Vom 9. April bis zum 28. August 2011 zeigt das Museum
für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts seine fünfte
Ausstellung unter dem Titel „SCHÖNER. WOHNEN.
DAMALS. Die Erfindung der bürgerlichen Familie im
19. Jahrhundert.“
Zuhause: Jeder kennt es, jeder hat eins, etwas so Selbstverständliches
hat es immer schon gegeben - wirklich? Oder ist das Zuhause
eine ähnlich „neue Erfindung“ wie der
heutige Mensch (Michel Foucault)? Neben den vielen technischen
Erfindungen und künstlerischen Innovationen zählt
auch der private bürgerliche Haushalt zu den Neuerungen
des 19. Jahrhunderts, die uns bis heute prägen. Zwischen
Biedermeier und vorfabrizierten Küchenprodukten eröffnet
sich das historische Spannungsfeld von Privatisierung und
Industrialisierung des häuslichen Alltags, von Intimisierung
und zugleich Standardisierung des Familienlebens.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die häuslichen
Objekte - Möbel, Werkzeuge, Kleidung, Küchengeräte – Einzelstücke.
Gegen Ende des Jahrhunderts gab es bereits Massenprodukte,
Maschinen und Wegwerfartikel in den wohlhabenderen Haushalten.
Auch der familiäre Gefühlshaushalt revolutionierte
sich grundlegend. Kindheit und Jugend bildeten sich als
symbolische und wirtschaftliche Abgrenzung überhaupt
erst aus, die bürgerliche Familie emanzipierte sich
von aristokratischen oder bäuerlichen Lebensmustern.
Die Ausstellung widmet sich dem Wandel der Beziehung
zwischen den Gegenständen und praktischen Abläufen im
Haushalt einerseits und ihrer technischen, symbolischen,
künstlerischen oder religiösen Deutung andererseits
im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Was bedeuteten im Haushalt
um 1800 Ernährung, Vorrat und Vorsorge, Hygiene und
Gesundheit, Liebe, Sexualität, Erziehung, Frömmigkeit,
Bildung - und was bedeuteten sie am Ende des 19. Jahrhunderts?
Der Ausstellungsbesucher wird eingeladen, sich durch
verschiedene Zimmer und Lebensbereiche zu bewegen: die
Küche als
soziales Zentrum mit offener Feuerstelle und als einziger
beheizter Raum, der einst Leben, Waschen, Kochen und vieles
mehr miteinander verband. Zum Ende des 19. Jahrhunderts
glänzten dann bereits emaillierte Industrieherde in
den Küchen und erleichterten das Arbeiten. Das Private
trennte sich in vor Besuchern verborgene Zimmereinheiten
einerseits und repräsentative Salons für das
gesellschaftliche Leben andererseits. Separate Toiletten
und Bäder trugen den medizinischen und hygienischen
Erkenntnissen erst gegen Ende des Jahrhunderts Rechnung.
Der soziale Unterschied innerhalb des Bürgertums wurde
sichtbar durch das Herrenzimmer, die Bibliothek, die Dienstmädchenkammer
sowie den Dienstboteneingang in die Küche. Neue Gegenstände
wie Glasflaschen, Gaslampen und Uhren aus Massenproduktionen
holten die industrielle Revolution langsam aber unweigerlich
in die privaten Haushalte. In der Gegenüberstellung
von historischen Alltagsgegenständen mit Gemälden
fragt die Ausstellung: Wie interpretierten die Ingenieure,
wie die bildenden Künstler den tief greifenden Wandel
des häuslichen Lebens?
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