| Legalisierter 
                      Raub  Der 
                      Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen und Berlin 
                      1933-1945 Eine Ausstellung des Fritz Bauer Instituts 
                      und des Hessischen Rundfunks im Deutschen Historischen Museum
 12. Mai 2005 – 18. September 2005
  „Besitzen 
                      Sie Gemälde, Antiquitäten, Gold- oder Silberwaren, Schmuck, 
                      Juwelen oder sonstige Kunstgegenstände und Sammlungen?“ 
                      Der 21jährige Berliner Günter Pacyna konnte zu dieser Frage 
                      keine Eintragungen vornehmen, als er Anfang 1942 im Gestapo-Arbeitslager 
                      Berlin- Wuhlheide die sogenannte Vermögenserklärung ausfüllen 
                      mußte. Bereits 1935 hatte sein Vater, der eine Posamentenfabrik 
                      in Berlin-Charlottenburg besaß, seine kleine Sammlung mit 
                      Porzellanfiguren und Bildern versteigern müssen.  Zu 
                      dieser Zeit waren die Finanzämter bereits mit der Verwertung 
                      des Eigentums der Deportierten befaßt, das seit der 1941 
                      erlassenen 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz dem „Reich 
                      verfiel“. Zunächst wurde es in den Vermögenserklärungen 
                      erfaßt. Ob in Berlin oder in Frankfurt am Main: Überall 
                      mußten diejenigen, die „in den Osten evakuiert“ werden sollten, 
                      Fragen nach „Wohnungsinventar und Kleidungsstücken (Anzahl 
                      und Wertangaben)“ beantworten. Die Vermögenserklärungen 
                      waren die Grundlage für den folgenden Verkauf oder die Versteigerung. 
                      Interessenten dafür gab es viele. Überall kam es zu öffentlich 
                      angekündigten Auktionen aus jüdischem Besitz: Tischwäsche, 
                      Möbel, Kinderspielzeug, Geschirr, Lebensmittel wechselten 
                      den Besitzer. Nachdem die Menschen aus ihren Wohnungen deportiert 
                      worden waren, sicherten sich ihre Vermieter eine Entschädigung 
                      für den „Mietausfall“, der ihnen entstanden war. Die Miete 
                      wurde aus dem eingezogenen Vermögen von den Finanzbehörden 
                      an die Vermieter beglichen. In Berlin und im ganzen Deutschen 
                      Reich haben sich auf diese Weise Hausbesitzer an der Verfolgung 
                      der jüdischen Bevölkerung beteiligt. Neben den Vermietern 
                      haben die Städtischen Elektrizitätswerke, in Berlin die 
                      BEWAG, die Gasversorger und die Stadtreinigung und viele 
                      andere mit den Finanzbehörden um einen Anteil am eingezogenen 
                      Vermögen der Deportierten gefeilscht. Auf legaler Grundlage, 
                      mit Hinweis auf Verordnungen und Gesetze. Die 
                      ersten Grundlagen wurden bereits kurz nach der Machtübernahme 
                      der Nationalsozialisten 1933 geschaffen. Beamte verloren 
                      wegen ihrer „nichtarischen“ Familie ihre Arbeit, mit ihnen 
                      viele jüdischen Angestellten und Arbeiter, Ärzte und Rechtsanwälte 
                      ihre Praxen und Kanzleien. Die Verordnungsflut wurde durch 
                      die Finanzbehörden in Kooperation mit weiteren Institutionen 
                      umgesetzt– getreu der Richtlinie, die Fritz Reinhardt, Staatssekretär 
                      im Reichsfinanzministerium, dem Steueranpassungsgesetz von 
                      1934 vorangestellt hatte: „Die Steuergesetze sind nach nationalsozialistischer 
                      Weltanschauung auszulegen.“ In der Folge verdiente das Deutsche 
                      Reich durch die Reichsfluchtsteuer an denen, die es in die 
                      Emigration trieb, wie an denen, die blieben, weil ihnen 
                      das Geld für die Auswanderung fehlte, weil sie kein Visum 
                      bekamen oder weil sie ihre Heimat trotz allem nicht verlassen 
                      wollten. Mitunter war die Reichsfluchtsteuer fällig, ohne 
                      daß sie emigrierten, sie zahlten die Judenvermögensabgabe, 
                      hatten Wertgegenstände abzugeben: ganz legal. Akribisch 
                      führte die Finanzverwaltung Buch und dokumentierte den Raub 
                      in Tausenden von Akten, die sich heute in den Archiven befinden. 
                      Das letzte Zeichen des jungen Berliners Günter Pacyna findet 
                      sich in einer solchen Akte. Wolfgang Lauinger bewahrt bis 
                      heute einen Stuhl auf, den er vor der Versteigerung im Lager 
                      einer Spedition ausgelöst hat: Er hat seinem Vater Artur 
                      Lauinger gehört, der im Sommer 1939 emigrierte. Kunstwerke 
                      oder Antiquitäten, die unter Druck und Zwang von ihren jüdischen 
                      Besitzern verkauft worden waren, finden sich heute in privaten 
                      oder öffentlichen Sammlungen. So hat der Berliner Auktionator 
                      Paul Graupe den Besitz der Kunsthandlung Drey aus München 
                      und der Berliner Galerie van Diemen versteigert, weil es 
                      die deutschen Finanzbehörden anordneten. Die Spuren dieser 
                      Versteigerung finden sich heute in San Diego, New York und 
                      im deutschen Wetzlar. Die 
                      Ausstellung gibt anhand von Dokumenten, Fotografien und 
                      Exponaten einen Einblick in die Geschichte des legalisierten 
                      Raubes, in die Lebensgeschichten von Tätern und Opfern. 
                      Am Ende wirft sie einen Blick auf die Nachkriegszeit – auf 
                      Entnazifizierung und Wiedergutmachung.  So kehrte 
                      der Journalist Artur Lauinger nach dem Krieg nach Deutschland 
                      zurück. Auf seinen Antrag zur Wiedergutmachung für Schaden 
                      im beruflichen Fortkommen antwortete die zuständige Wiesbadener 
                      Behörde genau sieben Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen 
                      Herrschaft mit der Frage, wer das Berufsverbot denn ausgesprochen 
                      habe: „Eine staatliche oder nazistische Stelle? Oder ergab 
                      sich diese aus einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung?“ 
                       Er starb 
                      1961 - drei Jahre nachdem die langjährige Auseinandersetzung 
                      um die Wiedergutmachung endlich beendet worden war - im 
                      Alter von 82 Jahren in Frankfurt. |