sinne.de. Text: hdgbw |