Mythos Ritter. Adel und Burgen am Mittelrhein - Vorstellung
und Realität
Burgen und Burgruinen auf den Anhöhen beiderseits des Flusslaufes
prägen maßgeblich die Landschaft am Mittelrhein. Mit diesem einmaligen
Panorama sind seit der Romantik untrennbar Bilder von edlen Rittern
und tugendhaften Burgfräulein verknüpft.
Die Ausstellung geht der Frage nach, wie diese Vorstellungen entstanden
sind und was sie mit der Realität von Adel und Burgen am Mittelrhein
gemein haben.
Schon im Hochmittelalter, der Blütezeit des Rittertums in Europa,
entwarfen Dichter ein idealisiertes Bild der Ritter. Aus streitlustigen
und nicht selten rücksichtslosen Kämpfern wurden strahlende Helden,
die die Armen und Schwachen schützten und treue Diener der Kirche
waren.
Im Spätmittelalter (1250 - 1525) verloren einerseits die "echten"
Ritter ihre tragende Bedeutung im Kriegswesen, andererseits entfaltete
der Mythos vom Rittertum eine enorme Wirkung. Selbst Könige und
Kaiser wollten als Ritter angesprochen werden und die Kultur der
Ritterlichkeit galt als Inbegriff der feinen Lebensart.
Das 19. Jahrhundert griff diesen Mythos mit Macht wieder auf.
Dabei ging es nicht nur um historische Forschung, sondern in einer
sich rasant verändernden Zeit auch um die Rückversicherung einer
idealisierten Vergangenheit.
Wenn in der Gegenwart mit erneuter Begeisterung ritterliches Leben
nachempfunden und auf zahllosen Mittelalterveranstaltungen in
Szene gesetzt wird, ist die Vorlage in der Regel dieses idealisierte
Ritterbild des 19. Jahrhunderts.
Krieg und Fehde
Kriegerische Auseinandersetzungen
waren im Mittelalter nicht ungewöhnlich. Als schwere gepanzerte
Reiter waren die Ritter im Hochmittelalter von entscheidender
militärischer Bedeutung. Eine offene Feldschlacht mit Hunderten
von Rittern suchte man nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Kosten
dafür waren immens und eine Niederlage in der Regel kriegsentscheidend.
Eine Zermürbungstaktik das bevorzugte Kampfmittel. Dabei wurden
gegnerische Ortschaften überfallen, Felder verwüstet und Verkehrswege
zerstört. Die Hauptlast des Krieges hatte damit die ländliche
Bevölkerung zu tragen. Ähnlicher Methoden bediente sich der Adel
bei seinen Fehden. Im Mittelalter gab es noch kein Gewaltmonopol.
Vielmehr sah es der Adel als sein legitimes Vorrecht an, sich
gegen erlittenes persönliches Unrecht nach angemessener Ankündigung
mit Waffengewalt zur Wehr zu setzen. Die Möglichkeit, Ansprüche
auf dem Rechtsweg geltend zu machen, entwickelte sich nur langsam.
Das Turnier
Das Ritterturnier war zunächst eine Art Manöverübung für
Reiter. Trotz vereinbarter Regeln gab es häufig Tote, weshalb
die Kirche bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts immer wieder Verbote
gegen das Turnierwesen aussprach. Als Preis durfte der Sieger
die Ausrüstung des Besiegten behalten oder ein Lösegeld einfordern. Austragungsort
der Turniere waren meist freie Plätze in der Nähe von Städten,
denn nur hier war es möglich, mitunter Hunderte von Teilnehmern
mit ihren Bediensteten und Pferden sowie die Zuschauer, darunter
zahlreiche Damen, unterzubringen. Am Mittelrhein wurden neben
dem bedeutendsten Turnier 1184 bei Mainz auch Schaukämpfe in Boppard,
Koblenz und Andernach ausgetragen. Im 14. Jahrhundert verlor das
Turnier zunehmend seine militärische Bedeutung, es wandelte sich
zu einer sportlichen Veranstaltung mit strengem höfischem Zeremoniell.
Der "alte" Adel nutzte die Zulassung zum Turnier als Abgrenzung
gegenüber Aufsteigern aus dem städtischen Bürgertum. So prüften
die Herolde bei der "Helmschau" vor Beginn des Turniers die Teilnehmer
beispielsweise auf ihre Ritterbürtigkeit, ihre Abstammung von
mehreren Turnierteilnehmern und die Zulässigkeit der mitgebrachten
Waffen.
