| Die Erforschung von Todesriten ist eine spannende Konfrontation 
                      mit der Geschichte der menschlichen Zivilisation. Beim historischen 
                      Rückblick auf die Auseinandersetzung des Menschen mit dem 
                      Tod werden Konstanten ebenso deutlich wie Weiterentwicklungen 
                      und Brüche.   Ziel 
                      dieser Rituale ist immer, den Leichnam eines Verstorbenen 
                      im Einklang mit den Glaubensvorstellungen der jeweiligen 
                      Epoche so effizient wie möglich zu beseitigen. Im Elsass 
                      lässt sich besonders anschaulich nachvollziehen, auf welch 
                      komplexe Weise die Lebenden von der Vorgeschichte bis zum 
                      Ende des 19. Jahrhunderts den Dialog mit dem Tod führten. 
                      Denn diese Region, in der die archäologische Forschung sehr 
                      aussagekräftige Zeugnisse zutage förderte, zeichnet sich 
                      durch vielfältige Traditionen, ein sehr offenes religiöses 
                      und soziales Umfeld sowie ein breites Spektrum an spezifischen 
                      Formen der Sepulkralkunst aus.
 Für die am weitesten zurückliegenden geschichtlichen Epochen, 
                      insbesondere für Zivilisationen ohne Schrift, stellt die 
                      archäologische Forschung die einzige Informationsquelle 
                      dar. Durch die Untersuchung der vom Menschen hinterlassenen 
                      materiellen Zeugnisse (Grabstätten, Grabbeigaben, Opfergaben, 
                      Grabstelen) lassen sich Rückschlüsse auf die an den Tod 
                      geknüpften Glaubensvorstellungen und Riten ziehen. Der Weg 
                      eines Verstorbenen ins Jenseits wurde von zahlreichen Praktiken, 
                      Mythen und Glauben begleitet. Dies trifft auf die ersten 
                      Grabstätten in der späten Altsteinzeit und die ersten Gräberfelder 
                      der sesshaft gewordenen Jungsteinzeitmenschen ebenso zu 
                      wie auf die Bestattungsriten der römischen Antike und des 
                      frühen Mittelalters.  Im Mittelalter wurde die Kirche zur hauptsächlichen Organisatorin 
                      von Bestattungen. Sie kanalisierte die verschiedenen Praktiken 
                      und versammelte dazu die Gräber in der nächsten Umgebung 
                      von Kapellen und Kirchen auf eigens dafür bestimmtem Boden. 
                      In den sehr komplexen barocken Bestattungszeremonien des 
                      späten 16. und des 17. Jahrhunderts wurde der Tod in Szene 
                      gesetzt, wobei das Ziel in der christlichen Erbauung der 
                      Lebenden bestand. Erst ab Ende des 18. Jahrhunderts ist 
                      eine Säkularisierung der mit dem Tod zusammenhängenden Praktiken 
                      zu beobachten. In dieser Zeit entstanden große Friedhöfe 
                      an den Stadträndern. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts spiegelten 
                      die vielfältigen Grabmäler dieser "Totenstädte" mit ihrer 
                      facettenreichen Symbolik und ihrer von einer hoch entwickelten 
                      Bestattungskunst zur Geltung gebrachten Themenvielfalt die 
                      Welt der Lebenden und die gesellschaftliche Organisation 
                      der jeweiligen Zeit wider.  In ländlichen Gebieten des Elsass versuchte man im 19. 
                      Jahrhundert, den Tod durch eine ausgesprochen strikte Ritualisierung 
                      zu kanalisieren. Dies sollte dem Verstorbenen den guten 
                      Verlauf seiner "Reise" ins Jenseits aber auch sein Weiterleben 
                      in der kollektiven Vorstellung gewährleisten. Hier spielten 
                      die unterschiedlichen Ausprägungen von Aberglauben sowie 
                      Legenden eine Rolle. Für die dörfliche Gemeinschaft waren 
                      der Tod eines ihrer Mitglieder und die Konfrontation mit 
                      der Unausweichlichkeit der Trennung oft Anlass, um Einigkeit 
                      zu demonstrieren und die Reihen enger zu schließen.  Ebenfalls mit dem Tod befasst sich in Verlängerung der 
                      Schau des Archäologischen Museums eine Ausstellung des Archivs 
                      der Stadt und der Stadtgemeinschaft Straßburg (32, route 
                      du Rhin, 19. Januar bis 20. Juni 2009). Der den Akzent liegt 
                      dabei jedoch auf Straßburg und seiner näheren Umgebung. 
                     Bild: Glasurne mit Leichenbrand, römisch. |