|                 Wissenschaftliche Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte mit
              den Archivbeständen der Reiss-Engelhorn-Museen Historikerinnen und Historiker des Mainzer Leibniz-Instituts
                für Europäische Geschichte (IEG) widmen sich der historischen
                Aufarbeitung der Archivbestände zur Weltkulturen-Sammlung
                an den Reiss-Engelhorn-Museen (rem). Am Beispiel der Expeditionstagebücher
                der Mannheimer Lokalberühmtheit Theodor Bumiller (1864-1912)
                leisten sie einen Beitrag zur Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte.
                Die rem besitzen ein Konvolut Bumillers, das unter anderem Objekte
                aus Ostafrika sowie diverse Expeditionstagebücher umfasst.
                Jetzt wird die Transkription zweier dieser Tagebücher aus
                der Kolonialeroberung Ostafrikas, dem heutigen Tansania, vorgelegt.
                Damit werden wichtige zeitgenössische Quellen zugänglich,
                die einerseits Aufschlüsse über die Zusammenhänge
                zwischen Kolonial-, Expeditions- und Wissenschaftsgeschichte
                im ausgehenden 19. Jahrhundert liefern. Andererseits setzen sie über
                die in Mannheim als Kolonialhelden gefeierte Person Bumillers
                und seine in den rem verwahrte ethnographische Sammlung Stadt
                und Region in Bezug zu Eroberung und kolonialer Gewalt in Übersee.
                Dank des Stadtarchivs Mannheim liegen Bumillers Originaltexte
              auch digitalisiert vor. Theodor Bumiller nahm als Adjutant Hermann von Wissmanns (1853-1905),
                dem kaiserlichen Reichskommissar und späteren Gouverneur
                von Deutsch-Ostafrika, an einer Militärexpedition zum Kilimandscharo
                sowie an weiteren Eroberungsfeldzügen der sogenannten „kaiserlichen
                Schutztruppe“ für die Kolonie Deutsch-Ostafrika teil.
                Als Adjutant war er unter anderem für die Führung der
                offiziellen Tagebücher der Expeditionen verantwortlich.
                Diese stellen ein wertvolles historisches Zeitdokument dar, das
                Einblicke in das Binnenleben des Unternehmens „Expedition“ wie
                auch den militärisch codierten Umgang mit dem kolonialen
                Fremden in Ostafrika gewährt. In den letzten Jahren ist das wissenschaftliche und öffentliche
                Interesse am deutschen kolonialen Ausgreifen in die Welt sprunghaft
                angestiegen. In den Archiven der ethnologischen Museen befinden
                sich bis heute vielfach unentdeckte Schätze und wichtige
                Quellen - so auch in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. Die
                Beschäftigung mit Bumiller und seinen Tagebüchern wurde
                ursprünglich durch Prof. Dr. Johannes Paulmann, heute Direktor
                des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in
                Mainz und bis 2011 Professor für Neuere und Neueste Geschichte
                an der Universität Mannheim, und Dr. Bernhard Gißibl,
                heute wissenschaftlicher Mitarbeiter am IEG, angestoßen.
                Zwei der Bumiller-Tagebücher wurden daraufhin von der Masterstudentin
                Katharina Niederau transkribiert: „Expedition nach dem
                Kilimandscharo, Januar - Februar 1891, Officielles Tagebuch geführt
                von Dr. Bumiller, Adjutant“ und „Tagebuch für
                die Expedition nach Mpwapwa, geführt von Dr. Bumiller, Adjutant
                des kaiserlichen Reichscommissars für Ostafrika [1889]“.
                Dank dieser Initiative, die durch die Universität Mannheim
                finanziell unterstützt wurde, können die Tagebücher
                nun für Wissenschaft und Öffentlichkeit zugänglich
                gemacht werden. Eine Publikation zu den Expeditionstagebüchern
                ist geplant. Theodor Bumiller (1864 - 1912)Theodor Bumiller wurde am 22. Juni 1864 in Landstuhl (Rheinpfalz)
                  geboren. Er war mit Emilie Lanz, der Tochter des Mannheimer
                  Maschinenfabrikanten Heinrich Lanz, verheiratet. Bumiller studierte
                  in Heidelberg, Göttingen und Berlin und schloss mit Promotion
                  ab. 1889 trat er in die sogenannte „kaiserliche Schutztruppe“ ein,
                  die vom damaligen kaiserlichen Reichskommissar Hermann von
                  Wissmann zur Bekämpfung einer lokalen Widerstandsbewegung
                  an der ostafrikanischen Küste (in zeitgenössischen
                  Quellen als „Araberaufstand“ bezeichnet) aufgestellt
                  wurde. In den folgenden Jahren beteiligte sich Bumiller an
                  weiteren Eroberungsfeldzügen und Militäraktionen,
                  zum Beispiel an der Kilimandscharo-Expedition 1891. 1896 verließ Bumiller
                  Deutsch-Ostafrika und war an verschiedenen Stellen der Kolonialadministration
                  beschäftigt, unter anderem in Paris und Kairo. Er unternahm
                  weiterhin ausgedehnte Reisen, darunter eine Expedition nach
                  Sibirien. 1912 ging er als Kriegsberichterstatter in die Türkei,
              wo er am 26. November in Konstantinopel an Cholera starb.
 Die SammlungenNach zeitgenössischen Berichten soll das Haus, das Theodor
                Bumiller mit seiner Frau im Zentrum Mannheims bewohnte, einem
                kleinen Museum geglichen haben. Bereits 1889 und 1894 fanden
                in Mannheim Sonderausstellungen mit Bumillers Objekten statt,
                die er bei seinen Aufenthalten vor allem in Ostafrika zusammengetragen
                hatte. Acht Jahre nach seinem Tod übergab seine Frau 1920
                die Sammlung mit naturkundlichen und ethnographischen Gegenständen
                aus Afrika und Asien als Geschenk an die Stadt Mannheim. Die
                Stadt präsentierte Bumillers Sammlungsbestände unter
              der Nennung seines Namens von 1926 bis 1936 im Zeughaus.
 Heute bildet die Bumiller-Sammlung mit über 1.000 Objekten
                den Grundstock der Ostafrika- Sammlungen in den ethnologischen
                Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen. Ein Schwerpunkt der
                Sammlung liegt auf der materiellen Kultur der Massai. Neben zahlreichen
                Waffen finden sich auch Schmuck, Kleidung und Alltagsgegenstände. „Waffen, Speere, Zeug, Pulver, Schmuck, gefangene Weiber
                und Kinder werden in unzähliger Menge herbeigeschafft. “(Tagebuchauszug / Kilimandscharo fol. 81v / Eroberung einer befestigten
                Wohnanlage eines mächtigen Lokalherrschers namens Sina von
                Kiboscho nahe des Kilimandscharo / Frühjahr 1891)
 
 
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