Rüstung und Bewaffnung
Rüstung und Pferd sind die typischen
Erkennungszeichen eines Ritters. Dabei handelte es sich bis ins
12. Jahrhundert bei der Rüstung nur um ein knielanges Kettenhemd
mit Kapuze, über der ein Helm getragen wurde. Zusätzlichen Schutz
bot der Schild. Über den Rumpf konnte der Ritter einen Waffenrock
in seinen Wappenfarben ziehen. Verbesserungen in der Waffentechnik
erforderten nach und nach eine Verstärkung des Kettenhemds mit
Eisenplatten. Im Spätmittelalter fertigten spezialisierte Handwerker
aus Eisenplatten den Plattenpanzer an, der heute untrennbar zum
Ritter-Mythos gehört. Die typische Angriffswaffe des Ritters war
die Lanze. Für den Nahkampf trug er zudem ein Schwert und einen
Dolch, die auch wichtige Statussymbole waren. Eine bedeutende
Rolle spielte daneben das Pferd, dessen Ausrüstung mit Sattel,
Satteldecke, Zaumzeug und im Spätmittelalter auch einer eigenen
Panzerung Reichtum und Macht des Besitzers spiegelte. Goldene
Sporen sind in der Dichtung sogar zu einem Sinnbild für die Ritter
geworden. Ritter kämpften nicht nur gegen andere Ritter, sondern
auch gegen Fußsoldaten und Bauern, die als unritterlich verachtete
Waffen benutzten. Die Soldaten des Spätmittelalters waren meist
mit Kurzschwertern bewaffnet, auch ein Schutz durch Harnisch und
Helm war üblich. Die Bauern kämpften mit gefährlichen Schusswaffen
wie Bogen und Armbrust, im Nahkampf mit Spießen, Streitäxten und
Streitkolben.
Höfisches Leben
Im 11. Jahrhundert entstand an
den großen französischen Adelshöfen eine verfeinerte höfische
Kultur. Dazu gehörte ein Idealbild des Ritters, der zahlreiche
Tugenden in sich zu vereinigen hatte. Bald verbreiteten sich diese
Vorstellungen auch im römisch-deutschen Königreich. Ein Ritter
hatte sich in Demut und Treue gegenüber der Kirche und seinem
Lehnsherrn zu üben. Christlicher Glaube, Weisheit, Gerechtigkeit,
Mäßigung und Tapferkeit waren die Leitlinien für sein Handeln.
Gleichzeitig sollte er von edler Herkunft und schöner Gestalt
sein sowie die feinen Sitten beherrschen. Dieses von Dichtern
wie Wolfram von Eschenbach vielfach besungene Ideal hatte häufig
nur wenig mit der Realität gemein. Vermutlich wird in der höfischen
Dichtung vielmehr ein Gegenbild zu den tatsächlich oft rauen Sitten
entworfen. Der bis heute lebendige Ritter-Mythos hat hier seinen
Ursprung.
Der Niederadel
Der Adel ist im Mittelalter keine in
sich geschlossene und fest gefügte Schicht. Der Aufstieg in diese
soziale Gruppe und auch der Abstieg waren nichts Ungewöhnliches.
Im Hochmittelalter waren unfreie Dienstleute, die Ministerialen
mit verschiedensten Aufgaben betraut. Dazu gehörte die Wahrnehmung
der lokalen Verwaltung ebenso wie die militärische Sicherung des
Reichsgutes. Einigen von ihnen gelang im 13. Jahrhundert der Aufstieg
in den Niederadel, den Reichsministerialen von Falkenstein 1397
sogar die Erlangung des Grafentitels.. Mit der Erblichkeit ihrer
Stellung entwickelten sich um die Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert
Familiennamen und damit Geschlechterzugehörigkeiten. Trotzdem
waren die Ministerialen nach wie vor persönlich unfrei. Einigen
von ihnen gelang es im 13. Jahrhundert, sich nach und nach aus
der Abhängigkeit und Unfreiheit zu lösen. Im 14. Jahrhundert bildeten
diese erfolgreich aufgestiegenen ehemaligen Dienstleute zusammen
mit Angehörigen der alten Adelsgeschlechter schließlich eine niederadlige
Schicht aus. Im Spätmittelalter demonstrierten diese früheren
Ministerialen ihre zunächst angemaßte, dann tatsächliche Zugehörigkeit
zum Adel auf vielfältige Art und Weise. Sie führten zum Beispiel
ein Wappen, erbrachten den Nachweis der adligen Abstammung in
Form von Wappenbriefen oder Wappentafeln und ließen aufwändige
Grabmale anfertigen.
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