|  Es geschieht selten, dass ein Jubiläum doppelt gefeiert
                      wird, und fast möchte man an Konkurrenz denken. Erwartet
                      hatte man die Ausstellung zum 250. Geburtstag der Ludwigsburger
                      Porzellanmanufaktur im Landesmuseum Württemberg, das
                      in seiner Außenstelle im Ludwigsburger Schloss den
                      reichen schatz dieser Manufaktur hütet. Dass gleichzeitig
                      im Museum für angewandte Kunst in Köln eine Schau
                      gezeigt wurde, hing mit der Faszination zusammen, die diese
                      Preziosen der höfischen Kultur des 18. Jahrhunderts
                      bis heute auf Sammler ausübt – und hier vor
                      allem auf den Kölner Sammler Reinhard Jansen. Seine
                      Privatsammlung bildete den Kern der Schau, die so noch
                      nie zu sehen war und wohl auch nicht so bald mehr zu sehen
                    sein wird.
 Die Ludwigsburger Manufaktur iste ine der jüngsten im
                      Reich und sollte wie alle anderen den Bedarf des Hofs und
                      der Hofgesellschaft an repräsentativen Objekten stillen.
                      Ursprünglich als Tafelaufsatz konzipiert, dürften sich
                      ihre Erzeugnisse bald von dieser Funktion befreit haben
                      und dienten als solitäre Schmuckstücke im Raum und auch
                      in Sammlungen oder als Geschenke für entsprechend repräsentationsbewusste
                      Gäste. Auch wenn das wohlhabende und situierte Bürgertum
                      diesen Brauch udn die Art des Umgangs mit den Porzellanfiguren
                      aufgriff, blieb doch die damals vorbildhaft angesehene
                      Lebenwelt des Adels bestimmend für die auswahl der dargestellten
                      Themen.  Zu seiner Ausstellung legte das Kölner Museum                      einen Katalogband vor, dem wie kaum einem anderen das Prädikat „nachhaltig“ gebührt. Kurz gehalten ist der Einleitungsteil, in dem die Ludwigsburger
                      Manufaktur sowie die dort tätigen Modelleure und ihr
                      spezifischer Stil vorgestellt werden. Mit Franz Joseph
                      Ess wird ein bislang unbekannter Meister der Porzellankunst
                      identifiziert. Zwei größere Artikel befassen
                      sich mit der spezifischen Bildwirkung einiger Stücke – auf
                      der Medienbühne des 18. Jahrhunderts waren sie unter
                      den wenigen Trägern bildlicher Aussagen. das ist Ikonografie,
                      die Lehre von der Bildwirkung eines einzelnen, ganz bestimmten
                      Elements, eines Fruchtkorbs z.B., der den Herbst, oder
                      einer Blumengirlande, die den Frühling symbolisiert.
                      Sind diese Bildinhalte auch heute noch leicht entschlüsselbar,
                      enthüllen sich die erotischen Andeutungen nicht so
                      ohne weiteres. Der Aufsatz bringt hier auch in den Abbildungen
                      die notwendigen Details, um die Ausführungen nachvollziehen
                      zu können. Der zweite Aufsatz stellt differenziert dar, was die Alltags-
                      und Festwelt der Auftraggeber am besten widerspiegelt:
                      die höfische Kleidung. Dieses ganze Mode-Universum
                      nachzuverfolgen braucht es in jedem Fall mehr Ruhe als
                      in einem gewöhnlichen Ausstellungsbesuch möglich
                      ist.  Doppelseite aus dem besprochenen Band
 Auf diese recht kurz gehaltene Einleitung folgt mit 149
                      Stücken auf 275 Seiten der eigentliche Katalogteil,
                      der so ausführlich gehalten – und vor allem
                      illustriert – ist, wie es verlegerisch nur verantwortbar
                      war. Die Objektgruppen haben eine eigene Werk-Einleitung,
                      und den meisten der Einzelobjekte ist eine Doppelseite
                      gewidmet, auf denen sie weniger beschrieben als vielmehr
                      in allen Details abgebildet werden. Dazu gehört auch die Serie der „Venezianischen
                      Messe“, die auch in Stuttgart den Kern der Ausstellung
                      bildete. Sie gelangte den einleitenden Ausführungen
                      zufolge 1994 über den Münchner Kunsthandel „aus
                      altem französischem Privatbesitz“ in die Sammlung,
                      stellt also neben dem Bestand des Landesmuseums Württemberg
                      und dem 1995 verkauften markgräflich badischen Bestand
                      die dritte große Sammlung dieses Sujets dar. Dazu
                      gehören ebenso die – größeren und
                      detailreicheren – allegorischen Figuren, die Spottfiguren
                      und galanten Szenen.  Auch ohne die Ausstellung besucht
                      zu haben ist das Buch ein Genuss. Die ganzseitigen Farbabbildungen
                      sind bestechend, die Detailbilder lassen spontan daran
                      denken, dass man sich in einer Präsentation bei diesem
                      nahen Blick unweigerlich den Kopf an der Scheibe anstieße. |